Streifzug

Von Null Grad ins Licht

50 Jahre Streifen: Vier Ausstellungen spannen den Bogen von Daniel Burens Anfängen bis heute

1966 gründen vier junge Männer die Künstlergruppe BMPT, um die durch Expressivität und Bedeutsamkeit überhitzte Malerei herunter zu kühlen: "degré zéro", null Grad, ist das erklärte Ziel, und der Weg dahin führt über eine radikale Reduktion auf geometrische Grundstrukturen: Olivier Mosset setzt auf Kreise, Michel Parmentier auf horizontale Linien, Niele Toroni auf kleine Quadrate, und Daniel Buren, das B im Namen der Gruppe, auf senkrechte Streifen von 8,7 Zentimeter Breite, dem Standardmaß der Markisen im Pariser Stadtbild. Der Rest ist Kunstgeschichte.

Daher kommen vier Ausstellungen, die den 50-jährigen Bogen von Burens Anfängen bis heute spannen, gerade recht: Drei Leinwände aus den 60er-Jahren stehen auf dem Boden der Berliner Galerie Buchmann – als Wanddekoration wollte Buren seine Arbeiten nie verstanden wissen. Auf der ältesten Arbeit von 1966 ist immerhin noch ein grauer Streifen mit weißer Farbe übermalt. Drei Jahre später verwendet er schon rot-weißen Markisenstoff, wobei Buren nur mehr die weißen Streifen weiß übermalt. Mit dieser Geste hat er den Nullpunkt der Malerei erreicht.

Danach – und bis heute – verlässt Buren die Leinwand und widmet sich vollends dem Raum, setzt Streifen direkt auf Wände und Böden, Treppenhäuser oder Bahnhofshallen, gibt sein Standardmaß auf, um sich der jeweiligen Situation anpassen zu können. Eine neue In-situ-Arbeit ist jetzt an den drei Fenstern der Galerie Schulte, ebenfalls Berlin, zu sehen – während er sich in Paris die gesamte Fondation Louis Vuitton vorgeknüpft hat.

Buren hat die gigantische Glasfassade des Frank-Gehry-Baus mit 3600 Streifen in dreizehn Farben überzogen; je nach Tageszeit und Sonnenlicht changieren das Außen und die Innenräume des Museums, verändert sich der Blick auf den umgebenden Park und in den Himmel: "L’Observatoire de la lumière" nennt er das Mammutprojekt.

Und dann läuft ja auch noch die große Ausstellung im Brüsseler Palais des Beaux-Arts (BOZAR), in dem der Franzose direkt mit den Werken seiner Meister und Kollegen spielt: Paul Cézanne, Henri Matisse, Pablo Picasso, Jackson Pollock. Im Hauptsaal hat er die Wand mit grünen Streifen überzogen. Dazwischen sind rechteckige Leerräume gelassen. Malerei ex negativo.