Medienschau

"Was dem Bürger recht ist, kann dem Staat nicht billig sein"

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Die Berlinale-Ausladung von AfD-Abgeordneten war ein Fehler, Konflikte werden in Kunsträumen für die persönliche Agenda instrumentalisiert und Kunstlehrer verkauft Schülerwerke: Das ist unsere Presseschau am Donnerstag
 

Debatte

Peter Naumann kommentiert in der "Zeit" noch einmal die Störaktion im Hamburger Bahnhof Berlin: "Zur bitteren Pointe gehörte auch, dass Tania Bruguera am Beginn ihrer Performance eine Liste mit Künstlerinnen und Künstlern verlesen hatte, die nach dem 7. Oktober von deutschen Kultureinrichtungen wieder ausgeladen wurden, darunter Aktivisten wie Masha Gessen und Candice Breitz und Schriftstellerinnen wie Adania Shibli. Nun ist Tania Bruguera selbst gecancelt worden." Besser habe es der Neue Berliner Kunstverein gemacht: "Weil der Verein nicht ihre politische Meinung zum Gaza-Krieg teilt, wollten die beiden Künstlerinnen Banu Cennetoğlu und Pilvi Takala dort nicht mehr ausstellen. Der Kunstverein ließ die beiden ohne Worte des Bedauerns ziehen. Man sehe vermehrt Versuche einer Instrumentalisierung von Konflikten für die persönliche Agenda und lehne die Übernahme vorgegebener politischer Einstellungen ab, schrieb der Verein in einem Statement. Auch so lassen sich Räume schützen: mit klaren Grenzen und offenem Visier."


Eine politisch aufgeladene Berlinale erwartet Lars-Olav Beier bei "Spiegel Online". Angekündigt sind unter anderem Proteste von Filmschaffenden für fairere Löhne, außerdem beherrschen die Themen Nahost-Krieg und AfD die Debatten im Vorfeld der Kino-Festspiele. "Möglicherweise wird dies also die turbulenteste, unberechenbarste und aufregendste Berlinale seit Jahren. Doch bei alldem, was an Kundgebungen und Aktionen vermutlich stattfinden wird, darf nicht aus dem Blick geraten, worum es bei dem Festival eigentlich geht: um die Filme und die Künstler, die sie geschaffen haben. Sie werden es in diesem Jahr nicht leicht haben, sich gegen das Umfeld der Berlinale zu behaupten."


Als einen schweren Fehler bezeichnet Deniz Yücel in der "Welt" die Ausladung von fünf AfD-Politikern von der Eröffnungsgala der Berlinale. Diese war infolge eines offenen Briefs von Filmemacherinnen und Schauspielern erfolgt. Yüzel hält das Vorgehen - trotz deutlich formulierter Ablehnung der AfD - für undemokratisch, weil den Abgeordneten als gewählten Vertretern des Senats diese Einladungen zustünden. "Jeder Bürger kann entscheiden, ob er einem AfD-Politiker auch nur 'Guten Tag' sagt. Vereine und Unternehmen können ihren Umgang innerhalb der Gesetze frei bestimmen. Doch was dem Bürger recht ist, kann dem Staat nicht billig sein – ebenso wenig Einrichtungen, die öffentliche Gelder erhalten. Dass die AfD gerne so tut, als würden nur ihre Wähler Steuern zahlen, darf nicht dazu führen, zu ignorieren, dass auch ihre Wähler Steuern zahlen. Schon darum verstößt die Ausladung der AfD gegen demokratische Prinzipien."


Ein Konzept für zeitgemäße Erinnerungspolitik, die seit den Hamas-Anschlägen vom 7. Oktober wieder kontrovers diskutiert wird, legt Kulturstaatsministerin im "Tagesspiegel" vor. Darin konstatiert sie: "Das Menschheitsverbrechen des Holocaust bleibt Kern und Ausgangspunkt der Erinnerungskultur in Deutschland", dabei sollen in einer Einwanderungsgesellschaft aber auch für die "die Traumata, die viele Eingewanderte in ihren Herkunftsländern, auf dem Weg nach Deutschland oder hier erfahren haben - angefangen mit dem Kolonialismus bis hin zu Erfahrungen von Rassismus und Ausgrenzung in Deutschland" die Augen geöffnet werden. "In der Erinnerungskultur vergewissert sich eine Gesellschaft ihrer Identität und ihres Selbstverständnisses, die beide Feld politischer Diskussionen und damit streit- und wandelbar sind. Erinnerungskultur kann ihre zukunftsgestaltende Kraft nur entfalten, wenn sie nicht nur als Mahnung, sondern auch als gesellschaftlicher Auftrag verstanden wird. Das gilt es zu diskutieren im gegenseitigen Respekt, im Wissen um die damit verbundenen Traumata - und mit dem Willen zu einer gemeinsamen Gestaltung unserer Demokratie. Zu unserer Geschichte gehören aber auch antisemitische und rassistische Anschläge der vergangenen Jahre, Tage und Wochen. Der Brandanschlag auf ein jüdisches Altenheim in München 1970, die Anschläge von Mölln und Solingen, die Mordserie des NSU wie auch die Anschläge beim Olympiazentrum in München, in Halle und in Hanau oder die antisemitische Hetze und Gewalt seit dem 7. Oktober."
 

Geburtstag

In der "FAZ" gratuliert Andreas Platthaus dem "Simpsons"-Erfinder Matt Groenig zum 70. Geburtstag. Seine epochale Kreation habe Generationen von Jugendlichen geprägt und seine immer gleich alten Protagonisten auf verschiedene Strömungen des Zeitgeistes losgelassen. Allerdings habe sich das Sprengkräftige der gelben US-Durchschnittsfamilie mittlerweile abgenutzt: "Nach 35 Jahren muss indes selbst der zeitlos zeitsatirische Kosmos von Springfield, dem all American Handlungsort der 'Simpsons', dem Lauf der Zeit Tribut zollen. Längst verwaltet die Serie nur noch ihren früheren subversiven Ruhm, und es war bezeichnend, dass Groening 2007 seine damals parallel zu den 'Simpsons' laufende Comicserie 'Life in Hell' in 'Life Is Swell' um­benannte – als Multimillionär hatte er seinen Frieden mit der Gesellschaft gemacht, und die bestechende Bosheit seiner Cartoonwelten (denen sich 1999 zusätzlich die Fernsehtrickserie 'Futurama' zugesellt hatte) wurde vermehrt nur noch Pose." Die Zeichentrickserie hat einige Seitenhiebe auch auf die Kunstwelt ausgeteilt. Hier unsere zehn Lieblingsmomente.


Kleinanzeigen-Kriminalität

Normalerweise landen Werke aus dem Kunstunterricht an den Wänden stolzer Eltern oder in verschämten Mappen auf dem Dachboden. Ein Kunstlehrer aus Kanada hat jedoch offenbar versucht, mit den Kreationen seiner Schülerinnen und Schüler Geld zu verdienen und diese im Internet zu verkaufen, so meldet es unter anderem "Now Toronto". Das Ganze sei aufgeflogen, nachdem ein Schüler den Lehrer gegoogelt habe und dabei auf sehr bekannt wirkende Kunst gestoßen sei. "Ich bin extrem angewidert von dieser Person. Es ist extrem, wissen Sie, es ist unglaublich", zitiert das Portal einen Vater eines der Bestohlenen. Die betroffene Schule gab an, den Vorgang zu untersuchen. Eine Tasse mit den Schüler-Werken kostete übrigens 41 Dollar.