Kunstmuseum Liechtenstein

Wie konnte man ihn nur vergessen?

Sein in sich verdrehtes Metallgeflecht „Cyclone Fence“ von 1968 erinnert an einen Looping in einer überdimensionierten Spielzeugrennbahn. Dieses Schlüsselstück bereits in der ersten Halle aufzustellen fordert sozusagen nach dem Lüften des Vorhangs den Applaus, fast alles wird gleich über Bill Bollinger verraten. Eine dramaturgische Schwäche, die die Bedeutung der Ausstellung allerdings nicht mindert: Die Wiederentdeckung des 1939 geborenen (und 1988 verstorbenen) Amerikaners war doch lange erwartet worden, die Schau im Kunstmuseum Liechtenstein ist die erste Retrospektive des Künstlers in Europa.

Bill Bollinger, der erst Luftfahrttechnik studierte, untersuchte die Vernetzung und Bewegung von Linien, verursacht in den Materialien selbst (eben in der Bewegung des metallenen „Cyclone Fence“) oder durch geringste Manipulationen. Bollinger interessierte nicht „die Ästhetik der Form“, erklärte er sich einmal, sondern „Zustandsaussagen“.

Bei vielen Werken sind denn auch nur wenige Eingriffe des Künstlers nachweisbar. Sie betonen seine Feinfühligkeit – keine großspurige Geste nirgendwo. Wie der Horizont als scheinbar strenge Gerade über dem Meer liegt, beeinflusste ihn bei einer Atlantiküberquerung auf einem Frachtschiff 1968 beinahe mystisch. Zu diesem Komplex präsentiert man in Vaduz unterschiedliche Arbeiten wie Bollingers „Rope Pieces“, bei denen Hanfseile zwischen Verankerungspunkten befestigt werden, wodurch im Spannungszustand schwebende Linien entstehen. Das Wasser selbst spielt dabei natürlich auch eine Rolle: in diversen Schlauchsystemen, einmal mit sieben lackierten Fässern, die zu einer Skulptur verbunden werden.

Das meiste wurde aus Bestehendem neu arrangiert, eine von der Decke hängende Glühbirne etwa oder aufgehäufter Grafitstaub. Die Zeichnungen mit Sprühfarbe setzen Kontraste im Gesamtwerk Bollingers, die subtile Farbigkeit in den löchrig wirkenden Flächen beweist eine tief malerische Qualität.

Und wie lässt sich ein Künstler, der sich schon zu Lebzeiten verabschiedet hat und inzwischen mehr als 20 Jahre tot ist, außerdem bewerben? Mit Prominenz aus seinem Umfeld: Bill Bollinger hat zusammen mit Eva Hesse, Bruce Nauman und Richard Serra ausgestellt (das letzte Mal 1970), zum Beispiel in Harald Szeemanns sagenhafter Schau „When Attitudes Become Form“ 1969 in Bern.

Aber das präzise Schaffen Bollingers hat dieses Namedropping eigentlich gar nicht nötig. Es behauptet sich, immer noch, auch so. 

Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz, bis  8. Mai