Anika Meier über Feminismus 4.0

Netzfeminismus? Ja bitte!

Das sind die interessantesten neuen Künstlerinnen in den sozialen Netzwerken

Kann man das Patriarchat mit Selfies besiegen? Das fragt die aktuelle Ausgabe von Monopol. Eine polemische Frage. Die neue Generation feministischer Künstlerinnen, die in den sozialen Medien wie Tumblr und Instagram ihr Ausdrucksmedium gefunden hat, muss immer wieder Kritik einstecken. Aber handelt es sich tatsächlich nur um eine Egoshow von Narzisstinnen, die sich im Web 2.0 ihre eigene Bühne schaffen?

Auf den sozialen Netzwerken mit ihren restriktiven Regeln werden die Bilder von Künstlerinnen wie Petra Collins, Arvida Byström und Molly Soda regelmäßig zensiert, weil sie zu viel Schamhaar, Körperflüssigkeiten, Menstruatsionsblut und nackte Haut zeigen. Die Zensur und ein anderer Umgang mit dem weiblichen Körper in den Medien ist ihr Thema, dagegen kämpfen sie an.

Mit ihren Bildern provozieren sie bewusst all diejenigen, die schon Haare an den Beinen einer Frau als anstößig empfinden. Und sich wild durch das Menü von Instagram klicken, um ein Bild zu melden, als unangemessen, als Nacktdarstellung oder Pornografie. Diese Zensur verschafft den Net-Artists überhaupt erst Aufmerksamkeit und katapultiert sie aktuell in Galerien, Magazine und Bücher.

Ihre Kritiker vermissen die politische Relevanz. Aber beim Feminismus 4.0 melden sich Mädchen und junge Frauen zu Wort, die mit dem vertraut sind, was ihnen in ihre Timelines und Feeds gespült wird und was sie in Blogs und Magazinen online lesen. Die Gesellschaft haben sie vor allem als Instanz erfahren, die auf ihren heranwachsenden Körper reagiert – im Netz und außerhalb der elterlichen Wohnung. Wenn sie Follower und Likes sammeln, kämpfen sie damit auch gleichzeitig für eine Generation Mädchen und Frauen, die morgens im Badezimmer nicht mehr zuerst nach dem Rasierer greifen möchte, um nachwachsende Körperhaare zu entfernen. Das mag wenig sein, aber für pubertierende Mädchen, die sich Body Shaming wegen Pickeln, ein paar Gramm und ein paar Kurven zu viel ausgesetzt sehen, ist das die Welt.

Welche Künstlerinnen außer Petra Collins, Amalia Ulman und Arvida Byström gibt es also noch? Was sind ihre Themen? Ein Überblick

Stephanie Sarley

 

Der niederländische Künstler Erik Kessels hat ein Magazin in der Reihe "Useful Photography" herausgebracht mit vielen vielen Bildern von Männern, die einfach mal schauen wollen, wie ihr Penis so neben Alltagsgegenständen wie einer Fernbedienung oder einer Cola Dose aussieht. Männer dürfen das, finden die Männer, schließlich ist das lustiger, als einfach ein Metermaß anzulegen. Stephanie Sarley ist etwas Amüsanteres eingefallen. Die Illustratorin und Videokünstlerin teilt Fotos und Videos von Früchten, die sie mit ihren Fingern zärtlich berührt und langsam streichelt. Sie personifiziert humorvoll den Ursprung der Welt, wie es Courbet formuliert hätte. Es geht ihr um die Akzeptanz weiblicher Sexualität. Ihr Ziel ist, wie sie sagt: "Empowering vaginas". Und Instagram? Findet das alles ganz und gar anstößig, die Bilder und Videos werden immer wieder gelöscht, ihr Account stillgelegt und die Medien berichten und berichten. Ihr Account hat seit Januar einen Zuwachs von 130.000 Followern.

Frances Cannon

Perfect in every way.

Ein von Frances Cannon (@frances_cannon) gepostetes Foto am

 

"Frances Cannon, Melbourne Künstlerin und Feministin" steht in ihrem Instagram Profil. Sie zeigt Fotos von Tattoos, die aus drei Wörtern bestehen, "Self Love Club", und aufgeritzte Frauenarme zieren. Ihre Zeichnungen erinnern stilistisch an David Shrigley und könnten Illustrationen zu Beiträgen auf Instagram von Lena Dunham sein. Ihre Protagonistinnen haben nichts zu lachen. Sie kauern am Boden, sitzen heulend da oder liegen nachdenklich mit aufgestützten Armen herum. Darunter aufbauende Worte wie „I am not an invisible woman", nur weil ich etwas zu dick bin, gibt die Zeichnung zu verstehen. Oder "Everything about you is just wonderful". Die Grenzen zum Gefühlskitsch sind fließend. Body Positivity statt Body Shaming.

Mayan Toledano

got me a cute date at Duane Reade

Ein von Mayan Toledano (@thisismayan) gepostetes Foto am

 

Die kanadische Alleskönnerin Petra Collins, Cover Girl der New Feminism Wave, gründete mit "The Ardurous" eine Online-Plattform für Fotografinnen, Stylistinnen, Illustratorinnen, Künstlerinnen und Models, die sie gemeinsam bespielen. Mayan Toledano ist eine der knapp über 30 Mitglieder des Kollektivs. Allen gemein ist eine Teen Girl Ästhetik pretty in pink, alles ist irgendwie süß, niedlich, verträumt, die Mädchen sind alle BFFs, beste Freunde für immer, sie liegen gemeinsam in ihren Betten und schauen in ihre Smartphones.

Me and You

Repost from bff @petrafcollins all in our stuff by @skyeparrott

Ein von @its_meandyou gepostetes Foto am

 

Die Bewegung hat ihr eigenes Mode Label. Gegründet von Mayan Toledano und Julia Baylis, zwei der Mitglieder von "The Ardurous". Pinke Granny Pants weisen die Mädchen als Feministinnen aus, Aufschriften auf Pullis machen deutlich, dass sie nicht ohne Zustimmung angefasst werden möchten. Die Klamotte zum Normcore Feminismus für Teenager. Süß.

Teen Slut

 

Auch der deutschsprachige Raum hat seine Girl Gang, sie nennen sich Teen Slut, ihre Heimat ist München und Innsbruck. Ihren amerikanischen Vorbildern wollen sie in nichts nachstehen und fotografieren sich deshalb auch in pinken Mädchenschlafzimmern und vor dem Badezimmerspiegel. Auf Instagram, wo jedes Leben möglichst aufgeräumt präsentiert wird, fallen sie mit ihrer 90er-Jahre-Ästhetik auf. Das war es aber auch schon.

Leah Schrager

 

Mit den girly Girls hat Leah Schrager nicht viel gemein, sie ist die Erwachsene im Kampf um einen anderen Umgang mit dem weiblichen Körper in den Medien. Auf ihrer Website schreibt sie, dass sie irgendwo zwischen New York und dem Internet arbeitet, mit verschiedenen Personas und alter Egos. Ihr aktuelles Projekt: Ona, der weibliche Elvis. Das Netz und die Kunstwelt hat sie genau studiert, sie übernimmt die Ästhetik von Porno Seiten und inszeniert sich als Prototyp der sexy Frau, die ihren Körper dem männlichen Blick als Ware anbietet. Ihre Antwort auf das Hashtag #FreeTheNipple lautet #PayTheNipple, weibliche Nacktheit hat einen Preis, sagt sie. In der Kunstwelt wird das nicht immer auch als Kunst anerkennt, die Grenzen zum Kommerz sind fließend. Ihre Serie "Infinity Selfie" heißt auch "SFSM", kurz für "safe for social media". Was auf Instagram zum Löschen ihrer Bilder führen könnte, ist nicht zu sehen, also wird auch nichts gelöscht.

Ex Miss FEBEM

"Moa, no sou obrigada a ser feminista" projeo vdeo loop #xanadona

Ein von Ex Miss FEBEM (@ex_miss_febem) gepostetes Video am

 

Auch in Brasilien gibt es Feministinnen, die auf Instagram aktiv sind. Eine von ihnen nennt sich Ex Miss Febem und lebt in Rio de Janeiro. Ihr Lieblingsthema: Menstruationsblut in Höschen, das zwischen ihren Beinen hängt, während sie auf dem Klo sitzt. Keines der Bilder, die in den vergangenen Monaten zu Aufregern bei ihren Followern führten, sind mehr online. Die Zensur war Grund der Aufregung.