"Akademie [Arbeitstitel]" in Düsseldorf

Das Archiv als Performance

Die Klasse Suchan Kinoshita von der Kunstakademie Münster übernimmt die Kunsthalle Düsseldorf

Unter der Treppe vor dem Kinosaal steht ein Turm aus Tabletts. Grauer Kunststoff, ein genormtes, auf Körpermaße abgestimmtes Format, wie es in tausenden Bürokantinen und Unimensen täglich im Einsatz ist. Die Tabletts sind der Beitrag "table/t" der Klasse Suchan Kinoshita von der Kunstakademie Münster. Aufeinander gestapelt sind sie so hoch, dass die kleinste Person in der Klasse mit ausgestreckter Hand gerade noch so an das oberste Tablett heranreicht. Bis zum Ende der Laufzeit werden auf und mit den Tabletts immer wieder Performances und künstlerische Arbeiten gezeigt und präsentiert, die sich zwischen die temporären Installationen in den Ausstellungsräumen drängen – in between, in Anlehnung an die legendäre Ausstellungsreihe der Kunsthalle.

Gestapelte Tablets Klasse Suchan Kinoshita

 

Die Tabletts sind gleichzeitig Objekt, aber auch Material. Mal fungierten sie als Träger für abstrakte Malerei, mal dienen sie als flache schachbrettartige Sockel und Präsentationsrahmen für Skulpturen – in dem Fall Objekte und Bronzen aus dem persönlichen Archiv von Kenny Rüdiger, einem Studenten der Klasse – ausgebreitet auf dem Boden im Treppenhaus, oder werden als Hocker und Tisch für eine Teezeremonie im Ausstellungsraum umfunktioniert. Zur Geduldsprobe mutierten sie bei einer Performance von Leijla Aliev, die sich – ohne den Boden zu berühren – von Tablett zu Tablett einen Weg von der Treppe in den Kinosaal und wieder zurück bahnte, ein Tablett vor das andere legend. Am 26. Januar wird die Professorin Suchan Kinoshita selbst eine Demonstration auf und mit den Tabletts "servieren".

Lejla Aliev "Disembodiment – embody[!]ment", Klasse Suchan Kinoshita

Kenny Rüdiger "Elhüm", Klasse Suchan Kinoshita

 

Und was hat das alles mit dem Archiv der Kunsthalle zu tun? Viel, wenn man den Umweg über die kulturtheoretische Ebene geht, die dem Tablett-Konzept zugrunde liegt. Ein Ausgangspunkt für die Klasse war die Idee des "Gedächtnispalasts", eine Erinnerungstechnik aus der Antike, die von der Kulturwissenschaftlerin Frances Yates 1966 in "The Art of Memory" wieder aufgegriffen wurde. Nach der Methode werden Erinnerungen in einem visuellen Archiv "verstaut", wie in einem Haus oder Palast mit verschiedenen Stockwerken und Zimmern. Das Wissen wird also durch eine räumliche Struktur abgebildet, so wie die Tabletts stellvertretend für Ideen, Wissen und Erinnerungen aus dem Archiv immer wieder neue räumliche Strukturen und skulpturale Formen annehmen. Die Kunsthalle als Gedächtnispalast.

Text: Leonie Pfennig

Daniel Tripp "selferasing conservation", Klasse Suchan Kinoshita