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Fehlt es dem Kunstbetrieb an Humor?

Während des Berliner Gallery Weekends musste der Schalk Christian Jankowski den Wutausbruch eines Kunsthändlers ertragen, die witzige Marisa Olson performte vor versteinerten Gesichtern. Why so serious?

Am Samstag begann das Gallery Weekend mit einem never ending Wutausbruch. Rudolf Zwirner, Mitbegründer der Art Cologne, und Christian Jankowski, Künstler, sollten über dessen "Neue Malerei" diskutieren. Florian Illies, Leiter des Auktionshauses Grisebach, sollte moderieren.

Jetzt muss man wissen, dass die "Neue Malerei" von Jankowski eine Kopie der Kopie der Kopie ist. Im Internet hat er Fotos von Menschen gefunden, die berühmte Gemälde nachstellen, beispielsweise von Van Gogh, Rembrandt und Magritte. Diese Fotos hat er nach China in ein Kopisten-Dorf gesendet und bekam bald darauf Gemälde zurückgeschickt. Und wie ein Künstler das eben so macht, verkauft er seine Werke jetzt. Rudolf Zwirner machte das sehr wütend; eine gute Stunde durfte er wüten, während Florian Illies sich leicht verlegen und stark verwundert die Stirn kratzte, und Jankowski vor sich hinschmunzelte. Zwirners versöhnliches Schlusswort endete mit den Worten: "Hier wird irgendetwas vermischt, um am Ende kommerzielle Produkte herzustellen, die aber keinen kunsthistorischen Wert haben, keinen künstlerischen, keinen kulturhistorischen, einfach gar keinen Wert."

Zu Wort kam Jankowski sowieso nicht wirklich, weil Zwirner zu busy mit seinem Wutausbruch war. Im Interview mit der "Zeit" erklärte der Künstler kurz zuvor: "Die Kunst, die ich mache, ist ja eine Untergrabung bestimmter Werte. In diesem Feld zwischen zwei extremen Polen, Untergrabung und Hommage, bewege ich mich recht gern. Weil das so vieles zurückwirft auf den Betrachter und seine Perspektive."

"Die Zeit" wollte außerdem wissen, ob es dem Kunstbetrieb an Humor fehle. Jankoswki antwortete: "Das ist mir bis jetzt nicht so aufgefallen. Natürlich sind Leute manchmal humorlos. Aber ich fühlte mich immer schon hingezogen zu Kunst, die auch einen befreienden Witz innehatte."

Ein paar Stunden später, ein paar Straßen weiter: Marisa Olson steht vor einem kleinen Publikum bei C/O Berlin und trägt ihre neue Performance-Lecture "WellWellWell: Digital Breathing" vor. Und ja, die Leute sind manchmal wirklich sehr humorlos. Noch ein paar Stunden später: Marisa Olson erzählt mir, dass sie ihre Performance etwas früher als geplant beendet habe, weil das Publikum nicht gelacht habe und ihr das alles zu weird gewesen sei. Das Gefühl wurden beide Seiten während ihrer Performance nicht los.

Marisa Olson hat übrigens den Begriff der Post-Internet Art geprägt. Bei C/O Berlin stand sie nun zwischen Fotografien von Irving Penn, genauer: im Raum mit seinen Zigarettenstummeln, und spielte dort die Rolle eines Gurus, der Atemübungen für mehr mindfulness und noch mehr digital detox durchzieht.

Atemübungen zwischen Zigarettenstummeln, allein diese freilich zufällige Kombination hätte hysterisches Kichern mit sich bringen können. Hat sie nicht. Stattdessen ehrfürchtige Stille, während Marisa Olson einen Guru imitiert – und das verdammt überzeugend –, der einen Vortrag darüber hält, dass wir viel zu abhängig von unseren Smartphones sind und so weiter und sofort. Man kann es sich vorstellen, man liest täglich darüber in der Zeitung. Ihre Performance war eine Mischung aus einer überbesorgten Helikopter-Mutter, einem überteuerten life coach in einem digital detox camp und einem überambitionierten mindfulness guru.

"It’s a parody", ruft sie ins Telefon, als ich sie auf ihre Performance anspreche. Sie kennt es schon, dass das Publikum nicht weiß, woran es ist. Vor ein paar Jahren hat sie für "American Idol" trainiert, ein Blog dazu geführt und im Anschluss ein Video ins Netz gestellt, das ihr Vorsingen und die Reaktion der Jury wiedergibt.

 

Damals wurde sie von Freunden und ihrer Familie gefragt, ob alles okay mit ihr sei oder ob sie verrückt geworden sei. Ihr ging es darum, Geschlechter-Stereotypen zu kritisieren. Und jetzt, während sie so im Dunkeln bei C/O Berlin hin- und herläuft und über die pink bubble meditation technique spricht und darauf setzt, dass das Publikum einen Wunsch in eine pink bubble hineindenkt und uns Universum schickt, damit er sich manifestiert, fragt man sich wieder: Alles gut mit ihr oder ist sie verrückt geworden?

Mein Wunsch hat sich leider nicht schnell genug manifestiert. Ich habe mir Rudolf Zwirner herbeigewünscht. In einer rosa Blase sollte er in den Raum schweben und die Performance messerscharf analysieren. Hat er nicht. Deshalb also musste ich Marisa Olson anrufen und sie selbst zu Wort kommen lassen.

Warum sie niemandem auf Instagram folgt, will ich von ihr wissen. Denn das fällt zuerst auf, wenn man sich ihren Account ansieht. In der Vergangenheit habe sie Probleme mit Internetsucht gehabt. Das vermeidet sie jetzt, indem sie einfach niemanden folgt. Andernfalls wäre sie ständig auf Instagram, würde sich mit anderen vergleichen und zu nichts mehr kommen. Kennen wir alle. Morgens aufgewacht, Smartphone in die Hand genommen, kurz auf Instagram geschaut, schon ist eine Stunde rum.

"We need to unplug for a little while", sagt sie im Video (dreiteilig, knapp 30 Minuten) zu ihrer Performance, das sie ins Netz stellt, sobald sie wieder zuverlässiges Internet hat. "When in doubt, do nothing. When in doubt, surf nothing." Und im Zweifel dem Künstler einen befreienden Witz zutrauen.

Marisa Olson vergangene Woche bei einer Performance im Fotomuseum Winterthur, bevor sie nach Berlin gereist ist