"On:Off"-Kolumne

SUVs ins Gehege!

SUVs haben keinen guten Ruf. Unseren neuen Kolumnisten Ji-Hun Kim ereilt auf der IAA in Frankfurt eine Vision davon, welche Zukunft diese Autos noch haben könnten

Wenn man heute in Berlin in einer Neukonversation komische Blicke ernten möchte, dann braucht man nur zu sagen: "Ich mag Autos." In Zeiten von SUV-Shaming und emotional verquasten Klimadebatten scheint die Verlockung auch für die moralistische Beletage noch immer groß, sich an einfachen und teils zu konkreten Feindbildern abzuarbeiten. Auto fahren sei ja heute nichts anderes als Pelze zu tragen oder im Kindergarten zu rauchen, bekommt man dann aufgebracht auf Partys zu hören, bevor die aufgeklärten Kritiker auf die Toilette zum Koksen verschwinden.

Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt ist dieses neue Mindset deutlich spürbar. Große Autokonglomerate wie VW und BMW verzichten offenbar bewusst auf das Ausstellen der hauseigenen Super-Premiummarken wie Bentley, Bugatti und Rolls-Royce. Die Ausstellungsflächen sind massiv geschrumpft. Die News über die Proteste in Frankfurt bestimmen den Mediendiskurs und weniger die zahlreichen neuen alibihaften Elektro-Modelle, die nun wirklich kaum einen interessieren.

Dass es schwer fällt, einer kriminell gewordenen Industrie wieder bedingungslos Vertrauen entgegenzubringen, ist eine allzu menschliche Reaktion. Dennoch verkaufen sich SUVs (gerade in Deutschland) so gut wie feingeschnittene Bio-Bauernkrusten.

Besonderes Highlight der Messe ist daher der große SUV-Park, der zentral installiert wurde. Auf einer fußballfeldgroßen Fläche werden waghalsige Hindernisse und Fahrprüfungen aufgebaut, um über die Vorzüge von hochgebauten Allradfahrzeugen in der Praxis zu informieren. Überraschend die Eintracht der Hersteller, die sich hier zusammengefunden haben. VW, Mercedes, Audi, Kia und Range Rover – alle Seit' an Seit', als ginge es darum, kollektiv, aber auch mit Demut jenes obsolete Autokonzept anzupreisen: "So unvernünftig kann das alles gar nicht sein. Seht doch her, wie praktisch die Autos sind! Damit kann man ja wirklich einiges machen."

Wie Tiere im Zoogehege

Mir kamen diese SUVs in Frankfurt wie wilde afrikanische Tiere im Zoogehege vor. Ein simuliertes Habitat, in dem die Fahrzeuge gemächlich ihre vorgezeichneten Runden im klinisch sterilen Setting drehen. Vom Hospitalismus durchdrungen, aber doch näher an einer "natürlichen Umgebung" als in einer überfüllten Innenstadt.

Zwar bieten Auto-Clubs und Hersteller immer wieder Offroad-Kurse an, bei denen man das Auto an seine Grenzen quälen kann. Nur sind diese sehr unbeliebt, weil die allermeisten das horrend teure Privatvehikel nur äußerst ungern knietiefen Schlammpfützen und Schlagsteinen aussetzen wollen, könnte ja Kratzer geben und wer macht die Scheiße wieder sauber?

Ich sehe indes in diesem SUV-Gehege ein Zukunftsmodell. Wieso sollte man nicht samstags am Stadtrand einen Geländewagen in einem abgesicherten Areal mal austesten können und dabei saubere Schuhe behalten? Genauso wie Ulf Poschardt seine Porsche-Sammlung jeden Tag am Lausitz- oder Nürburgring zur Genüge ausfahren könnte, statt sich maskulinistisch und whitesplainend über Freiheitsbeschneidungen zu echauffieren, wenn es um die Einführung eines Autobahn-Tempolimits geht.

Der neue Ponyhof

Dort, das gilt für alle Menschen mit Lamborghini, AMG und M5, können alle 300 km/h fahren – wenn sie denn überhaupt fahrtechnisch dazu in der Lage sind – und sich selbstverliebt gegen die Wand semmeln. Unsere Kinder und viele andere werden das dankend zur Kenntnis nehmen. Ich stelle mich im Sommer mit meiner Armbrust ja auch nicht in die Kuhle des Görlitzer Parks und schieße Äpfel vom Kopf meiner Freundin mit dem Hinweis: "Ich bin ein sehr guter Schütze und ein freier Mensch. Ich weiß, was ich tue."

Und SUV-Gehege werden vielleicht mal so etwas wie ein Ponyhof. Pferde haben schließlich auch mal die Dienste von Autos erledigt. Und wer bei allem technischen Fortschritt noch immer keine Zeit und Mühen scheut, ein Pferd zu besitzen, zu pflegen und auszureiten, dem sei es vergönnt. Kann ja auch eine Menge Spaß machen. Nur den Einkauf und die Kitafahrten braucht man mit Pferden nun wirklich nicht mehr zu machen. Das dürften engstirnige Autofetischisten mit ihren übermotorisierten, panzermäßigen Fahrzeugen irgendwann aber auch verstehen. Manche Dinge brauchen eben Zeit.