Umstrittene Gesetzesnovelle

5 wichtige Fakten zum Kulturgutschutzgesetz

Der Kunsthandel läuft seit Wochen Sturm gegen die geplante Gesetzesnovelle zum Kulturschutz. Galeristen und Sammler sind verunsichert, und mit der Ankündigung des Künstlers Georg Baselitz und der Enkelin von Max Beckmann, ihre Werke aus öffentlichen Sammlungen abzuziehen, droht ein großer kultureller Schaden. Die tatsächliche Faktenlage ist dabei kaum bekannt. Hier geben wir eine Übersicht zu den wichtigsten Fragen und Antworten, basierend auf dem Entwurf des Bundeskulturministeriums (BKM), den Kulturstaatsministerin Monika Grütters heute Vormittag vor Pressevertretern vorstellte und der ab kommender Woche auf der Website des Ministeriums online gestellt werden soll

In der Debatte werden die Voraussetzungen zur Eintragung nationalen Kulturguts und die Regelungen zur Ausfuhr bislang oft vermischt. Die Annahme, dass künftig jedes Werk über einer bestimmten Wert- und Altersgrenze als nationales Kulturgut eingetragen werde, ist falsch. Vielmehr gibt die Tatsache, dass eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich ist, den Ländern überhaupt erst die Möglichkeit zu prüfen, ob es sich um nationales Kulturgut handeln könnte. Anmeldepflichten oder gar das Durchsuchen ganzer privater Bestände sind laut BMK abwegig und waren nie vorgesehen.

"Nationales Kulturgut": Wie sieht die Gesetzeslage bisher aus?
Bereits seit 1955 ist das "Abwanderungsschutzgesetz" in Kraft. Es regelt, dass "Kunstwerke und anderes Kulturgut, deren Abwanderung einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde (…), in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes eingetragen werden." Das heißt seit 1955 können die Länder jederzeit Kulturgut als "national wertvoll" eintragen. Bislang befinden sich auf dieser Liste rund 2700 Eintragungen.

Was will das neue Gesetz?
Das neue Gesetz schafft erstmals eine Definition von "nationalem Kulturgut", die auf Kriterien der Kultusministerkonferenz beruht. Kulturgut ist demnach in ein Kulturgutverzeichnis einzutragen, wenn es

  • 1. a) besonders bedeutsam für das kulturelle Erbe Deutschlands, der Länder oder seiner historischen Regionen ist ODER b) ein besonders bedeutsames Werk einer Künstlerin oder eines Künstlers von internationalem Rang ist und dauerhaft in Deutschland verwahrt worden ist und
  • 2. sein Verbleib im Bundesgebiet im besonderen öffentlichen Interesse liegt.

Die Ausfuhrregelung ist Ländersache. Wie bisher werden Experten – darunter auch Vertreter des Kunsthandels – über Sachverständigen-Ausschüsse an der Entscheidung beteiligt sein. In 95 Prozent der Fälle, so Monika Grütters, sei eine Genehmigung bislang sofort erteilt worden. Nur 5 Prozent wurden von einer Expertenkommission geprüft. In keinem einzigen Fall sei in den vergangenen zehn Jahren eine Ausfuhr abgelehnt worden.   

Werden Kunstwerke "enteignet"?
Die Eintragung in ein solches Kulturgutverzeichnis hat nichts mit Enteignung zu tun. "Schutz heißt nicht Enteignung", so Monika Grütters am Mittwoch. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine solche Eintragung als mit der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie des Grundgesetzes vereinbar anerkannt.

Ausfuhrreglungen: Welche Regeln gelten für die Ausfuhr eines Kunstwerkes ins Ausland?
Bereits seit 1992 schreibt eine EU-Verordnung vor, dass man eine Ausfuhrgenehmigung braucht, wenn man Kunstwerke, die älter als 50 Jahre und mehr als 150.000 Euro wert sind, ins außereuropäische Ausland ausführen will. Mit der Gesetzesnovelle wird diese Genehmigung künftig auch für den europäischen Binnenmarkt Pflicht. Das heißt: Schon bislang muss ein deutscher Galerist, der ein Kunstwerk, das über dieser Wert- und Altersgrenze liegt, beispielsweise auf einer Messe in Basel verkaufen will, eine Ausfuhrgenehmigung stellen. Künftig muss er dies auch tun, wenn er das Werk auf einer Messe in Maastricht (allgemeiner: in anderen EU-Ländern) verkaufen will.

Die zeitgenössische Kunst macht geschätzte 80 Prozent des Kunsthandels in Deutschland aus. Monika Grütters wies auf der Pressekonferenz neuerlich darauf hin, dass die zeitgenössische Kunst aufgrund der Schwellenwerte im Wesentlichen von der Neuregelung ausgenommen ist. Zudem bemühe sie sich um eine Anhebung der Schwellenwerte für den europäischen Binnenhandel und hält eine Altersgrenze von 70 Jahren und einen Wert von 300.000 Euro für sinnvoll. Dieser Vorschlag sei vom Bundesverband der deutschen Galerien, der von Beginn an der Ausarbeitung der Novelle beteiligt war, aber abgelehnt worden mit dem Hinweis, dass unterschiedliche Reglungen für den außer- und inneneuropäischen Handel Verwirrung stiften und Mehrarbeit bedeuten würde.

Der Fall Baselitz, der Fall Beckmann: Werden künftig Leihgaben von privaten Sammlern automatisch als „nationales Kulturgut“ eingestuft?
Aus Protest gegen das neue Kulturschutzgesetz will der Maler und Bildhauer Georg Baselitz seine Dauerleihgaben aus deutschen Museen abziehen. Auch die Enkelin des Malers Max Beckmann will ihre Leihgaben aus deutschen Museen zurückzuziehen, da sie befürchtet, dass Leihgaben künftig automatisch "Nationales Kulturgut" würden.

Richtig ist: Grütters möchte die öffentlichen Museumssammlungen pauschal unter Kulturschutz stellen. Ein Kulturschutzgesetz haben laut Grütters fast alle Länder der Welt. Für die deutschen Museen hätte dies den Vorteil, dass sie ihre Bestände nicht mehr einzeln in Listen eintragen müssen.

Das neue Gesetz bietet die Möglichkeit, auch Leihgaben privater Sammler unter Kulturschutz zu stellen. Der Sammler (oder Künstler) kann jedoch Widerspruch einlegen und auf diesen Schutz  verzichten. Sollte ein Sammler der Unterschutzstellung zustimmen, genießen die Leihgaben für die Zeit der Leihe einen erhöhten Schutz: Im Fall eines Diebstahls etwa verjähre der Rückgabeanspruch erst nach 75 Jahren.

Darüber hinaus kann ein privater Sammler (oder ein Künstler) seine Leihverträge mit einem Museum jederzeit kündigen und Leihgaben zurückfordern. Sobald der Leihvertrag beendet ist, endet auch der Schutz als nationales Kulturgut.