8. Tanznacht Berlin

Alles fließt

Zum Eröffnungstanz der 8. Tanznacht Berlin bitten: Bienen. Penelope Wehrlis Videoinstallation „House of Snow“ widmet sich dem bunten Treiben der Tiere im Wabenstock, zeigt unzählige Fühler und Beine, die sich immerzu bewegen, die scheinbar unermüdlich arbeiten, hochkonzentriert und fokussiert: eine Choreografie, in der Naturgesetze zur Kunstform gerinnen. Wird eine Wabenzelle durch die Arbeit der Bienen frei, löst das Textfragmente – von Goethe, Stanislaw Lem und Maurice Materlinck – aus sowie Klänge, die an Schritte auf einer Straße erinnern. Der Tanz ist die Sprache der Bienen – aber was verstehen wir, wenn die Buchstaben zu tanzen beginnen?

Mit fünf Videoarbeiten Berliner Künstlerinnen und Künstler läutete die Galerie Patrick Ebensperger im ehemaligen Krematorium im Wedding am vergangenen Mittwoch das viertägige Festival ein. Im Jahre 2000 wurde die Tanzbiennale ins Leben gerufen. 100 künstlerische Positionen, 30 Tanzaufführungen, Performances und Videoinstallationen stehen in diesem Jahr auf dem Programm.
 
Während Penelope Wehrli Tanz als Mensch- und naturübergreifendes Kommunikationsmittel zeigt, tauchen Bjørn Melhus, Pauline Boudry und Renate Lorenz in spezifische Traditionen und Kulturen ein. Melhus Video eines auf folkloristischen Klängen tanzenden Pferdes verweist auf den bizarren mexikanischen Drogenkrieg, die Zusammenarbeit der beiden Frauen auf zwei Tanzstile aus dem Amerika des 19. Jahrhunderts: dem „epileptic dance“ und dem Gesellschaftstanz „Cakewalk“, in dem Sklaven den erhabenen Gang ihrer weißen Besitzer auf die Schippe nahmen. Meg Stuarts Arbeit „The Only Possible City“ zeigt dagegen Bewegung im Kleinen. Die Künstlerin selbst präsentiert sich in Nahaufnahme vor der Kamera, scannt das Gegenüber mit intensiven Blicken, während sich ihre Augen mit Tränen füllen und langsam die Wangen hinunterkullern. Das Gesicht als Bühne, auf dem die eigentlich so schwer kontrollierbaren Emotionen choreografisch tanzen.

Den eindrucksvollsten Tanz präsentieren An Kaler und Anne Quirynen: Eine Frau liegt regungslos auf dem Boden. Sie krümmt sich, krabbelt in Richtung Wand, hangelt sich aufrecht, sucht Halt. Ihre Bewegungen werden schneller, die Konturen verwischen, dann wiederum steht sie still und ist ganz klar. Plötzlich wieder der Fall auf den Boden, unnatürliche Posen, die an Kafkas „Verwandlung“ denken lassen, während rechts, direkt neben dem Video, ein Körper auf einer schwarzen Fläche erscheint. Es ist die gleiche Frau, doch jetzt wirkt sie wie Malerei, gleichsam plastisch und artifiziell. Bewegt sich der Körper, scheint sich die Haut vom Skelett zu lösen. Verharrt der Körper rechts, antwortet die Haut links. Tanzt er rechts, verharrt die Silhouette links. Ein endloser Dialog.


8. Tanznacht Berlin, Ausstellung in der Galerie Patrick Ebensperger, 28.-31.8.
Weitere Informationen: www.tanznachtberlin.de