29. Art Brussels

Clownshow mit Wermutstropfen

Seit 1967 nervt Manfred Mann mit seinem Dauerbrenner „Ha! Ha! Said the Clown“ Radiohörer in aller Welt. Als Hofnarren, Harlekins oder Dummer-August-Darsteller empfinden sich auch viele Künstler Normal 0 21 false false false DE X-NONE X-NONE /* Style Definitions */ table.MsoNormalTable {mso-style-name:"Normale Tabelle"; mso-tstyle-rowband-size:0; mso-tstyle-colband-size:0; mso-style-noshow:yes; mso-style-priority:99; mso-style-parent:""; mso-padding-alt:0cm 5.4pt 0cm 5.4pt; mso-para-margin-top:0cm; mso-para-margin-right:0cm; mso-para-margin-bottom:10.0pt; mso-para-margin-left:0cm; line-height:115%; mso-pagination:widow-orphan; font-size:11.0pt; font-family:"Calibri","sans-serif"; mso-ascii-font-family:Calibri; mso-ascii-theme-font:minor-latin; mso-hansi-font-family:Calibri; mso-hansi-theme-font:minor-latin; mso-bidi-font-family:"Times New Roman"; mso-bidi-theme-font:minor-bidi; mso-fareast-language:EN-US;} gerade dann, wenn sie dem Establishment als Pausenclowns zwischen wichtigen Business-Meetings und irgendwelchen Vertragsverhandlungen dienen sollen. Die Brüsseler Galerie Sorry we're closed greift den kunstgeschichtlichen Dauerbrenner jetzt auf. Das Motto für ihren Stand auf der diesjährigen Art Brussels lautet „The Clown Show“: ein Maskenbild des belgischen Symbolisten James Ensor (Preis auf Anfrage), eine Fotografie von Cindy Sherman für 90.000 Euro, ein clowneskes Gemälde des Leipzigers Christoph Ruckhäberle für 30.000 Euro, ein dekorativ geschneiderter Manegenvorhang von Ulla von Brandenburg, der den Stand einrahmt, für 40.000 Euro.

Für günstige 1.500 Euro ist aber auch eine Dollarnote mit Clownsnase von Hans-Peter Feldmann im Angebot. Der Name ist Programm: Die Galerieräume von Sorry we‘re closed in der Nähe des berühmt-berüchtigten Brüsseler Justizpalastes bestehen nur aus einem verschlossenen Schaufenster. Doch auf Kunstmessen läuft Galeriedirektor Sébastien Janssen immer wieder mit aufregenden Ständen zur Höchstform auf. 2010 zum Beispiel überraschte er mit einer „Mini Sculpture Show“.

Mit den Clowns kamen keineswegs die Tränen. Durchweg gute Stimmung herrschte am Mittwochabend auf der Vernissage der 29. Art Brussels. Einen kleinen Wermutstropfen jedoch gab es. Hatte man es in diesem Jahr geschafft, die Termine der Art Cologne und der Brüsseler Messe zu entkoppeln, so rücken die Belgier nun gefährlich nahe an das Gallery Weekend in Berlin heran. Egal, sagen die einen. Man muss sich eben entscheiden. No problem, denken vor allem die jetset-erprobten Amerikaner. Wieso nicht nach der Stippvisite in Brüssel gleich nach Berlin weiterreisen?

Rund zehn Berliner Galerien seien zu Hause geblieben, um während des Gallery Weekends in der Hauptstadt Präsenz zu zeigen, räumt Messedirektorin Karen Renders ein. Und einige jüngere Berliner Galerien waren enttäuscht, wegen des Terminclashs ihre Erstteilnahme an der Art Brussels verschieben zu müssen. Karen Renders gibt sich entspannt: „Wir arbeiten daran, unsere Termine besser zu koordinieren. Trotz allem haben wir auch in diesem Jahr eine starke Auswahl an Galerien. Das zeigen bereits zum Messestart die guten Reaktionen unserer Sammler.“ Dennoch reist sie gleich nächste Woche zu Gesprächen nach Berlin. „Das darf nicht noch einmal passieren“, so Renders.

Die Macher der Art Brussels können sich auch in diesem Jahr nicht beschweren. Aus 442 Bewerbern wurden 169 Galerien ausgewählt und auf zwei Hallen des Expogeländes im Schatten des Atomiums verteilt. In Halle 1 versammeln sich die jüngeren Galerien in kleineren Kojen mit frischer Ware. In Belgien wird Konzeptuelles ebenso geschätzt wie poppig bunte Installationen. Ironische Konsumkritik zum Beispiel steht in diesem Jahr besonders hoch im Kurs. In der unteren Halle residieren die etablierteren Galerien mit hochpreisiger und prestigeträchtiger Kunst. Hier kommt ein Hauch von Art Basel auf. Anders als in Köln, wo sich zwischen breiten Gängen die qualitativ hochwertigen Arbeiten zwischen viel Mittelmaß verlieren, findet man in Brüssel auf engem Raum erstklassige Kunst von Thomas Schütte bis Anish Kapoor, von Ugo Rondinone bis Richard Prince. Hauser & Wirth sowie Sprüth Magers, noch heiß umworbene Teilnehmer im letzten Jahr, bekennen sich zwar dieses Mal eindeutig zur Art Cologne. Doch Karen Renders wirft ein: „Eine Galerie wie Hauser & Wirth macht so viele Messen im Jahr. Sie werden früher oder später wieder auf die Art Brussels zurückkehren. Sie kommen an unseren starken Sammlern einfach nicht vorbei.“ Schwergewichte wie der Pariser Emmanuel Perrotin und Esther Schipper aus Berlin sind der Art Brussels treu geblieben.

Schipper hat sich mit Air de Paris zu einem großen Gemeinschaftsstand zusammengetan. Barbara Gladstone mit ihrer noblen Dependance in Brüssel stärkt der Messe den Rücken, und die Antwerpener Vorzeigegalerie Zeno X nimmt nach einigen Jahren Abwesenheit wieder an der Art Brussels teil. Mit Michaël Borremans, Marlene Dumas und Mark Manders haben sie ihre wichtigsten Zugpferde im Gepäck. Ein altmeisterlich-narratives Gemälde von Borremans, das ein Mädchen mit einer Gans auf dem Arm zeigt, wurde sofort am Vernissagetag verkauft. Auch Luc Tuymans, dessen große Retrospektive im Brüsseler Palais de Beaux-Arts (Bozar) in diesen Tagen zu Ende geht, sollte eigentlich ein atelierfrisches Bild für den Stand liefern. Doch der belgische Vorzeigemaler hat sich vor drei Wochen eine komplizierte Armverletzung zugezogen. Bei der Galerie hofft man auf baldige Genesung des Meisters, so dass das Bild, das wohl einen belgischen Politiker der extremen Rechten darstellen wird, wenigstens zur Art Basel präsentiert werden kann.

Das internationale Sammlervolk tummelte sich während der Preview, Champagnergläser in der Hand, in beiden Hallen. Man hörte auffallend mehr Deutsch als in den vergangenen Jahren. Viele Händler hoffen jedoch vor allem auf gute Kontakte zu belgischen und französischen Sammlern. Eva Winkeler aus Frankfurt nimmt zum ersten Mal an der Art Brussels teil und hat bewusst eine Vasenskulptur von Martin Hoener mitgebracht, die auf ein René-Magritte-Gemälde Bezug nimmt. „Ich würde hier gerne meine Kontakte zu belgischen Sammlern vertiefen“, sagt Eva Winkeler. „Hier gibt es doch viele eher konzeptuell ausgerichtete Sammler, die verrückte Sachen mögen. Das passt zu meinem Programm.“ Die blaue Vase, die in eine Hand übergeht, die wiederum auf die Kopfform des Künstlers abgestimmt ist, kostet 5.300 Euro.

Ein Display mit Filmen von Christoph Schlingensief dann bei Sonja Junkers aus München. Der 18-stündige, fragmentarische Film entstand überwiegend in Namibia und bildet eine wichtige Basis für Schlingensiefs Engagement in Afrika. Komplett kostet das Gesamtkonvolut aus 18 DVDs 18.000 Euro (Auflage: 5 + 2 AP). Das Display aus Tischlerplatten, von Schlingensief noch eigenhändig mit der Aufschrift „African Twin Towers“ beschriftet, kann für 6.000 Euro dazu erworben werden. Ebenfalls am Stand: Polaroids von Wagner- und Schlingensief-Fan Patti Smith, die den Künstler nach Afrika begleitete und die Aufnahmen beiläufig während der Dreharbeiten machte (je 1000 Euro).

Schnelle Verkäufe am Vernissage-Tag beflügeln die Messe. Laut Karen Renders war eine belgische Galerie sofort ausverkauft. Auch Figge von Rosen aus Köln, neuerdings mit Filiale in Berlin, erzielten am Eröffnungstag gute Erfolge. Sie konnten Arbeiten ihres belgischen Malers Koen van den Broek an Privatsammlungen in Belgien, Frankreich, Luxemburg und Deutschland verkaufen. „Wir mussten noch während der Vernissage umhängen“, freut sich Philipp von Rosen, und Philipp Figge ergänzt: „Wenn wir jetzt noch unsere jüngeren deutschen Künstler gut unterbringen können, sind wir vollends zufrieden.“

Die Messe wartet in diesem Jahr mit einigen Neuerungen auf. So gibt es erstmals geführte Touren von Sammlern für Sammler. Diverse Artist Projects ironisieren den Warenhauscharakter von Kunstmessen. So hat der New Yorker Matthew Brannon die diesjährigen VIP-Karten in Form lustig-stilisierter Kreditkarten gestaltet. Das Messepersonal trägt auffällige Tücher mit versteckten pornografischen Darstellungen. Gestaltet hat sie die Britin Linder, die damit auf gängige Taschentuch-Codes der Leder- und S/M-Szene anspielt. Liam Gillick wiederum lässt den monotonen Sound einer Autofabrik der 70er-Jahre in Durchgängen und Toiletten ertönen.

Eine ungeliebte Spezialität der Art Brussels konnte Karen Renders in diesem Jahr abschaffen: Die Messe endet pünktlich am Sonntagabend und wird nicht in den als "Hausfrauentag" verschrienen Montag verlängert. Gestresste Galeristen werden es ihr danken.

Art Brussels 29, Contemporary Art Fair, Brussels Expo, Hallen 1 und 3, noch bis 1. Mai, 12-19 Uhr. Katalog: 517 Seiten, 25 Euro