Volker Diehl über die Cosmoscow

"Die Russen fallen schnell und tief"

Herr Diehl, ist die Cosmoscow ein Gegenprogramm zur etablierten Art Moskwa, die es inzwischen seit 15 Jahren gibt und für die Sie bis zu diesem Jahr auch als Berater tätig waren?
Zunächst: In einer so kleinen Szene wie in Moskau ist man aufeinander angewiesen. Wir, mein Kollege Wladimir Ovcharenko von der Moskauer Galerie Regina, die Sammlerin Margarita Puschkina und ich, haben aber schon versucht, ein Konzept zu entwickeln, dass sich von Art Moskwa abgrenzt. Klein aber fein, internationaler. Jede große Metropole hat weit mehr als nur ein bis zwei Kunstmessen. Und kein Standort hat sie so dringend nötig wie Moskau.

Warum?
Das Potential für zeitgenössische Kunst ist groß. Aber in Moskau stagniert die Entwicklung. Als ich hier vor drei Jahren eine Dependance eröffnete, war ich der erste und leider auch letzte westliche Galerist, der bisher hierher kam. Die Kunstszene ist in der Krise geschrumpft. Sie kommen heute auf etwa international vernetzte 20 Galerien, auf eine ähnliche Anzahl von Sammlern, dazu etwa 80 Kunstkäufer, die ich jetzt nicht als Sammler bezeichnen würde, zwei Hände voll Kuratoren und Journalisten. Aber das war es auch schon.

Das klingt ja nicht nach einer rosigen Ausgangslage für Sie.
Aus meiner Erfahrung mit dem Art Forum in Berlin, das ich ebenfalls mitbegründet habe, weiß ich, dass man mit so einer Veranstaltung Dinge beschleunigen kann. Wir wollen das Potential, das es in diesem Land ohne Zweifel gibt, entfalten.

Was können sich denn die Aussteller erhoffen?
Ich versuche, den Ball flach zu halten. Ich habe gesagt, wenn ihr glaubt, der Herr Roman Abramowitsch gibt bei euch eine Million oder mehr aus, dann bleibt besser zu Hause. Wenn ihr aber kommt, weil ihr mit einem kleineren Gewinn einverstanden seid und um ein paar Visitenkarten mitnehmen zu können, dann ist die Cosmoscow für euch die richtige Messe. Russland ist ein kompliziertes Land, in dem mehr nötig ist als vorhanden, das darf man nie vergessen.

Kürzlich ist der Ausstellungsmacher Andrej Jerofejew, der wegen Aufwiegelung zu religiösem Hass verurteilt ist, mit seiner Berufungsklage vor einem Moskauer Gericht gescheitert ...
Ich habe in den 15 Jahren hier noch nie Ärger gehabt. Ich habe keinen einzigen Kollegen, der jemals ein Problem gehabt hätte, ein Kunstwerk ins Land hinein oder hinaus zu bringen. Nie würde jemand in die Galerie kommen und fordern, eine Arbeit abzuhängen. Das ist eine besondere Situation mit dem Jerofejew, die will ich nicht herunterspielen – hat aber mit uns nichts zu tun.

Was sucht denn der russische Sammler?
Es gibt eine Menge junger Russen, die Geld haben, die Häuser besitzen, die sich für Design, Architektur und junge internationale Kunst interessieren. Mit diesem Klientel wollen wir versuchen, Sammlungen aufzubauen. Grundsätzlich geht jedoch immer noch am besten realistische oder abstrakte Kunst, die ein bisschen gefälliger ist. Die großen Sammler wollen die großen Namen, die kaufen auch in den Auktionen bei Sotheby’s und Christie’s nichts anderes, von Richard Prince bis Damien Hirst. Und es gibt ein großes Interesse an Kunst aus Asien, am ehemaligen kommunistischen Bruder. Ein, zwei Russen sammeln nur chinesische Zeitgenossen.

Die Krise ist passé?
Die Russen fallen sehr schnell und tief. Vom August 2008, zu Beginn des Kaukasus-Konflikts, bis Dezember 2008 ist die Börse um 80 Prozent gefallen, die Währung um 30 Prozent, die Bautätigkeit wurde um 60 Prozent zurückgefahren. Wenn wir so etwas in Deutschland gehabt hätten, wären die Leute ausgeflippt. Die Russen können mehr erdulden und sind in der Lage, das Rad wieder herumzureißen. In den letzten Monaten hat sich die Stimmung um 180 Grad gedreht. Von Krise kann man hier nicht mehr reden.

Kunstmesse Cosmoscow, Moskau, 17. bis 19. Dezember 2010