„Gut Renovation“ auf der Berlinale

Entkernte Häuser, entkernte Menschen

Auf der Berlinale kristallisiert sich das neue Genre des Kunst- und Kulturverhinderungsfilms heraus. Allein das Künstlerporträt „Hélio Oiticica“ aus dem Forum zeichnet nach, wie der brasilianische Künstler zu dem wurde, was er war. Ansonsten wird viel gescheitert. 

Wir sehen einer arbeitsunfähigen Camille Claudel beim Verzweifeln zu, treffen einen gemobbten Roland Klick oder den resignierten, zur Werkzertrümmerung neigenden Bahman Mohassess. Von Autoaggressivität oder Arbeitsblockaden der Filmemacherin Su Friedrich ist auf dem Festival nicht die Rede. Die Künstlerin macht beim Publikumsgespräch nach der Vorführung ihres Films „Gut Renovation“ einen munteren, auch kämpferischen Eindruck. In ihrer Dokumentation geht es um größerdimensionierten Kulturkahlschlag.
 
Su Friedrich schildert die Gentrifizierung des Künstlerviertels Williamsburg in Brooklyn, wobei Abrissbirne und Entkernungswahn weit radikaler wüten, als man das etwa in Berlin bisher erlebt hat. Vor zwei Jahren musste Friedrich ihren Kampf gegen steigende Immobilienpreise und horrende Mietzinsen aufgeben und zog mit ihrer Freundin aus einer selbst renovierten Fabriketage mit Wohnungen und Atelierflächen aus. Aus der Traum, der in den späten 80er-Jahren im ehemaligen Arbeiterviertel für viele Künstler begonnen hatte.
 
Keine Wutbürgerin in eigener Sache

Der Exodus im unmittelbaren Umfeld – der Film zeigt auch den sukzessiven Auszug der anderen Mieter vor Friedrich – und die persönliche Betroffenheit der Filmemacherin sind das eine. Doch Friedrich ist keine Wutbürgerin in eigener Sache, sie zeichnete die sich überstürzenden Ereignisse minutiös auf, zeigt, wie die Vielfalt von Ateliers, Musikerstudios, Fleischerläden, Autoreparaturwerkstätten und Künstlercafés geschmacklosen Apartmentblöcken weichen.
 
Friedrich filmt als angeblich Kaufinteressierte mit versteckter Kamera eintönige Wohnparadiese und von „Harmonie und Wohnkultur“ schwärmende Agenten. Sie dokumentiert baurechtliche Regelverstöße, filmt die Arroganz im Immobilienhaifischbecken, lästert über die Oberflächlichkeit der „neuen Bohème“ (und die Mode, sich beige Möpse mit schwarzen Ohren zum Gassigehen zu kaufen) und zählt die Baustellen, seit 2005 auf Betreiben der Bloomberg-Administration der Flächenbebauungsplan für Williamsburg modifiziert wurde. Bei Nummer 173 gibt sie das Rot-Anstreichen auf dem Stadtplan auf.

Einen späten Triumph erlebt Friedrich, die Bürgerinitiativen gegen den Kahlschlag mit Sympathie und Skepsis zugleich begegnet, in dem Moment, da ihr eigenes Haus fast gänzlich abgerissen ist. Ein Findling stört bei der weiteren Ausschachtung, der Bagger kann den Trotzklotz kaum von der Stelle rücken. Sonderkommandos rücken an, Spezialbohrer werden angesetzt, erst nach Wochen kann das Ungetüm in transportable Teile gesprengt und weggeschafft werden. Ein Fels in der Brandung, ein temporärer Bremsklotz für den haltlosen Kapitalismus, trotzdem ein trauriger Film im Berlinale-Panorama, der zeigt, dass Gleichgültigkeit und Gier nicht nur Menschen, sondern auch Städte bedroht.
 
„Gut Renovation“ läuft noch einmal am 14.02. um 22.30 Uhr im CineStar und am 15.02 um 15.30 Uhr im Colosseum. Mehr Infos unter Berlinale.de