Burger Collection / Barbara Weiss / Circus

Ethnografien

Monique Burger ist Unternehmerin aus der Schweiz, arbeitete unter anderem als Headhunterin und wohnt jetzt mit ihrem Mann in Hongkong. Sie hat offensichtlich das Talent, in die richtigen Lücken zu stoßen. Jedenfalls hat sie mit den ehemaligen Räumen der Galerie Arndt & Partner in der Zimmerstraße sehr schnell eine Berliner Basis für ihre Burger Collection gefunden – und ist mit der Eröffnung ihrer Debüt-Schau „Conflicting Tales – Subjectivity“ auch noch in ein relativ ruhiges Wochenende vor dem Art Forum geschlüpft (bis 13. Dezember). Mit Erfolg: Der Hof der Zimmerstraße war bei Freibier und Grillwürsten voll besetzt.
 
Die Schau ist der erste Teil einer Serie, in der sich die Burger Collection in den nächsten Jahren an vier verschiedenen Standorten präsentieren will. Monique Burger hat Anfang der 90er-Jahre begonnen zu sammeln, ihr Focus ist entschieden international, mit einer großen Anzahl etwa an asiatischen Künstlern. Für ihre Berliner Präsentation hat ihr Kurator Daniel Kurjakovic einen Schwerpunkt auf europäische Kunst gesetzt – leider, möchte man fast sagen, denn eine Videoarbeit wie „The Perfectionist“ von Julian Rosefeldt ist zwar witzig und angenehm gut produziert, aber man hätte sie auch so beim Vormieter sehen können.
 
Interessant wird die Schau immer dann, wenn sie hierzulande bislang weniger bekannte Positionen mit einbezieht. Die Skulptur des wie aus Fotos zusammengeleimten Mannes von Gwon Osang oder die winzigen nackten Männer, die Lee Dong-wook an einen Sockel fesselt oder wie Folteropfer in einen Mercedes-Benz-Stern einspannt, sind deutlich spannender als, sagen wir, blonde Jungs am Strand in Öl von Norbert Bisky.
 
Einige gute Einzelarbeiten sind zu sehen: wunderschöne Zeichnungen und Collagen von Monika Baer und Collier Schorr zum Beispiel, oder ein rätselhafter Film von Mathilde ter Heijne. Aber der theoretische Aufwand, den der fleißig Lacan und andere zitierende Kurator Kurjakovic seiner „Subjectivity“-Präsentation verpasst, wirkt eher wie ein angestrengter Versuch, einer Sammlung, der noch ihre Richtung fehlt, etwas Tiefgang zu geben.
 
Collier Schorr gibt es an der Zimmerstraße auch bei Barbara Weiss zu sehen (bis 24. Oktober). „Hier hielt die Welt den Atem an“ ist der Titel der ersten Ausstellung der Amerikanerin bei ihrer neuen Berliner Galerie. Ob die New Yorkerin damit unter anderem auch die Kleinstadt Schwäbisch-Gmünd meint, in der aus Liebesgründen seit 18 Jahren ihre Sommer verbringt?
 
Die Fotos, die Collier Schorr dort macht, zeigen häufig Identitätsspiele Jugendlicher. Für die Videoarbeit „Neighbours“ hat sie Fotos an der Wand arrangiert und abgefilmt. Ihre Porträts von jungen Männern in geliehen Uniformen oder kleinen Mädchen mit offensivem Blick in Unterwäsche im Wald stellen die Betrachter vor Rätsel: Wer sind diese Menschen, was bewegt sie? Noch mehr aus der Welt gefallen wirkt der Protagonist des Videos „In the World“: Ein halbwüchsiger Junge, der sich im Freibad auf einer Decke reckt, erst nur verschlafen wirkt – und schließlich offenbart die Kamera, dass seine tastenden Gesten durch eine Behinderung verursacht werden.
 
Auch die junge Künstlerin Özlem Altin, in den Niederlanden und Berlin zu Hause, untersucht in der Galerie Circus Möglichkeiten der fotografischen Repräsentation (bis 17. Oktober). Sie collagiert gefundene Bilder – private Schnappschüsse aus den 50er-, 60er- oder 70er-Jahren, Fotos aus Büchern und Zeitschriften - und fügt gelegentlich Kommentare hinzu, die Narrationen oder philosophische Gedankengänge andeuten. Sie sucht Analogien der Physis: kombiniert Bilder von schlafenden Menschen, vergleicht Körperhaltungen. Insgesamt wirkt die Schau noch etwas wie eine Materialsammlung für Werke, die kommen mögen. Aber die quasi-ethnologische Neugier, mit der Altin ihre Bildquellen analysiert und zusammenstellt, ist, verbunden mit ihrer bescheidenen Beiläufigkeit als künstlerische Haltung sehr angenehm.