Tage der Kunsthandwerker in Paris

Gegen das Verschwinden

Madame Hoguet hat ein Problem. Vier Generationen lang hat ihre Familie kunstvolle Fächer hergestellt, das kleine Museum in Anne Hoguets Pariser Altbauwohnung erzählt von den Glanzzeiten des Accessoires. Und auch wenn Couturiers wie Karl Lagerfeld immer mal wieder ein besonderes Stück bestellen oder reiche Asiatinnen auf der Suche nach Exklusivität an ihre Tür klopfen, weiß die Endfünfzigerin nicht, wie lange sie die Tradition noch pflegen kann. 

Nicht nur in Frankreich gibt es zahlreiche Berufe, die im Verschwinden begriffen sind. Mit ihnen verliert sich ein Wissen, das idealerweise über Generationen perfektioniert worden ist. Auch wenn die internationale Luxusindustrie davon bis heute ebenso zehrt wie Künstler vom Können der Lithografen, Graveure oder Bronzegießer, befindet sich das exklusive Kunsthandwerk auf dem Rückzug. Und weil seine Expertise unwiederbringlich ist, hat sich der französische Staat schon vor Jahren zu einem Projekt entschlossen. Als „Les Maîtres d‘ Art“ (Magister der freien Kunst) sind nun jene Instrumentenbauer, Emailleure, Glasbläser, Modisten oder Schuhmacher zusammengefasst, die es auf ihrem Gebiet zu künstlerischer Fertigkeit gebracht haben. Inzwischen zählt man landesweit über 3600 Ateliers und hat 2010 mit dem Institut National des Métiers d’Art (INMA) eine eigene staatliche Anlaufstelle gegründet. 

Zeitgleich zum Salon du Dessin für originale Zeichnungen und der Messe Art Paris für zeitgenössische Kunst im Grand Palais haben dieser Tage auch die exklusiven Kunsthandwerker ihren Platz in Paris. Während am Wochenende überall im Land Ateliers und Manufakturen geöffnet sind, finden in der École des Beaux-Arts die „Journées Européennes des Métiers d’Art“ statt – eine Ausstellung, die seit 2002 im Wechsel diverse Berufe und ihre Kreationen vorstellt. Genutzt wird diese Plattform auch vom Genfer Luxuslabel Vacheron Constantin, das die Fertigung seiner mechanischen Uhren gleich an mehreren Ständen demonstrierte. Was nicht weiter verwundert, wenn man weiß, dass die Schweizer das Projekt großzügig fördern. Als Werbung in eigener Sache natürlich, aber auch um zu zeigen, wie sehr ihr Metier auf hochspezialisierte Handarbeiter angewiesen ist.

Im Stammhaus hat man bereits vor fünf Jahren die Abteilung „Métiers d’Art“ eingerichtet, um die traditionellen Kunsthandwerke rund um den Uhrenmacher – das Emaillieren, Gravieren, Edelsteinfassen und Guillochieren – zu bewahren. Die aufwendigen Techniken fließen bei Vacheron Constation seither in die Gestaltung der Objekte ein. Unabhängig von der Initiative des französischen Staates, der deshalb das Schweizer Unternehmen zum Mäzen seiner Veranstaltung erkoren hat; obwohl es im eigenen Land sicher nicht an traditionellen Herstellern von Luxusgütern mangelt.    

Probleme mit dem Nachwuchs
Bestaunen ließ sich außerdem der herausragende Graveur Gérard Desquand und mit Emilie Moutard-Martin eine junge Designerin, die aus Federn und Perlen hinreißende Objekte macht. Sie verkörpert dazu einen ersten Erfolg der staatlichen Initiative, weil Moutard-Martin im Pariser Atelier von Nelly Saunier gelernt hat – der Grande Dame der Federkunst, die unter anderem für Jean-Paul Gaultier arbeitet. Finanziell unterstützt wird nämlich auch die Ausbildung einer nächsten Generation, die nach Möglichkeit das Erbe der Manufaktur antritt.

Bei Anne Hoguet hat es noch nicht funktioniert. Was auch daran liegen mag, dass nicht jeder „Eleve“ sich als jener vielspurige Auszubildende entpuppt, den die beteiligten politischen Instanzen erwarten. Fremdsprachen, Wirtschaftskenntnisse, Management – das alles wird mit Blick auf eine künftige internationale Karriere gewünscht, obwohl sich manche ganz einfach auf ihr Handwerk konzentrieren wollen.

Über die Grenzen schauen dafür andere Länder, in diesem Jahr beteiligten sich unter anderem Spanien, Italien und die Schweiz mit eigenen Projekten am „Journées Européennes des Métiers d’Art“. Da fragt man sich, wann eigentlich Deutschland mitmacht.  

„Journées Européennes des Métiers d’Art“, noch bis Sonntag