Corona-Shutdown

Geschlossene Museen und Galerien öffnen virtuelle Kunsträume

Die Museen und Galerien sind wegen der Corona-Krise zwar geschlossen, aber im Netz bieten die Häuser virtuelle Führungen, Videos, Bildbesprechungen und Fotogalerien an. Ein Rundgang von zu Hause aus

Die Mannheimer Kunsthalle war früh dran. Deren Direktor Johan Holten gab am vergangenen Wochenende mit einem spontanen Kurzvideo über ein Gemälde von George Grosz den Startschuss für eine Serie von virtuellen Beiträgen. Auch Kuratoren, Restauratoren und andere Mitarbeiter sollen "Gesicht zeigen" und mit digitalen Kostproben das Interesse an Kunst aufrechterhalten. Sie werden einzelne Werke besprechen oder aktuelle Themen aufgreifen, wie eine Museumssprecherin erläutert. Der Clip von Holtens Auftritt im menschenleeren Museum wurde auf Instagram und Twitter tausendfach aufgerufen und in der Kunstwelt als Ansporn gewürdigt, Ähnliches zu schaffen.


Die Kunsthalle Baden-Baden will die Schau zur Ausstellung "Körper. Blicke. Macht - Eine Kulturgeschichte des Badens" auch während der erzwungenen Schließung vermitteln und offeriert rund um die Uhr Online-Führungen bis zum Ende der Laufzeit am 21. Juni. Als digitales Highlight preist die Kunsthalle am 29. April die digitale Vernissage zu dem Projekt "Kunsthalle Revisited" an.

Die Biennale für aktuelle Fotografie in Ludwigshafen, Mannheim und Heidelberg lief immerhin schon seit Ende Februar. Der Besuch der Häuser an den drei Standorten wird nun aber durch virtuelle Rundgänge ziemlich gut ersetzt: Die Touren durch das Wilhelm-Hack-Museum und den Kunstverein Ludwigshafen sind in ihrer Einfachheit toll programmiert. Das Raumgefühl bleibt bei  "When Images Collide"  jederzeit erhalten, auch Nähertreten oder Überspringen fühlen sich sehr organisch an, und man behält trotzdem ein Gefühl für den räumlichen Ablauf der Ausstellung. Es gibt Entdeckungen wie den Japaner Kensuke Koike mit seinen kleinen konzeptionellen Bearbeitungen vorgefundener Fotografien (hier lohnt sich der Zoom) und auch das überlebensgroße Überwältigungsformat von Jean-Marc Caimi und Valentina Piccini überträgt sich ziemlich gut: Ihre manchmal drastische, unmittelbare Fotografie aus Istanbul aus der Serie "Güle Güle" tapeziert nahtlos geklebt zwei Wände. Und dass die Nähe mehrfach durch die Vemittlung gebrochen ist, kann den Bildern nichts anhaben.

Das Berliner KW Institute for Contemporary Art startet ein digitales Programm in den sozialen Medien mit Interviews und Rundgängen zu den aktuellen Ausstellungen Ausstellungen von Hassan Sharif, von Kris Lemsalu Malone & Kyp Malone Lemsalu und von Jasmina Metwaly & Yazan Khalilif.


Auch das Stuttgarter Stadtmuseum macht aus der Not eine Tugend: Nach der Absage einer feierlichen Veranstaltung zur neuen Ausstellung "Urban Beauties" hat das Stadtpalais seine Schau am vergangenen Donnerstag digital eröffnet. Geboten wurde eine Führung mit dem Fotografen Jürgen Altmann, der bekannte und unbekannte Stuttgarter Orte dokumentiert. "Wir sind gerade dabei, das Online-Programm für die nächsten Wochen festzulegen", sagt eine Sprecherin. Klar ist schon, dass an zwei Tagen pro Woche, beginnend mit diesem Freitag, Ausstellungsführungen oder Gespräche mit Gästen live in Instagram zu erleben sind. Auf der Website soll man demnächst komprimierte Themenführungen anklicken können.

Das Kölner Museum Ludwig will in der nächsten Zeit in den sozialen Highlights aus der Sammlung zeigen und veranstaltet Quiz in den Instagram-Stories. Die Deichtorhallen Hamburg verweist auf sein Online-Magazin "Halle4", die Frankfurter Schirn Kunsthalle auf ihr "Schirn Mag".

"Die Bevölkerung will sich nicht nur den ganzen Tag vor den Fernseher setzen und im Sekundentakt über die aktuellste Nachrichtenlage informiert werden. Sie hat einen wirklichen Durst nach Kunst und Kultur", sagte der Kunsthistoriker Eike Schmidt, Leiter der Uffizien , im Interview mit der Münchner "Abendzeitung" vom Dienstag. Das Online-Angebot des berühmten Museums in Florenz erlebe gerade einen großen Ansturm. So stellen etwa die Saalaufsichten ihre liebsten Säle und Kunstwerke vor. "La mia sala" sind die kurzen Filme überschrieben, die etwa auf Facebook oder Instagram zu sehen sind. Schmidt sieht die derzeitige Situation auch als Chance: "Das ist ja das Tolle an unserer digitalisierten Welt, dass wir unsere Kontakte in einer Form halten können, die zuvor nicht möglich war", sagte Schmidt. "Das ist auch eine Erfahrung, die ich für die Uffizien aus dieser Krise mitnehme: All das, was jetzt digital geschieht, wird ein entscheidender Faktor für die Zukunft sein."

Auch die privaten Galerien starten erste Initiativen. Die Berliner König Galerie lädt auf Instagram zu Rundgängen durch die Galerieräume, im Anschluss daran können die Nutzer Fragen an die Künstler stellen. Die nächsten Tour ist am Donnerstag um 10 Uhr mit Elmgreen vom Künstlerduo Elmgreen & Dragset geplant. Auch Galerist Johann König nimmt Fragen auf seinem persönlichen Instagram-Account entgegen. "Kunst kann zwar niemals auf das unmittelbare Erlebnis verzichten", heißt es in einer Mitteilung der Galerie, die Digitalisierung biete aber Chancen, "die Krise zu meistern und den Kunstbetrieb der Zukunft damit sogar zu ergänzen".

Die Galerie Tanja Wagner in Berlin hat eigens ein Videoprogramm auf ihrer Website kuratiert. "Wir glauben, dass Kunst ein wichtiger Weg ist, sich miteinander zu verbinden, zu reflektieren, einen Dialog zu schaffen. Und manchmal auch, um dem Ganzen einen Sinn zu geben", schreibt die Galeristin. Der erste Block (zu sehen bis zum 15. April) zeigt Filme von Anna Witt. Und was passiert ist seltsam: Man fragt sich, ob man jede Form von Körperlichkeit, Zugewandtheit, Fürsorge automatisch auf die aktuelle Situation überträgt. Oder ob sie vielleicht einfach die Künstlerin der Stunde ist. Ihre Filme wie "Care" oder "Body in Progress" passen aus unterschiedlichen Gründen: In "Care" geht es um Pflegekräfte, die sich als Ausländer in Japan um demente einsame Menschen kümmern. Eine zärtliche Choreografie im öffentlichen Raum vor geschlossenen Geschäften. "Work in Progress" zeigt Menschen die in Bürogebäuden und auf Hochhausbaustellen extreme Fitnessübungen machen. Die Klimmzüge zwischen Regalen haben in den Corona-Zeiten an Kuriosität verloren.