Spektakulärer Skulpturenpark in der Türkei

Jongleur der Superlative

Die zwölf gewaltigen Basaltstelen, zu einem Kreis formiert, beschwören Stonehenge herauf. Doch sie stehen auf einem von wildem Salbei und Lavendel bewachsenen Hügel in Kappadokien, wo bis vor drei Jahren allein die Schafhirten den meilenweiten Blick über die raue, baumlose Landschaft am Rand der Seidenstraße genossen.

Doch dann kam der australische Land-Art-Künstler Andrew Rogers. „Time and Space“ nennt er den Skulpturenpark, den er inmitten des geschichtsträchtigen Terrains in Zentralanatolien mit immensem Aufwand errichtete. Dazu ließ er von der lokalen Bevölkerung schulterhohe Mauern zu figurativen Geoglyphen anlegen.

Kunst mit Umweltverträglichkeitsstudie
Nach dem Vorbild von Christo und Jeanne-Claude veranlasste Rogers eine Umweltverträglichkeitsstudie, bevor er sich an die Konstruktion der weltgrößten Anlage für zeitgenössische Kunst machte und öffentliche sowie private Gelder eintrieb – auch eigene Mittel des ehemaligen Finanziers aus Melbourne flossen mit ein. Wie die Veteranen des populistischen Kunstspektakels, Christo und Jeanne Claude, ist auch Andrew Rogers ein Jongleur der Superlative: 10500 Tonnen Stein addieren sich zu insgesamt sieben Kilometer langen Linien, die Teil eines globalen Kunstprojekts von nie dagewesener Größenordnung sind.

Seit Rogers in den 90er-Jahren die Nazca-Linien in Peru sah, wollte er selbst Werke von der mythischen Kraft jener Erdzeichnungen schaffen. Die erste Gelegenheit bot sich 1999 mit der Einladung der Technion-Universität in Haifa, in die Arava-Wüste ein monumentales Symbol zu bauen, das Rogers aus den hebräischen Schriftzeichen für „auf das Leben“ ableitete. Drei weitere Steinembleme folgten in Israel, darunter „Rhythms of Life“, eine schwungvolle Signatur, die Rogers zu seinem Leitmotiv erkor und, vom Eis der Antarktis bis zur Vulkanlandschaft Kappadokiens, auf die Erdoberfläche tätowierte.

Satellitenfotos dokumentieren das Werk
Mit „Time and Space“, seinem 13. internationalen Mammutprojekt, will Rogers Touristen, die die legendäre, ein paar Kilometer weit entfernte Höhlenstadt Göreme besuchen, zur Kontemplation der Vergänglichkeit aller irdischen Dinge einladen. Dazu zählt er durchaus auch seine eigenen Kreationen, die er als temporäre Konstruktionen betrachtet. Die Anwohner, deren Beteiligung – und faire Kompensation mit Verpflegung und Geld – ihm ein zentrales Anliegen ist, haben jedoch immer wieder Mauern vor dem Einsturz und der Überwucherung bewahrt.

Ein Zeichen, meint Rogers, dass seine Skulpturen in die regionale Tradition aufgenommen wurden. Die Tatsache, dass sich die Erdzeichnungen auf Symbole der jeweiligen Kultur beziehen, spiele bei der Akzeptanz der Werke eine wichtige Rolle. Doch dass er seine Installationen nicht nur akribisch mit der Kamera dokumentiert, sondern sie mit Satellitenfotos aus 750 Kilometer Entfernung verewigen lässt, beweist eine Ambition von rekordbrecherischem Ausmaß.