Katharina Grosse im Haus der Kunst

Von nun an also Farbe

Katharina Grosse gehört mit ihren opulenten Sprüh-Installationen zu den bekanntesten deutschen Künstlerinnen. Im Münchner Haus der Kunst sprach sie mit Hans Ulrich Obrist über ihre Anfänge und Thomas Müller

Mit einer für ihr späteres Werk vergleichsweise kleinen grünen Ecke (450 x 1250 x 400cm) oben an der weißen Wand in der Kunsthalle Bern ging es so richtig los für Katharina Grosse: 1998 entdeckte die Schülerin von Norbert Tadeusz und Johannes Brus die pure Kraft der Sprüh-Pistole: Next level auf dem Weg weg von der Figuration hin zur Abstraktion, zur Fläche, zum Prozess. Weg von der transportablen, begrenzten Leinwand hin zum Raum. Ein künstlerischer Paradigmenwechsel hin zu Regelhaftigkeit, Grundfarbigkeit, Einfachheit. 

Fotos dieser Aktion warf Grosse nun während eines einstündigen Gesprächs vor mehreren hundert Zuschauerinnen und Zuschauern mit Hans Ulrich Obrist an die Wand im Münchner Haus der Kunst. "Artist Talks": Das Programm der Fondation Beyeler und der UBS-Bank stellt international ausgezeichnete, zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler vor – oft in einem Austausch mit einflussreichen Kunst-Experten. Obrist, Artistic Director der Serpentine Galleries in London, hatte vor dem zumeist andächtig stillen Publikum zunächst nach den Anfängen des künstlerischen Schaffens der Großmeisterin gefragt. Und Grosse antwortete nahbar, aber stets kontrolliert. 

Ihre späte Hinwendung zur Malerei mit 20 Jahren verstehe sie auch als Ausbruch aus dem teils selbstgewählten Kokon einer schön-geistigen, intellektuellen Welt der Bücher und Texte. Von nun an also eine ganz neue Sprache. Von nun an also Farbe. 

Das eigene Bett mit Farbe überzogen

Obrist stellte seine lang formulierten Fragen fast atemlos, Fragen nach dem künstlerischen Werdegang Grosses, zur Ortsgebundenheit ihrer Werke, ihrem Arbeitsrhythmus und ihrer Beziehung zur Architektur. Die Antworten Grosses förderten Bekanntes und weniger Bekanntes hervor, wirkten sehr reflektiert, pointiert und nachdenklich. Immer wieder gehe es ihr um die Grundfragen: Was ist Kunst? Was ist ein Bild? 

Einmal wollte sie aus einer Aggression heraus ihr ganzes Atelier mit Farbe übersprühen, sah dann aber davon ab. Nicht zuletzt aus Rücksicht ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber, die das ja als Angriff hätten lesen können. Stattdessen bekämpfte sie einen privaten Raum mit der Sprüh-Pistole, überzog ihr Bett, Kleidungsstücke und weitere Gegenstände: Ein leichtes Lodern in den Augen mancher Anwesenden verriet, dass sich mit dieser Aktion Kunst und Lebenswirklichkeit berührten.

Oft gehe es ihr um ein Ausufern ihrer Werke in den Raum, um eine direkte, manchmal brutale Überschreibung der Umgebung, darum, dass ihre formatsprengenden Bildwerke durchschritten werden müssten und so der Körper der Betrachterinnen und Betrachter ins Spiel komme. Kunst solle sich zu den Menschen bewegen. Und ja, fast die Hälfte ihrer Wasserfarben-Werke verschwinde, durch Übermalung oder Verwitterung. Aber auch kurzfristig geöffnete Fenster der Wahrnehmbarkeit könnten Veränderung schaffen. 

Der rosa gesprühte Eelefant im Raum

Obrists charmant hingehauchte Frage nach ihrem Tennis-Spiel und was das mit Kunst zu tun habe wich Grosse aus: mit einem Bekenntnis zu ihrer Fußball-Leidenschaft. Das Stadion als schonungslose Arena, in der Raumintelligenz eine zentrale Bedeutung besitze, dieses stark von Zufall geprägte Spiel, in dem die schnelle Entscheidungsfindung den Ausschlag gebe und den Prozess verändere. Auch liebe sie die Interviews der Spieler danach, ihre Selbstbewertungen. Plötzlich war Thomas Müller präsent. 

Dafür fehlte die Frage nach der politischen Positionierung der Künstlerin angesichts aktueller Entwicklungen. Grosse hätte als Netzwerkerin einer Frauenflüchtlingsgruppe sicher einiges dazu zu sagen gehabt. Interessant wäre auch die Diskussion ihrer Kunst in einem feministischen und queeren Kontext gewesen. Und nicht zuletzt: Was hält sie von der Bemalung der Säulen des Brandenburger Tores fast im Grosse-Look durch Klima-Aktivisten?

Zum Schluss fühlte man einen oben rechts in die Ecke gesprühten rosa Elefanten. Als Obrist die Frage nach nicht realisierten Projekten stellte, konnte man die Farbe fast riechen: Was läge näher als eine radikale Farbattacke auf das Haus der Kunst, auf diesen ehemaligen Vorzeigebau Hitlers, eine Farbwelle, die schließlich in den Englischen Garten flutet, das Bayerische Nationalmuseum mit einbezieht und auch die Surfer am Eisbach nicht verschont?