Museen in der Klima- und Energiekrise unter Druck

"Eine noch nie dagewesene Lage"

Klimatisierte Museen versprechen eine kurze Flucht vor der Sommerhitze. Doch angesichts von Extremwetter, Klimawandel und steigender Energiepreise setzen einige Ausstellungshäuser auf saisonal flexible Raumtemperaturen. Der Herbst bringt weitere Herausforderungen

Gute Gründe für einen Museumsbesuch gibt es immer, doch in diesem Sommer der extremen Hitze kommt ein weiterer dazu: In Ausstellungshäusern ist es angenehm kühl. Das Museum Ludwig in Köln oder das Städel Museum in Frankfurt am Main etwa verzeichnen während der Sommermonate mehr Besucher, heißt es auf Monopol-Anfrage. Ob Menschen an heißen Tagen das Museum allerdings wegen der klimatisierten Räume aufsuchen, lässt sich konkret nicht sagen. Hohe Besucherzahlen können auch durch andere Faktoren beeinflusst werden. Der Städte-Tourismus beispielsweise hat pandemiebedingt einen Aufschwung erlebt, da Menschen mittlerweile auch öfter innerhalb Deutschlands Urlaub machen. Je mehr Touristen in der Stadt, desto besser besucht sind auch die Museen, das bestätigt ein Sprecher der Staatlichen Museen zu Berlin.

"Dass unsere Ausstellungsräume komplett klimatisiert sind, wissen viele unserer Besucher*innen", sagt Malte Lin-Kröger, stellvertretender Leiter des Kunstpalais Erlangen. "An besonders heißen Tagen werben wir aber auch gerne manchmal damit. Deshalb gibt es bestimmt einige, die das beim Kunstschauen im Sommer als angenehmen Nebeneffekt mitnehmen." Auch die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen preist auf ihren Social-Media-Kanälen die klimatisierten Sammlungsräume an Hitzetagen an.

Durch den Museumsbesuch der Hitze entkommen – das klingt erstmal schön, hat aber auch einen Haken: Die Klimatisierung kostet Energie, während in der öffentlichen Diskussion gerade viel übers Sparen gesprochen wird. Vor Kurzem warnte Kulturstaatsministerin Claudia Roth, dass auch die Kulturbranche mit "schmerzhaften Einschnitten" angesichts der steigenden Energiepreise und der immer knapper werdenden Gasreserven rechnen muss. Allein die Staatlichen Museen zu Berlin verbrauchen laut Stefan Simon, Direktor des Rathgen-Forschungslabors, 70 Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Simon bemerkt, dass entgegen den politisch festgelegten Zielen, dieser Verbrauch nicht sinkt, "im Gegenteil, er ist in manchen Bereichen sogar leicht steigend". Eine Taskforce, wie 2019 in einem offenen Brief von Museumsdirektoren und Monopol gefordert, gibt es immer noch nicht.

Vorbildfunktion der Museen

Dabei haben Ausstellungshäuser eine große gesellschaftliche Verantwortung: "Museen mit ihren Kernaufgaben Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln verwalten und gestalten das kulturelle Erbe und sind mit diesem Auftrag der Gesellschaft verpflichtet", so Pamela Rohde, Leitern der Presseabteilung im Städel Museum. Zu dieser Verantwortung gehört Bewahrung und Schutz von Kulturgut auf der einen und eine Vorbildfunktion im Bereich von Nachhaltigkeit auf der anderen Seite.

Nun kommt der Druck der steigenden Energiepreise hinzu. Aber auch die aktuellen Hitzewellen machen den Häusern zu schaffen. Postmodern-konstruktivistische Architektur wie die der Documenta-Halle in Kassel mit ihrem Flachdach und ihrer Glasfront stehen bei Extremtemperaturen nicht gut da. Die Halle habe "aufgrund der großen verglasten Flächen in Südausrichtung einen sehr hohen Wärmeeintrag", bestätigt die Documenta. Dieser Juli war immerhin weltweit einer der heißesten Monate seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Temperaturen spüren nicht nur die Besucherinnen und Besucher, sondern auch die Kunstwerke selbst. Eine Arbeit von Sajjad Abbas kann zurzeit nicht als Teil der 12. Berlin Biennale über dem Eingang zu den Ausstellungsräumen der Akademie der Künste am Pariser Platz präsentiert werden, weil ein LED-Screen aufgrund der Hitze ausgefallen ist.

Auch in den Rieckhallen im Hamburger Bahnhof in Berlin kann es stickig werden: "Die Klimatisierung der Ausstellungsräume der Rieckhallen muss im Zuge einer nachhaltigen Klimasanierung – vor allem vor dem Hintergrund aktueller Extremtemperaturen – zukünftig umgesetzt werden", heißt es von den Staatlichen Museen. "Voraussetzung für den Beginn von Maßnahmen ist die Sicherung der Rieckhallen als Ausstellungsort des Hamburger Bahnhof."

Lange Zeit galten die Richtlinien des internationalen Museumbunds ICOM: Sie sehen in Museen eine Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent und eine Raumtemperatur von 20 Grad vor. Mittlerweile setzen Museen vermehrt auf sogenanntes saisonales Gleiten. "Die Raumtemperaturen in den Ausstellungsräumen mit Kunstwerken aus der Sammlung steigen in Abhängigkeit der Außentemperatur im Hochsommer auf bis zu circa 25 Grad an; im Winter hingegen betragen die Temperaturen in den von den Besuchern zugänglichen Bereichen circa 20 Grad", sagt Norbert Kölle, Geschäftsführer der Hamburger Kunsthalle. Das jahreszeitliche Gleiten senkt den Energieeinsatz für die Klimatisierung etwas, scheint aber trotzdem noch nicht die Norm in der Branche zu sein, auch weil Leihgeber und Versicherer das nicht zulassen.

Eine Reihe an Ressourcen schonender Maßnahmen

An Ideen für ein nachhaltiges Museumsmanagement mangelt es indes nicht. Eine Vielzahl der Ausstellungshäuser hat herkömmliche Beleuchtung durch ein stromsparendes LED-System ausgetauscht. Das Städel Museum betreibt Teile der Ausstellungsräume dank einer Geothermieanlage komplett ohne Gas, weitere Maßnahmen autarker energetischer Lösungen seien bereits in Vorbereitung, so Pamela Rohde. Auch das Museum Fridericianum  in Kassel und die Kunsthalle Bremen nutzen die Erdwärme und werden mittels Erdsondenanlage geregelt – Gas als direkter Energieträger ist nicht im Einsatz. Das Ausstellungsprojekt "Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen" vom Museum Ludwig versucht sich im nachhaltigen Kuratieren: ohne physische Leihgaben, ohne Katalog und mit Displayelementen vorheriger Ausstellungen.

"Der Herbst steht vor der Tür und doch sieht es so aus, dass wir alle da in eine noch nie dagewesene Lage gebracht werden, auf die sich vorzubereiten nicht ganz einfach ist", so Malte Lin-Kröger vom Kunstpalais Erlangen. Ob Museen gewappnet sind für das, was noch kommt, wird sich schnell zeigen, denn Klimafragen sind längst keine Zukunftsfragen mehr. Auch Nachhaltigkeits-Experte Stefan Simon ist skeptisch: "Ein Umdenken wird stattfinden, ob es schnell genug passiert, bezweifle ich."