Dieter Roth an der Berliner Volksbühne

Und sagten ein einziges Wort

Sechs Buchstaben genügten ihm, um ein 176 Seiten langes Theaterstück zu schreiben, inklusive Regieanweisungen. Fast 40 Jahre später kommt Dieter Roths „Murmel Murmel“ von 1974 nun tatsächlich zur Aufführung. Elf Schauspieler proben unter Herbert Fritsch an der Berliner Volksbühne für die Premiere. Collagen für Kostümentwürfe hängen an den Wänden. Die grauen Anzüge, steifen Hüte und fein gemusterten Kleider erinnern an Filme von Jacques Tati, das Bühnenbild aus beweglichen, farbigen Wänden stammt von Fritsch selbst.

Ein „dramatisch-bildhaftes Ornament“ stellt sich der Regisseur vor, der mit seiner Interpretation der „Spanischen Fliege“ auch zum diesjährigen Berliner Theatertreffen (4. bis 20. Mai) eingeladen ist. (2011 war er mit „Nora oder Ein Puppenhaus“ und „Der Biberpelz“ dabei.) Mit seinen Inszenierungen, die irgendwo zwischen Slapstick, Comic und Robert Wilson angesiedelt sind, gilt Fritsch, Jahrgang 1951, als Hoffnungsträger der Szene.

Von den Schauspielern verlangt das Stück höchste Konzentration. Mangels anderer Stichwörter als „Murmel“ müssen sie permanent mitzählen, um ihren Einsatz nicht zu verpassen. Der ewig gleiche Text lenkt die Konzentration auf den Ausdruck. Die einen flüstern „Murmel“, die anderen bellen oder pressen es irgendwie heraus.

Fritschs Arbeitsweise erinnert an die des 1998 verstorbenen Dieter Roth, für den der Prozess wichtiger war als das Ergebnis. Als Künstler ist Roth mit den Schokoladen- und Schimmelobjekten, den Literaturwürsten und ausufernden Installationen in die Geschichte eingegangen, für ihn selbst zählte Dichtung aber noch mehr. „Die Hauptsache war für mich ja immer die Schriftstellerei.“ Roth schrieb von Jugend an, in den 50er-Jahren entstand „normale“ Poesie, später experimentierte er in den „Scheiße“- Gedichten oder dem „Tränenmeer“-Projekt mit unterschiedlichsten Formaten.

„Murmel Murmel“ erkundet mathematische Prinzipien und ergibt wieder eine ganz eigene Typografie. Ein monochromes Schauspiel, das nur zu gut zum Universal- und Verwandlungskünstler Dieter Roth passt.

Die Premiere von „Murmel Murmel“ findet am 28. März an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin, statt.