Wer das Glashaus stützt ...

Chicago 1945, eine Dinnerparty. Ludwig Mies van der Rohe wird um Rat gefragt. Ob er jemanden empfehlen könne, der ihr unweit der City ein Landhaus baue, will die reiche, alleinstehende Ärztin Edith Farnsworth wissen. „Ich baue Ihr Haus“, entgegnet der Stararchitekt und konstruiert dann sein Traumhaus. Weniger geht nicht mehr: ein 140-Quadratmeter-Raum, praktisch keine Zwischenwände, ein Wohnquader auf Stelzen, weil der nahe Fox River gern über die Ufer tritt. Zwar bietet die Rundumverglasung herrliche Ausblicke auf die Natur, doch wird die Bewohnerin regelmäßig von Touristen begafft. Sie habe etwas „Bedeutungsvolles“ bestellt, „und alles, was ich bekam, war diese glatte, oberflächliche Sophisterei“, schimpft Farnsworth später; 1972 verkauft sie das Haus.
Wie auch eine ähnliche Ikone amerikanischer Architektur, Philip Johnsons „Glass House“ in Connecticut, bedarf der Mies-Bau dringend der Restaurierung. „Modern Views“ heißt ein Projekt zur Erhaltung der Gebäude. 100 Künstler, darunter Louise Lawler, Ed Ruscha und Claes Oldenburg, unterstützen die Aktion, indem sie Arbeiten für eine Versteigerung stiften. Am 6. Oktober werden sämtliche Werke bei Sotheby’s in New York ausgestellt und kommen anschließend unter den Hammer. Viel Aufhebens um nichts, Frau Farnsworth?