Aktionismus-Ausstellung in Karlsruhe

Wie aus Wutbürgern Künstler werden

Die Engführung von Kunst und Politik auf der vergangenen Berlin-Biennale funktionierte nicht. Darüber waren sich die meisten Kritiker einig. Konsens war auch, dass es nicht genügt, einen Teil der Ausstellungsfläche Occupy-Aktivisten als Zeltlager zur Verfügung zu stellen – und dann mal zu gucken, was passiert. Lässt sich aus Artur Żmijewskis Scheitern als Biennale-Macher deshalb folgern, politische Programmatik und Kunst vertrügen sich nicht? Nein, meint Peter Weibel, Vorstand des Karlsruher ZKM, und weist auf einen Denkfehler des kuratorischen Teams um den polnischen Künstler hin: „In Berlin wurden die Kunstorte mit der Straße verwechselt.“

Weibel versucht in seiner Ausstellung „global aCtIVISm“ einen anderen Ansatz. Die Kämpfer für eine bessere, gerechtere Welt präsentiert er im Museum für Neue Kunst des ZKM nur indirekt. Mithilfe von Filmen, Fotos und anderen Dokumenten werden dort audiovisuelle Landkarten des Aktionismus skizziert. Bürgerliches Engagement in allen Spielarten, von Stuttgart 21 über Occupy bis Pussy Riot, wird vorgestellt, findet aber nicht konkret statt.

Die Grundthese der Schau bildet Weibels Überzeugung, dass die Künstler, die seit den 60er-Jahren – mit Fluxus oder Happening – neue Formen wie Performance und partizipative Strategien ausprobieren, die aktuellen Protestbewegungen inspirieren. „Wir stellen plötzlich fest, dass die in der Kunst formulierte Beteiligung des Publikums nun in das Politische hineinragt“, so Weibel. Ziel der Aktionen sei nun nicht mehr die Lösung ästhetischer, sondern sozialer Probleme – Bürger griffen dabei zu künstlerischen Mitteln. Aus diesem Grund hebt der Titel „global aCtIVISm“ den lateinischen Begriff civis (Bürger) in Versalien hervor.

So viel Eigeninitiative macht den Autoritäten Angst, in den arabischen Ländern reagierten sie mit Repression. „Die Dynamik der Demokratie wird von den Regierenden nicht zur Kenntnis genommen“, sagt Weibel, „dabei sind es NGOs, die für Menschenrechte und andere Themen streiten, während Regierungen Verursacher von Missständen wie etwa Umweltverschmutzung sind.“ Während staatliche Instanzen, Justiz, Ökonomie, Verwaltung immer mehr versagten, nähmen die „Bürgerkünstler“ zivile Aufgaben wahr.

Glaubt man Peter Weibel, regt sich im Schatten des Marktes eine Kunst, die – statt mit Ölfarbe oder HD-Kamera – mit Flugblättern, Graffiti, Onlineportalen und Medienauftritten operiert. Von ihr könnte es eines Tages heißen, sie habe die Rede vom Kulturpessimismus überflüssig gemacht.

„global aCtIVISm“, ZKM – Museum für Neue Kunst, Karlsruhe, 14. Dezember bis 30. März 2014