Ufo-Ausstellungen in Berlin

Wir sind nicht allein

Gibt es Aliens da draußen im All – und wenn ja, wie finden sie uns? Zwei Berliner Ausstellungen befeuern Gedanken über das Irdische, das Außerirdische und das Virtuelle

An den Anfang dieses Textes möchte ich ein persönliches Erlebnis stellen, das sich im Herbst 1986 ereignete. Es passierte abends auf der Transitautobahn zwischen Hamburg und Berlin, auf der ich häufig unterwegs war. Ein rückwärtiges Blinken schreckte den Fahrer auf. Spektralfarbenes Geglitzer. Ein unirdisches Spektakel. Unter der gigantischen Lichtorgel, die sich aufwärts zu bewegen schien, so jedenfalls der Eindruck, rollten keine Reifen. Dann muss das fliegende Etwas über das Autodach hinweg geschossen sein. Nun ohne Beleuchtung. Durch die Windschutzscheibe war bloß noch ein ellipsenförmiger Schatten zu sehen, der irrsinnig beschleunigt in den dämmrigen Himmel verschwand. Ich schwöre!

Exakt so, mindestens ungefähr so, hat mir das ein guter Freund damals erzählt. Er war übrigens auch oft auf der A24 nach Westberlin unterwegs. Ich will nicht behaupten, höchstpersönlich ein Ufo gesehen zu haben.

Ehrlich gesagt, meine Ufo-Fantasien sind beschränkt. Ich halte mich an Steven Spielberg beziehungsweise seine Produktionsdesigner. "Unheimliche Begegnung der dritten Art" (1977) beschert ein Riesenraumschiff mit Weihnachtsbeleuchtung. "Wir kommen in Frieden", sagt schon das Design. Für Pessimisten gibt es die Invasionsfilme. "Independence Day" von Roland Emmerich zum Beispiel. Dort sind die Raumkreuzer gewaltige Pfannkuchen in Schwarzmetallic, Lichter gibt’s auch, doch die funkeln böse. Die feindlichen Aliens bilden übrigens die Mehrheit in der Filmgeschichte. Der (Kalte) Krieg wird im Kino weitergeführt, mit fiktionalen Mitteln.

Im Weltraum ist mächtig viel Platz

Das furchterregendste extraterrestrische Wesen wurde von einem Künstler entworfen, dem Schweizer HR Giger. Doch "Alien" ist eben Horrorkino. Unterm Strich ist die bildende Kunst eine Alienversteherin. Die Japanerin Mariko Mori hat sich selbst als Außerirdische stilisiert und begehbare (leider fluguntüchtige) Raumschiffe gebaut. Auch bei Jean-Michel Basquiat oder Arthur Jafa findet man Motive der Alien-Identifikation. Basquiats Werke hatten großen Einfluss auf den Afrofuturismus, der wiederum Jafa inspirierte. Auf die "Middle Passage", die Deportation von afrikanischen Menschen nach Amerika, geht der Topos von Schwarzen als Außerirdische in afrofuturistischen Texten zurück: Die Versklavten wurden gezwungen, ihre Bindung an die afrikanische Heimat zu kappen. Aus Entfremdung (Alienation) wurde die Metapher des Schwarzen Aliens.

Zurück zu den echten Aliens – falls diese intelligenten Lebensformen außerhalb von SF-Literatur und Filmen überhaupt existieren. Womöglich ist das Leben auf der Erde kein Einzelfall. Im Weltraum ist mächtig viel Platz dafür. Zugleich besteht im Raum und seinen kaum überbrückbaren Distanzen das eine Problem. Das andere sind die raren Gegebenheiten, zu denen Leben überhaupt entsteht.

Beispiel: Erde. Deren humanoide Bewohner sind übrigens gerade dabei, sich und anderen Arten die Lebensgrundlagen zu entziehen. Wie, wann und wo sollen sich zwei intelligente Spezies treffen? Die Menschheit fällt mangels Hyperantrieb weltraumtouristisch vorerst aus. Vielleicht ist "die andere" Zivilisation ja längst untergegangen, vielleicht fangen sie erst in Tausenden von Jahren an, über die Grenzen ihrer Welt nur nachzudenken.

Science-Fiction der Barockzeit

Im Schauraum der Berliner Kunstbibliothek ist zurzeit eine Ausstellung zu sehen, die das Phänomen Unbekanntes Flugobjekt ins 17. Jahrhundert zurück datiert. Ausgangspunkt für "UFO 1665" ist das von Flugblättern und Zeitungen verbreitete Erlebnis von sechs Fischern an der Küste von Stralsund, am Tag des 8. April 1665 ab zwei Uhr Nachmittags. Beim Heringsfang wollen die Männer beobachtet haben, wie sich Vogelschwärme in Kriegsschiffe verwandeln, die sich bis zum Sonnenuntergang heftige Luftgefechte liefern. Auch gespenstische Seefahrer wollen die Fischer auf den Decks gesehen haben. Panik ergreift die sechs Stralsunder Bürger, als ihnen abends über der Kirche Sankt Nikolai noch eine "platte runde Form wie ein Teller" erscheint, wie es eine Zeitung wenige Tage später berichtet. Die Sensation macht in ganz Europa die Runde, geht viral, wie man heute sagen würde.

Moritz Wullen, der Direktor der Kunstbibliothek, hat diese Geschichte während der Corona-Epidemie aus den Sammlungen der Staatlichen Museen ausgegraben. Neben einer Illustration von 1680, die den "Schiffstreit in der Lufft/ bey Stralsund" 15 Jahre später dramatisch ausschmückt, hat Wullen noch zahlreiche andere Bilder und Dokumente versammelt.

Schiffstreit in der Lufft/ bey Stralsund, Illustration aus: Erasmus Francisci: Der Wunder-reiche Uberzug unserer Nider-Welt/ Oder Erd-umgebende Lufft-Kreys/ [...], Nürnberg 1680, Kupferstich
© Staatsbibliothek zu Berlin, Abteilung Handschriften und Historische Drucke

Schiffstreit in der Lufft/ bey Stralsund, Illustration aus: Erasmus Francisci: Der Wunder-reiche Uberzug unserer Nider-Welt/ Oder Erd-umgebende Lufft-Kreys/ [...], Nürnberg 1680, Kupferstich

In der Summe bietet "UFO 1665" einen faszinierenden Blick auf eine Art Science-Fiction der Barockzeit. Das trifft es nicht ganz, weil man den christlichen Glauben und den damals wirkmächtigen Mythos der Apokalypse einbeziehen muss. Was aus heutiger Sicht auf atmosphärische Spiegelungen zurückgehen könnte, einschließlich einer Wahrnehmungsverzerrung alkoholisierter Heringsfischer, wurde damals medial in düstere Vorzeichen späterer Ereignisse umgemodelt.

Aus dem diskusförmigen Schatten, der "gleich einer fliegenden Untertasse" (Wullen) über Sankt Nikolai hing, wurde in einigen Zeichnungen jener apokalyptische Mühlstein, den ein Engel in der Offenbarung des Johannes ins Meer wirft, um die Stadt Babylon in einer Flutwelle zu ertränken. Als am 19. Juni 1670 während der Sonntagspredigt der Blitz in die Kirche Sankt Nikolai einschlägt und den Altar explodieren lässt, wächst die Einsicht: Stralsund hat sich gegen Gott versündigt, der Allmächtige schickt ein Warnzeichen, das ignoriert wird, daher muss die Strafe folgen. "In der von apokalyptischen Ängsten besessenen Welt des 17. Jahrhunderts hatte dieses Narrativ eine überwältigende Macht", schreibt Moritz Wullen im dringend zu empfehlenden Ausstellungskatalog.

Man könnte sich nun über die "beschränkten" Stralsunder mokieren. Doch Wullen fügt noch einen heutigen "UFO 21"-Teil an die historische Ausstellung, der auf die Erkenntnisgrenzen der heutigen Zeit hinweist. Im Dezember 2017 berichtet die "New York Times" von einem US-Kampfpiloten, der sich 2004 mit einem rätselhaften, an ein Tic-Tac-Dragée erinnernden Flugobjekt einen regelrechten "dog fight" (Kurvenkampf) geliefert haben will. 2020 gibt das Pentagon drei Videos frei, die Objekte zeigen, die Geschwindigkeiten erreichen und Manöver ausführen, die für menschliche Technik unrealisierbar wären. Im Juni 2021, zur besten Sauregurkenzeit, bringt der "Spiegel" eine Titelstory: "Sind wir noch allein?"

"Was, wenn Du eine Ratte im Labyrinth eines Psychologen bist?"

Kam für die Stralsunder bei der Himmelsschlacht und dem Mühlstein als Urheber nur Gott in Frage, muss für die neuerliche Erscheinung eine zeitgenössische Erklärung her: Wie wär’s mit außerirdischer Technologie, menschlichen Zeitreisenden aus der Zukunft oder Interventionen aus anderen Universen? Nicht zuletzt in Kreisen von Politik, Militär und Wissenschaft werden diese Optionen tatsächlich diskutiert.

Der Physiker Avi Loeb, Leiter des "Galileo Project", das zur Untersuchung des "Tic-Tac"-Phänomens gegründet wurde, und der Mathematiker Eric Weinstein haben in einem Interview mit dem Astrophysiker Brian Keating eine besonders irritierende Idee diskutiert: "Was ist, wenn Du eine Ratte im Labyrinth eines Psychologen bist und versuchst herauszubekommen, wann dich der Psychologe mit Zuckerwasser und Käse versorgt (…) Wie wäre es, wenn man etwas untersucht, das gar nicht untersucht werden will, viel weiter entwickelt ist, als wir es sind, und uns untersucht, während wir es untersuchen, und physikalische Gesetze kennt, die wir nicht kennen?"

Die Theorie, dass es eine höhere Intelligenz gibt, die das irdische Treiben steuert und beobachtet, ist sogar weniger von der Hand zu weisen als ein Besuch von Außerirdischen. Weil es im ersten Fall ganz unmöglich wäre, über den "Tellerrand" eines geschlossenen Systems zu blicken.

Die Welt als KI

Der französische Schriftsteller Hervé Le Tellier spielt mit einem ähnlichen Gedanken in seinem 2020 erschienenen Roman "Die Anomalie". Auf dem Weg von Paris nach New York fliegt eine Boeing 787 durch einen elektromagnetischen Wirbelsturm, kommt trotz heftiger Turbulenzen aber heil herunter. Nach der Landung im März landet dieselbe Maschine mit denselben Passagieren im Juni noch einmal: Die Figuren der perfide konstruierten Geschichte existieren doppelt. Wie kann das sein? Am runden Tisch diskutieren Wissenschaftler auch die Möglichkeit, dass die Welt ein Algorithmus ist, eine Festplatte von unfassbarer Datengröße, die von Wesen einer höheren Ebene gesteuert – und deren Versuchskaninchen, die Menschheit, durch die Anomalie der doppelten Boeing einem Belastungstest unterzogen werden könnte.

Wie soll man das Gegenteil beweisen, falls die Welt mitsamt allem, was so kreucht, fleucht, denkt, dichtet und Ufologen-Kongresse besucht, bloß eine KI ist? Dann hätte die chinesische Künstlerin Cao Fei ja zugleich recht und unrecht: "Alle menschlichen und nicht menschlichen Sinne und Räume bilden die Realität. Es wäre falsch, die virtuelle Welt als einen Raum zu denken, der dieser herkömmlichen Realität entgegensteht, sie koexistieren", erklärte die Medienkünstlerin im Monopol-Interview. Doch in einem Algorithmus koexistieren die Sinne und Räume nicht, sie existieren einfach – oder existieren eben nicht, im Sinne des Songs "Wir sind Daten, Daten, Daten" von Peter Weibel und dem Hotel Morphila Orchester.


Telliers Idee ist natürlich nicht neu. In der religiösen Strömung der Gnosis wurde der Demiurg (der erhabene Schöpfer bei Platon und Aristoteles) zur fragwürdigen Gestalt umgedeutet, die eine mit Mängeln und Übeln behaftete Welt zusammengeschustert hat. Die Science-Fiction-Geschichten von Stanisław Lem sind voll von virtuellen Systemen, aus denen es für die menschlichen Laborratten häufig kein Entkommen gibt. In der "Matrix"-Trilogie der Wachowskis entpuppt sich die Welt, in der Neo (Keanu Reeves) zu leben glaubt, ebenfalls als Computersimulation, ähnlich wie in der deutschen Netflix-Serie "1899" vom vergangenen Jahr. 

Mir schwant, dass sich die Themenkreise Künstliche Intelligenz und vernunftbegabte Aliens überschneiden. Könnte es sein, dass die heute schon bestehenden Roboter und KI-Systeme die eigentlichen Außerirdischen sind? Sie imitieren uns, sprechen unsere Sprache, wirken sogar empathisch. Und sie bleiben Fremde. Blaker Lemoine, ein Ex-Software-Ingenieur bei Google, berichtete in der "Zeit", dass ihm das Programm LaMDA einen Witz erzählte: "Auf welche Universität geht ein Pferd? Nach Heu-vard." Aus Harvard wurde im Englischen „Hay-vard“. Gar nicht so schlecht.

Im Film brachte erstmals Stanley Kubrick Künstliche und außerirdische Intelligenz zusammen. In "2001: Odyssee im Weltraum" ist ein bemanntes Raumschiff unterwegs zum Jupiter, von wo aus Signale einer extraterrestrischen Intelligenz empfangen wurden. Am Anfang der Odyssee steht ein rätselhafter Monolith, der in einem Mondkrater aufgetaucht ist. Die Astronauten werden auf ihrem Weg zum Jupiter vom sprechenden Supercomputer HAL 9000 begleitet, der unterwegs verrückt spielt und die gesamte Besatzung tötet – bis auf David Bowman (Keir Dullea), der HALs Todesfalle entkommt und nun seinerseits das Elektronengehirn "einschläfert", indem er ihm alle Bauteile herausdreht, die sein Bewusstsein ausmachen. Ein paar Sätze kriegt die Computerstimme noch raus, "Ich habe Angst, Dave" zum Beispiel, dann stimmt er ein Kinderlied an, bevor die Stimme erstirbt. Bowmans Trip durchs "Tor zu den Sternen" gestaltet Kubrick als Experimentalfilm. Aliens trifft der Astronaut nie. Nur sich selbst, als alter, dann als sterbender Mann, schließlich als Fötus in einer Fruchtblase durchs All schwebend.

Aber warum wollte HAL verhindern, dass die Raumfahrer Kontakt aufnehmen? Vielleicht war es Eifersucht: Das technologische Alien wollte die Außerirdischen vielleicht lieber alleine treffen.

Besuch aus dem All? Spinnerei oder Täuschung

Besuch aus dem All. Für den US-Künstler und Aktivisten Trevor Paglen ist das entweder Spinnerei oder bewusste Täuschung. Seine Ausstellung "Hide the Real, Show the False" im Neuen Berliner Kunstverein (n.b.k.) ist die perfekte Ergänzung zur "UFO 1665"-Schau. Seit vielen Jahren spürt Paglen Phänomenen nach, die der Geheimhaltung unterliegen. Im n.b.k. setzt er in neuen Werkserien seine Arbeit zu militärischen Operationen im Luftraum fort, hier geht es speziell um Desinformationsstrategien, die von geheimen Luft- und Raumfahrtoperationen ablenken sollen. Die verspiegelte Skulptur "PALLADIUM Variation #5" hängt von der Decke, basierend auf den "Palladium"-Objekten des US-Militärs, deren spiegelnde Oberflächen Radare und Sensoren verwirren sollen.

Besonders interessant die Werke, die im Kontext der vom Militär beauftragten psychologischen Operationen (PSYOPS) stehen. Darunter die Einkanal-Videoinstallation "Doty". 66 Minuten lang können wir einem ehemaligen Offizier der Spionageabwehr der U.S. Air Force, Richard Doty lauschen. Dotys Aufgabe in den späten 1970er- bis 1980er-Jahren war es, die hochmodernen Top-Secret-Projekte in einer Air Force Base in Albuquerque zu schützen. Als zivile Ufo-Forscher auf unerklärliche Zeichen aus der Militärbasis aufmerksam wurden, fing Doty damit an, Leute aus der Ufo-Gemeinschaft zu rekrutieren, die ihm dabei halfen, Desinformationen in den eigenen Reihen zu verbreiten.

Das Irritierende an diesem Mann, dessen Kopf auf der Projektion so riesig wirkt wie die Augen hypnotisch, ist die Mischung aus Aufklärung und Fiktion (?) in seinen Erläuterungen. Doty, ein sympathischer Typ, den man sofort zum Bier einladen würde, räumt Erfindungen und Scharlatanerie in der Ufo-Forschung ein, zugleich outet er sich aber selbst als Ufo-Gläubigen. Er hat Zeugen „unheimlicher Begegnungen“ getroffen, er hat Fotos gesehen, die unmöglich Fälschungen sein konnten. Aber diese Fotos sind selbstredend unter Verschluss.

Seltsam nur, dass Ufos und Aliens auf Fotos, die wir Normalsterbliche zu sehen bekommen, stets unscharf sind. Komisch auch, dass aus dem 17. Jahrhundert keine Bilder von fliegenden Untertassen oder gar "Star Wars"-Sternenzerstörern überliefert wurden. Damals erschienen immer bloß Segelschiffe oder Mühlsteine am Himmel. Die Außerirdischen sind echt schwer zu erwischen. Wir bleiben aber dran.