Zum 85. Geburtstag des US-Malers Jasper Johns

Ein Mann und die Flagge

Wenige Bilder haben einen so hohen Wiedererkennungswert wie Jasper Johns' amerikanische Flaggen. Sie machten den Maler zu einem der einflussreichsten US-Künstler der Nachkriegszeit.

Melancholisch, wenn nicht sogar traurig stimmen die jüngsten Werke von Jasper Johns. "Regrets" - Bedauern - hat er sie genannt, und die Kuratoren des renommierten Museum of Modern Art (MoMA) in New York holten sie im vergangenen Jahr aus seinem Studio sofort in ihre Ausstellungsräume. "Das muss jeder für sich selbst interpretieren", wiegelt der Künstler ab, der noch nie gerne über sein Werk geredet hat. "Für mich liegt die Bedeutung im Bild selbst."

Kunst-Experten kam beim Anblick der Werke sofort ein Kriminalitätsfall in den Sinn: Johns langjähriger und mit ihm eng vertrauter Assistent hatte ihn hintergangen. Zwischen 2006 und 2012 stahl er zahlreiche unvollendete Werke aus einer Schublade des Malers und verkaufte sie für Millionen. Inzwischen ist der 53-Jährige zu anderthalb Jahren Haft und einer millionenschweren Entschädigung verurteilt worden - doch der Betrug stürzte Johns, der am Freitag (15. Mai) 85 Jahre alt wurde, in eine tiefe Krise. "Es war sicher keine Freude", sagte er jüngst der "Financial Times". "Aber ich kann nicht darüber sprechen. Ich will nicht darüber sprechen. Ich will es auf keine Art und Weise definieren."

Schon als Kind musste Johns häufig mit Enttäuschungen kämpfen. Die Eltern des 1930 im US-Bundesstaat Georgia geborenen Künstlers trennten sich früh, Johns wurde in der Familie herumgereicht. "Es gab überhaupt keine Stabilität", erinnert er sich. Anfang der 50er Jahre flüchtet er nach New York. "Ich war nicht abenteuerlustig. Ich hatte eine Art formloser Existenz, in der ich immer Künstler sein wollte, aber ich hatte nicht viel Ausbildung. Ich hatte keinen Kontakt mit Menschen, die Künstler waren."

In New York lernt er endlich solche Menschen kennen. Der Komponist John Cage, der Tänzer Merce Cunningham und insbesondere der Künstler Robert Rauschenberg werden enge Freunde. Über Rauschenberg lernt er auch den Galeristen Leo Castelli kennen, der ihm 1958 die erste Einzelausstellung organisiert. "Für mich war das unglaublich. Es war meine erste Erfahrung mit einer eigenen Ausstellung. Zum ersten Mal hatte ich Kontakt mit wichtigen Leuten in der Kunstwelt."

Johns hat da gerade die heute so ikonischen amerikanischen Flaggen gemalt - mit in Wachs gelösten Pigmenten auf Collagen aus Zeitungspapier. Fast nebenbei wird er so zum Wegbereiter der Pop-Art. Das MoMA kauft gleich mehrere Werke. Eine patriotische Aussage seien die Fahnen nie gewesen, stellt der Künstler später klar. Nur praktisch. "Ich musste das Motiv nicht mehr entwerfen."

Wenig später zerstreitet sich Johns mit Rauschenberg und zieht sich aus der Großstadt zurück, erst auf eine Insel vor South Carolina, dann aufs Land nördlich von New York. Sein Malstil verändert sich, wird abstrakter, dann wendet er sich auch Skulpturen zu. Bis heute lebt Johns, der inzwischen als einer der einflussreichsten und bedeutendsten US-Künstler der Nachkriegszeit gilt und dessen Werke längst Millionen kosten, zurückgezogen und alleine auf einem großen Anwesen mit zum Studio umgebauter Scheune - und sinniert. "Ich mache mir Sorgen darüber, wie schwierig es ist, Dinge zu erschaffen oder zu wissen, was man machen soll. Es müsste mir doch leicht fallen nach all den Jahren."