Abu-Ghraib-Werk

Künstler protestieren gegen Folterbilder auf der Berlin Biennale

Ein auf der 12. Berlin Biennale gezeigtes Werk mit Folterbildern vom Abu-Ghraib-Skandal zieht den Ärger irakischer Ausstellungsteilnehmer auf sich. Eine Kuratorin ist aus Protest zurückgetreten

Jean-Jacques Lebels Installation "Poison soluble. Scènes de l’occupation américaine à Bagdad" (Lösliches Gift. Szenen aus der Zeit der amerikanischen Besatzung in Bagdad), die im Museum Hamburger Bahnhof ausgestellt ist, besteht aus vergrößerten Ausschnitten der berühmten Folterfotos aus dem Gefängnis Abu Ghuraib, die auf Stoffbahnen gedruckt sind und in einem Raum so angeordnet sind, dass Besucherinnen und Besucher sich wie in einem Labyrinth hindurchbewegen. Ein offener Brief, der von der irakischen Künstlerin Rijin Sahakian verfasst und von 15 weiteren Personen mitunterzeichnet wurde, prangert die Ausstellung der 2013 entstandenen Arbeit an: "Wem wird bei dieser Form der 'Wiedergutmachung' ein Mitspracherecht eingeräumt? Sicherlich nicht den irakischen Opfern auf den Fotos, nicht den irakischen Künstlern, die an der Biennale teilnehmen, und auch nicht den irakischen Bertrachtern, die durch diese gefühllose Neuinszenierung eines der berüchtigtsten Kriegsverbrechen der Vereinigten Staaten re-traumatisiert werden." 

Die Kuratoren der Biennale hätten die Erlaubnis der auf den Fotos gezeigten Personen einholen und die in der Nähe ausgestellten irakischen Künstler konsultieren sollen, die gezwungen seien, "durch einen Raum zu navigieren, von dem die Organisatoren einräumen, dass er 'negative oder re-traumatisierende Reaktionen auslösen könnte'". Zum Abschluss des Briefes heißt es: "Wir wehren uns entschieden gegen diese rücksichtslose Reproduktion der Verbrechen der Invasoren."

Eine Arbeit des irakischen Künstlers Sajjad Abbas wurde nach dessen Willen umplatziert, um nicht weiterhin in der Nähe von Lebels Werk gezeigt zu werden. Sein Video "I can see you" wird nun in der Akademie der Künste am Pariser Platz präsentiert. Sie hängt dort nach Angaben der Berlin Biennale über dem Eingang zu den Ausstellungsräumen. Für eine Arbeit des irakische Künstlers Raed Mutar "ist der aufwendige Prozess der Suche nach einem neuen geeigneten Ort noch nicht abgeschlossen", heißt es von der Biennale, "aber die Arbeit wurde bereits vorbereitet für die neue Platzierung und hängt nicht mehr am ursprünglichen Ort." Der Künstler Kader Attia, der die 12. Ausgabe der Berlin Biennale kuratiert hat, will sich in den kommenden Tagen zu dem Protest äußern. 

Kuratorin Ana Teixeira Pinto nicht mehr im künstlerischen Team

Der offene Brief berichtet auch vom Rücktritt der Kuratorin Ana Teixeira Pinto als Mitglied des ursprünglich fünfköpfigen künstlerischen Biennale-Teams als Protest gegen "Poison soluble". Laut Berlin Biennale habe sie bereits nach der Eröffnung der Ausstellung im Juni ihre Funktion aufgegeben, habe aber dennoch im Juli die Konferenz "Whose Universal?" vom Berliner Haus der Kulturen der Welt in Zusammenarbeit mit der 12. Berlin Biennale verantwortet.

Das Gefängnis Abu Ghraib nahe Bagdad war schon zu Zeiten des Diktators Saddam Husseins berüchtigt für seine Folterpraktiken und regelmäßigen Hinrichtungen. Nach dem Einmarsch der US-Armee wurden Fotos von irakischen Insassen veröffentlicht, die von US-Soldaten gefoltert wurden. "Das einzig Neue an dieser anscheinend ewigen Tragödie waren Unmengen Fotos – Zeugnisse ihres kriminellen Fehlverhaltens –, die die folternden Amerikaner:innen selbst gemacht und stolz ins Internet gestellt hatten", heißt es in einer Erläuterung zur Arbeit vom Künstler selbst auf der Website der Berlin Biennale. "Diese authentischen historischen Dokumente sind noch immer online zugänglich und bilden die Grundlage meiner labyrinthartigen Installation." 

Die Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst findet seit 1998 statt und wird durch die Kulturstiftung des Bundes gefördert und vom Verein Kunst-Werke e.V. organisiert. Die 12. Ausgabe läuft noch bis zum 18. September.