Programm 2017/18 vorgestellt

Künstler in Dercons erster Spielzeit an der Volksbühne

Der umstrittene neue Berliner Volksbühnen-Intendant Chris Dercon hat diese Woche die Inhalte seiner ersten Spielzeit vorgestellt, die im Herbst beginnt. Neben Tanz, Theater und Musik will der ehemalige Museumsdirektor vermehrt auch bildende Kunst in das traditionsreiche Haus bringen. Eine Auswahl

Samuel Beckett / Tino Sehgal

In einem Abend über Kunst und Sprache bringt die Volksbühne Einakter des irischen Schriftstellers Samuel Beckett und Arbeiten von Tino Sehgal zusammen. Sehgal ist bekannt für seine Inszenierungen, sogenannte "Situationen", in denen Interpreten über Gespräche oder Gesang mit Besuchern in Kontakt treten. Samuel Beckett hat in seinen Monologen immer wieder neue Formen des Sprechtheaters entwickelt. Im Programmheft heißt es: "Was Beckett und Sehgal teilen, ist die Verbindung von Aufführungsgeschehen und Kunstanspruch. Beide situieren sich in Relation zu den Traditionen des Theaters und der Kunst, über die sie zugleich hinausgehen. Ihr Aufeinandertreffen ist ein Dialog unterschiedlicher Ansätze über Kunst und Sprache: eine spätmoderne, existenziell durchwirkte Poetik trifft auf ein künstlerisches Sprechen, das den Dialog mit den Besuchern sucht, um Denkfiguren und
grundlegende Strukturen unserer Zeit zu verhandeln."

Calla Henkel, Max Pitegoff

Die Multimedia-Künstler Calla Henkel und Max Pitegoff beschäftigen sich in ihren Arbeiten mit Regelsystemen, nach denen gemeinschaftlich genutzte Räume funktionieren. Für die 9. Berlin Biennale beispielweise haben die beiden Amerikaner den vierten Stock der Akademie der Künste mittels Spiegelwänden und Interieurfotos aus der Wohnung des US-Botschafters in eine Art Flughafenlobby verwandelt. Während der letzten fünf Jahre haben die beiden in Berlin  unterschiedliche Off-Spaces betrieben, darunter das "New Theater", ein Ladenlokal in Kreuzberg, in dem sie zusammen mit Künstlern, Autoren und Musikern Stücke geschrieben und produziert haben. An der Volksbühne wird das Künstlerduo den Grünen Salon in Bar und Bühne zugleich verwandeln. Es sollen zweimal wöchentlich Stücke in unterschiedlichen Sprachen und Formen aufgeführt werden, die sich immer auf die jeweilige Situation und die jeweiligen Menschen im Raum bezieht.

Apichatpong Weerasethakul

2010 gewann der thailändische Filmemacher und Künstler Apichatpong Weerasethakul mit "Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben" die Goldene Palme in Cannes, zwei Jahre später nahm er mit der großen Statue "The Importance of Telepathy" an der Documenta 13 in Kassel teil. "Cemetery of Splendour", sein letzter Kinofilm, handelt von einer Frau, die sich in einer Art Hospital im Dschungel um Soldaten mit einer mysteriösen Schlafkrankheit kümmert. An der Volksbühne bringt Weerasethakul  mit "Fever Room" nun Figuren aus "Cemetery of Splendour" ins Theater und lässt so verschiedene (Traum)welten zusammenfließen. Begleitend zu "Fever Room" zeigt der thailändische Künstler und Regisseur außerdem in einem nächtlichen Screening die erste vollständige Retrospektive seiner Filmarbeit.

Yael Bartana

Yael Bartana, 1970 in Israel geboren, liebt Provokationen. Einigen Wirbel verursachte das 2007 von ihr gegründete "Jewish Renaissance Movement in Poland" (JRMiP), mit dem sie 3,3 Millionen Juden dazu aufrief, in das Land ihrer Vorfahren, nach Polen, zurückzukehren. Mit drei Filmen über das JRMiP war Bartana 2011 die erste Ausländerin, die den polnischen Pavillon der Venedig-Biennale bespielen durfte. An der Volksbühne knüpft die in Amsterdam und Berlin lebende Künstlerin mit "Was, wenn Frauen die Welt regieren" an Stanley Kubricks post-apokalyptischen Filmklassiker Dr. Strangelove (1964) an, dreht jedoch das Szenario um: Während in Kubricks politischer Satire eine Reihe männlicher Charaktere einen Atomkrieg zu verhindern versucht, kommen in Bartanas Film- und Performance-Projekt Schauspielerinnen, Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen zusammen, um - wie in Kubricks "War Room" - , in kürzester Zeit Lösungen für globale Krisen zu finden.

Michael Schmidt

Der Berliner Fotograf Michael Schmidt wurde mit seinen kompromisslosen Porträts der Mauerstadt bekannt. Mit dem Buch- und Ausstellungsprojekt "Waffenruhe", das  zusammen mit Einar Schleef entstanden ist und 1987 in der Berlinischen Galerie im Gropiusbau ausgestellt wurde, feierte Schmidt auch international einen Durchbruch. In stimmungsvollen Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Stadtlandschaften, Naturdetails und Porträts zeigt die Serie Schmidts Blick auf die noch geteilte Stadt. 30 Jahre nach seiner Premiere wird "Waffenruhe" nun erstmals  im öffentlichen Raum gezeigt, in Form einer nächtlichen Projektion an der Fassade der Volksbühne.

Jan Bonny, Alex Wissel

In der Web-Serie "Rheingold", die an der Volksbühne Weltpremiere feiert, verarbeiten Regisseur Jan Bonny und Künstler Alex Wissel den Skandal um den Düsseldorfer Kunstberater Helge Achenbach. In der augenzwinkernden Gesellschaftssatire kommen die beiden der grausamen Komplizenschaft zwischen Kunst und Macht, Künstler und Unternehmer, Kunstwelt und neoliberalem Kapitalismus auf die Spur.