Installation in Venedig

Die Tiefsee tönt

Durch eine restaurierte Kirche in Venedig lässt Taloi Havini eine Klanginstallation mit Geräuschen der Tiefsee wabern. Die Künstlerin erteilt der Natur das Wort und erfindet ihr eine eigene Sprache

Laut Taloi Havini sind alle Künstlerinnen auch Wissenschaftlerinnen. Das gilt natürlich umgekehrt nicht. Ende 2020 war die von der Pazifikinsel Buka stammende Havini als einzige Künstlerin auf einem Forschungsschiff einquartiert, das mit Schallimpulsen den Meeresgrund in 3-D ausmisst. Die Antworten, die der Ozean den Forschern gab, hat sie für ihre Klanginstallation eingefangen. "Answer to the Call" – das sind 22 verstreute Lautsprecherboxen, aus denen die Tiefsee tönt und fleht; ein Selbstgespräch, für das sich die Wissenschaft bisher noch nicht interessiert.

Der Auftrag kam aus Castello, dem Biennale-Viertel Venedigs, wo man dem steigenden Meeresspiegel wohl noch früher unterliegen wird als in Havinis pazifischer Heimat. Der hier residierende Ocean Space der TBA21-Academy zeigt "Answer to the Call" in einer restaurierten Kirche, die einst als Grabstätte für den Asienreisenden Marco Polo diente. Das Spiel von Rede und Antwort hat in einer Kirche ja Tradition, und somit sind alle großen Motive in der beschaulichen Gemeinde versammelt. Als der Haustechniker herbeieilt, um die Tonqualität der Installation ein wenig nachzubessern, verspotten ihn die Lautsprecher aus dem sakralen Gebälk. Nie weiß man, welche der 22 Boxen sich als nächste einmischen wird.

Die Entgrenzung geht weiter

Havini erteilt der Natur das Wort und erfindet ihr eine eigene Sprache. Die Entgrenzung geht weiter und um einiges länger. 40 Minuten an kurzweiliger Musique concrète hat sie komponiert und dafür die technischen Tiefseeaufnahmen mit über Jahre hinweg gesammelten Naturklängen, tradierten Gesängen und eigens angefertigten Musikstücken gemischt, zum Beispiel auf der Trommel Garamut.

Leider kann die mit Bedeutung befrachtete Raumgestaltung nicht verbergen, dass sie vor allem als dekorative Bühne für die Klangarbeit herhalten muss. Zwei Eisengerüste sind spärlich mit kobaltblauem Stoff bedeckt. Ein begehbarer Holzzuschnitt hat den Umriss der Insel Buka – obwohl in der Installation auch Instrumente ganz anderer Kulturen zu hören sind, es sich also mitnichten um einen Trip nach Buka handelt, wie die Platte suggeriert.

Ein wenig zahm wirkt dieser Teil für das Auge, fast so, als litte er unter den Zwängen eines Naturkundemuseums. Die Recherche geht weiter: Im Rahmen eines Fellowship soll hier bald erforscht werden, was sich nun an belastbaren Erkenntnissen aus Havinis Kunst ergibt.