Interview mit Galerist Meyer zur Art Karlsruhe

"Ein Stück Identität"

Jochen Meyer und Thomas Riegger gründeten ihre Galerie in Karlsruhe 1997. Mit ihrem exzellenten Programm aus deutschen und internationalen Künstlern sind sie heute auf dem Markt weltweit erfolgreich. 2008 eröffneten sie eine Dependance in Berlin, ohne den Karlsruher Standort aufzugeben. Stefan Kobel sprach mit Jochen Meyer über den Spagat zwischen Karlsruhe und dem Rest der Welt.

Jochen Meyer, seit 13 Jahren gibt es die Art Karlsruhe, in diesem Jahr ist Meyer Riegger zum ersten Mal dabei. Warum erst jetzt? Läuft es in Berlin nicht mehr?
Wir gucken uns das seit Jahren theoretisch an. Es gab ja bislang immer zeitgleich die Armory Show und die Independent in New York, an der wir teilgenommen haben. Als international agierende Galerie vor Ort müssen wir uns natürlich fragen lassen, warum wir nicht mitmachen. Und es ist ja auch paradox: Da findet in unserer Heimatstadt eine Messe statt, die wahnsinnig erfolgreich ist, und wir sind nicht dabei. Den Markt gibt es für uns in beiden Städten, Berlin funktioniert für uns zunehmend besser, aber er ist noch nicht da, wo wir ihn gerne hätten.

Was hat 2008 zu dem Entschluss geführt, nach Berlin zu ziehen?
Um es kurz zu sagen: der Diskurs. Im Prinzip geht es darum, dass man sich als Galerie weiterentwickeln will, dass man für seine Künstler eine gewisse Form von Öffentlichkeit herstellen und selbst daran teilhaben möchte.

Warum haben Sie Karlsruhe als Standort beibehalten?
Wir kommen beide aus Karlsruhe, und das ist einfach ein Stück Identität. Viele unserer Künstler wurden dann in Karlsruhe Professoren an der Kunstakademie: Franz Ackermann, Daniel Roth, Corinne Wasmuht,­­ Kalin Lindena. Meuser war zu der Zeit schon Professor. Thomas Riegger hat da studiert, mit vielen Künstlern aus der frühen Zeit haben wir uns während des Studiums angefreundet. Die Arbeitsweise der Galerie unterscheidet sich von daher ein bisschen von der in Berlin, sie ist viel mehr verwoben mit dem Leben in der Stadt. In Karlsruhe können wir noch stärker Teil der kulturellen Öffentlichkeit sein als in Berlin, einfach weil die Stadt überschaubarer ist.

Welche Rolle spielt der deutsche Südwesten für Sie?
Mittlerweile funktioniert der Anschluss an das bürgerlich geprägte Publikum in Karlsruhe sehr gut, interessanterweise zunehmend besser, seit wir in Berlin einen zweiten Standort eröffnet haben. Es gibt in Karlsruhe selbst mittlerweile eine Klientel, die unsere Arbeit schätzt. Aber die Verbindungen nach Stuttgart, Ulm oder Straßburg sind immer noch ausbaufähig.

Wie sah das Programm der Galerie in ihren Anfängen aus?
1997 zeigten wir eine Ausstellung mit Arbeiten aus der Sammlung Marzona. Wir fanden Arte povera, Minimal, Concept- und Land-Art relevant für die künstlerische Produktion damals und heute. Wir wollten die Künstler präsentieren, die für uns wichtig waren: Carl Andre, On Kawara, Gordon Matta-Clark. Die Arbeiten waren alle unverkäuflich, wir haben das eher als kulturelle Einrichtung verstanden. Dann kamen Daniel Roth, Franz Ackermann, John Miller, Helen Mirra, Jonathan Monk und Meuser. Mit denen arbeiten wir auch immer noch zusammen.

An welchen Messen nehmen Sie regelmäßig teil?
Aktuell sind das die drei Art-Basel-Messen in Basel, Hongkong und Miami Beach, dazu kommen die Frieze in London und die Fiac in Paris – und jetzt die Art Karlsruhe.

Hat sich die Globalisierung ausgetobt? Gibt es wieder eine Entwicklung zurück zu den Regionen?
Die gibt es auf jeden Fall. Die Messe in Basel erfüllt diesen globalen Anspruch noch, aber schon Miami und Hongkong sind eher am jeweiligen Kontinent orientiert. Ich glaube, dass die Artissima in Turin oder die Arco in Madrid sehr erfolgreich arbeiten, weil sie sich in der Region verankern. Die Leute sehen, dass die Qualität ihrer lokalen Messe steigt, und gehen dann noch zusätzlich nach Basel. Aber sie müssten dann eben nicht mehr.

Wie kommen die mittelständischen Galerien ohne echten Heimatmarkt mit der zunehmenden Konzentration zurecht?
Gerade für unsere Generation gibt es das Problem. Wen verkauft eine Galerie? Das sind entweder die ganz jungen Künstler, weil der Markt sich immer schneller entwickelt. Es ist eines der traurigsten Phänomene im Kunstmarkt, wie schnell sich junge Künstlerkarrieren verbrauchen. Und auf der anderen Seite sind es Künstler, die sehr eta-bliert sind, die schon einen gesicherten Wert darstellen, was auch immer das heißen mag. Wir sind eine „Mid-Career-Galerie“ mit entsprechenden Künstlern, bei denen die Preise schon relativ hoch sind, aber der erste Hype schon etwas länger vorüber ist. Einige unserer älteren Künstler haben gerade ein Comeback, was für uns natürlich auch eine Bestätigung ist. Aber die mittlere Generation hat es schwer. Das gilt genauso für die Galerien.

Stellen Sie sich manchmal ein Leben nach der Galerie vor?
Wir sehen uns eigentlich mitten im Galerieleben und machen uns darüber noch keine Gedanken. Natürlich wollen wir als Galerie weiterhin wachsen. Wachstum lässt sich ja nicht nur finanziell oder über die Erfolge der Künstler messen, sondern bedeutet auch, dass man aktiv am Diskurs teilhat.