Umgang mit Kolonialobjekten

IAI-Direktorin: In Restitutionsdebatte andere Sicht berücksichtigen 

Die Frage nach Rückgabe von Kolonialobjekten ist in einschlägigen Museen alltäglich. Die kontrovers diskutierten Forderungen erreichen auch Bibliotheken. Andere Perspektiven fordern neue Ansätze

In der Debatte um den Umgang mit Objekten aus kolonialen Zusammenhängen müssen aus Sicht der Direktorin des Ibero-Amerikanischen Instituts, Barbara Göbel, "andere Durchlässigkeiten" erreicht werden. "Es reicht nicht mehr, nur anzuerkennen, dass es eine andere Perspektive auf ein Objekt gibt", sagte die Ethnologin vor den Feierlichkeiten (am 13.10.) zum 90. Jahrestag der Gründung des Instituts der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Es muss dazu führen, diese Perspektive in der Alltagsarbeit zu berücksichtigen."

Das Institut gehört zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz und ist wie Museen der Stiftung in der Restitutionsdebatte involviert. "Wir haben ja komplementäre Sammlungen zum Ethnologischen Museum", sagte Göbel unter Hinweis auf Bestände des Instituts. "Es geht eigentlich um die Sammlungen in ihrer Vielfalt, nicht nur um Museen."

Als Beispiel nannte die Wissenschaftlerin Materialien zu den Kogi-Masken. Das in Kolumbien beheimatete indigene Volk fordert die Rückgabe von Masken aus dem Ethnologischen Museum in Berlin. "Wir haben Vertretern der Gruppe alles vorgelegt: Landkarten, Tonaufnahmen, Fotosammlungen, Bücher, Zeitschriften", berichtete die Wissenschaftlerin. "Es ging um den Zugang zu diesen Materialien." Gleichzeitig räumt sie ein: "Es geht natürlich auch um Rückführung."

Eine neue Dimension ergibt sich im Bereich Fotografie. "Wir haben 120 000 Fotografien, sehr viele sind Aufnahmen indigener Personen aufgrund der Zeit, in der sie entstanden sind, und den Zusammenhängen als Ergebnis von Forschungen oder von Reisen", erläuterte Göbel. Nun beginne eine Debatte, wer darüber entscheide, etwa Originale zurückzugeben und damit aus der Nutzung oder auch ganz aus der Sichtbarkeit zu nehmen. "Das sind Erfahrungen, die außerhalb Deutschlands viel stärker sind und innerhalb Deutschlands nicht systematisch diskutiert werden, mit denen wir uns aber auseinandersetzen müssen."

Göbel verwies darauf, dass Bibliotheken nach Systemen arbeiten, die 150 Jahre alt sind. "Nur diese Stabilität ermöglicht die Zukunft dieser Objekte. Gleichzeitig wissen wir aber politisch, dass wir andere Perspektiven berücksichtigen müssen, das zeigt die Erfahrung."

Göbel sieht das Institut zum Jubiläum als stabile Plattform in Zeiten zunehmender globaler Verflüchtigung. "Gerade in den Regionen, mit denen wir zu tun haben, sind wir ein stabiler Anker unabhängig von politischen Konjunkturen." Dabei kann das Institut auf seine besondere Struktur bauen. "Diese Kombination von Wissenschaft und Kultur, die auch identitätsstiftende Bezüge hat, und die Historizität der Sammlungen - das ist einmalig."

Das Ibero-Amerikanische Institut (IAI) ist eine interdisziplinär orientierte Einrichtung des wissenschaftlichen und kulturellen Austausches mit Lateinamerika, der Karibik, Spanien und Portugal. Es beherbergt ein Wissensarchiv mit der größten europäischen Spezialbibliothek für den ibero-amerikanischen Kulturraum.