Kunsthaus NRW nach Flut und Pandemie

Aufgetaucht

Das Kunsthaus NRW in Aachen wurde beim Hochwasser 2021 überschwemmt und hatte wie alle Museen mit Lockdown-Folgen zu kämpfen. Nun zeigt sich die ehemalige Abtei runderneuert mit drei Ausstellungen

“Bis hierhin stieg das Hochwasser”, erzählt Marcel Schumacher, Direktor des Kunsthauses NRW. Mit der Hand weist er auf die ungefähre Höhe von 1,20 Meter an der Wand. Immer noch ist hier im alten Brauhaus der Abtei Aachen-Kornelimünster die modrige Feuchtigkeit zu riechen. Auch im Haupthaus, sind die Fußleisten noch nicht wieder angebracht. Erst müssen die Wände komplett getrocknet sein.  

Und doch herrscht Aufbruchstimmung: Nach der Jahrhundertflut vom Sommer 2021, die Teile des Gebäudes unter Wasser setzte, präsentiert sich das Münster nun – bis auf die erwähnten Details – frisch saniert seinen Besucherinnen und Besuchern. Dabei stehen gleich drei Ausstellungen zur Auswahl: die neu arrangierte Dauerhängung, eine Ausstellung junger Kunst sowie die Fragmente-Schau im Skulpturenpark "draußen vor der Tür".

Seit 1976 ist in der ehemaligen Reichsabtei von Kornelimünster, dem wohl malerischsten Stadtteil Aachens, die Sammlung “Kunst aus NRW” untergebracht. Mit der gotischen Pilgerkirche im historischen Ortskern und dem spätbarocken Klostergebäude stehen sich zwei kunsthistorische Epochen gegenüber. Das Kloster wurde 814 von dem französischen Mönch Benedikt von Aniane gegründet und beherbergte ab 881 die Reliquien des heiligen Kornelius. Nach einer wechselvollen Geschichte übernahm 1948 das Land Nordrhein-Westfalen den Gebäudekomplex. 

Brüche, Katastrophen und Umwälzungen

Als Kunsthaus NRW zeigt die alte Abtei mit ihrem schlossartigen Haupthaus und Nebengebäuden, zu denen auch die einstige Bierbrauerei zählt, Kunst von den Anfängen des letzten Jahrhunderts bis in die Jetztzeit. Dabei geht es um Frühwerke von Künstlern, die seit 1948 von dem mit heute knapp 18 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands gesammelt werden.

"Ankäufe aus der Nachkriegszeit sollten die unter dem NS-Regime entrechteten Kunstschaffenden unterstützen", erklärt Marcel Schumacher, der das Haus seit 2015 leitet. In der neuen Sammlungspräsentation, die über 100 Kunstwerke rund um historische Epochen und zeitgenössische Themen gruppiert, geht es um Brüche, Katastrophen und Umwälzungen des 20. Und 21. Jahrhunderts, die in der Kunst ihre Spuren hinterlassen haben.

Auch die innere Migration ist ein Thema. Otto Pankok, der sich während es NS-Regimes in der Eifel versteckt hatte und nach 1945 Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie war, ist ein Beispiel hierfür. Auch das erste erworbene Sammlungsstück überhaupt, ein Aquarell ("Schildkröte") von Karl Schwesig, ist zu sehen. Schwesig war Mitglied der Künstlerbewegung “Das Junge Rheinland” und 1928 Mitbegründer der Rheinischen Sezession. Als Oppositioneller saß er im Kölner Gestapo-Keller ein und wurde im KZ interniert. Erfahrungen, die er später in seinen Gemälden und Radierungen verarbeitete.  

Sammlung mit losen Enden

Zwar wurde Nordrhein-Westfalen erst 1946 zu einem Bundesland (West-)Deutschlands, aber der Rahmen wurde zeitlich weiter gesteckt. Unter anderem zugunsten des Rheinischen Expressionismus, der mit dem Bonner Künstler August Macke 1913 zu seiner kurzen Blüte fand und dem auch Max Ernst kurzfristig angehörte. “Aus dem Grund heißt die aktuelle Dauerausstellung 'Sammlung mit losen Enden', erklärt Schumacher.

Heute liegt der Schwerpunkt der Ankäufe auf der Förderung junger Künstlerinnen und Künstler mit Bezug zu NRW. Die derzeit präsentierte Ausstellung "22/21. Gemeinschaft und Gemeinschaften" steht für die Entwicklung der Kunst in NRW seit dem Millennium. "Dabei bedeutet die Zahl 22 das Jahr des Ankaufs und 21 das 21. Jahrhundert", erläutert Schumacher.

Ausgestellt sind Werke der 1970plus-Generation, die verschiedene Aspekte der Gesellschaft thematisieren. So greift Martin Brand in seinem Video “Punks” von 2011 das Thema Ausgrenzung auf, während die serbische Künstlerin Vanja Smiljanić in ihrer mehrteiligen Installation "Waves of Worship (Wow)" von 2016/2019 der Verherrlichung von Ideologien auf den den Grund geht.

Neues Leben für alte Fragmente

Die Zeit der Zwangspause, die durch Flut und Pandemie hervorgerufen wurde, hat das Kornelimünster auch genutzt, um seine Strukturen umzubauen. So ist der Betrieb eine GmbH geworden, wurde das Team um eine Kunstvermittlungsstelle erweitert und hat es eine Etataufstockung gegeben.

Da Tausende Fragmente, Reliefs und Objekte an öffentlichen NRW-Gebäuden aus den 1950er- und 1960er-Jahren aufgrund von Abriss oder Sanierungen "entsorgt" werden müssen, werden sie vom Kunsthaus übernommen, in ein künftiges Archiv überführt oder in neuen Kontexten gezeigt. 2022 sind es die Werke von Victor Bonato, Georg Meistermann sowie eine Wandarbeit von Frauke Dannert.

Darüber hinaus ließen sich einige Künstlerinnen und Künstler von den alten Fragmenten zu zeitgenössischen Installationen inspirieren. So hat Christian Odzuck einen Entwurf für den Umgang mit dem ehemals am Filmhaus des WDR in Köln angebrachten Steinrelief von Karl Hartung entwickelt und in ein neues Kunstwerk überführt. Und auch Vera Lossaus “Zauberwürfel” von 2022 und die Installation “Deep Storage” von Sebastian Ferytag aus dem gleichen Jahr haben ihren Platz im neuen Skulpturengarten inklusive Remise gefunden.  

Große Namen mit wechselnder Hängung

Auf diese Weise wird die Sammlung, die heute schon über 4000 Arbeiten umfasst (500 davon nicht aus dem Förderankauf), kontinuierlich erweitert. In den letzten fünf Jahren hat das Haus 200 Werke gekauft, bei einem Etat von 200.000 Euro pro Jahr. “Das Geld wird in etablierte und junge Künstler investiert, die einen Bezug zur Kunst in den Rheinlanden und Westfalen zwischen 1912 und heute haben”, so der Kunsthaus-Direktor.

Zu den großen bisher gesammelten Namen zählen neben den Gründervätern der rheinischen Kunst wie August Macke und Max Ernst die Künstlerinnen und Künstler Ewald Mataré, Heinrich Campendonk, Bruno Goller, Ernst Wilhelm Nay, Zero, Joseph Beuys, Sigmar Polke, Günter Uecker, Gerhard Richter, Katharina Sieverding, Bernd und Hilla Becher, Andreas Gursky, Gregor Schneider und Katharina Grosse. Was nicht permanent zugänglich ist, sprich im Depot lagert, wird in den zweijährlich wechselnden Dauerausstellungen sichtbar gemacht.

Weitere Sammlungsgegenstände, die aufgrund der Menge aktuell nicht gezeigt werden können, wandern in den Leihverkehr oder in die Ministerien und Behörden des Landes. Damit die Menschen auch dort erfahren, was die Kunst ihrer Region hervorgebracht hat.