Ausstellung über Kunst und Geheimdienste

Der Spion, der die Kamera liebte

Geheimdienste finden Performancekunst gefährlich, Künstler überwachen ihre Überwacher. Eine Ausstellung in Dortmund zeigt das komplexe Verhältnis zwischen "Artists and Agents". Und warnt eindringlich vor den Geheimdienstmethoden von heute

Kürzlich war anlässlich des 30. Jahrestages des Mauerfalls die Stasi wieder in aller Munde. Eine zentrale Rolle spielt die DDR-Geheimpolizei auch in "Artists and Agents" im Dortmunder Hartware MedienKunstVerein (HMKV). Doch die große Schau ist keine historische Ausstellung und Dokumentation deutscher Zustände, sondern versammelt vielfältige internationale Beispiele einer besonderen Interaktion – und auch deren aktuelle ästhetische Verarbeitung. Und sie offenbart geradezu beiläufig, wie aktuell und gefährlich der Einsatz von Geheimdienstmethoden heute (noch und wieder) sein kann.

Eine absurde Grundkonstellation ist auszumachen. Auf Seiten der Geheimdienste scheint die Überzeugung zu herrschen, Performancekunst sei besonders gefährlich. Sie zu kontrollieren, bedürfe es Überwachung und Unterwanderung, schließlich womöglich Zersetzung und Liquidierung. Paradoxerweise müssten nunmehr die Agenten, deren Auftrag das ist, selber Performance-Künstler und -Künstlerinnen werden. Sie müssen "performen". Es wird behauptet, dass auf jedem Foto einer Performancekunstaktion in Osteuropa vor 1990 wenigstens eine Person zu sehen ist, die der Geheimpolizei zugearbeitet habe.

Grundlage der Ausstellung ist die Sichtung von unzähligen Akten aus den inzwischen offenen Geheimdienstarchiven von vor 1990 in einigen Ostblockländern durch das Slawische Seminar der Universität Zürich. Die Kuratorinnen Sylvia Sasse und Kata Krasznahorkai forschen dort und haben die Ausstellung mit Inke Arns vom HMKV initiiert. Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass der Fokus durch die weitgehende Öffnung der Geheimdienstakten aus DDR, Polen, Ungarn, CSSR, Rumänien, Bulgarien und der UdSSR zwar auf dem Ostblock liege, doch davon auszugehen ist, dass Geheimdienste der Welt überall ähnlich arbeiteten.

Ping-Pong aus Beobachtung und Gegenbeobachtung

Und so ist das "älteste" Exponat auch aus der Schweiz. Sieben von 19 Aktenblättern der politischen Polizei mit dem Titel "Erhebungen über bolschewistische Umtriebe der Dadaistengruppe in Zürich" von 1918/1919. Ziel war offenbar, Hugo Ball und Emmy Hennings zur Ausreise zu zwingen, dafür deren "liederlichen Lebensstil" als Begründung zu dokumentieren.

Doch die Facetten der Aktionen der Geheimpolizeien werden im 20. Jahrhundert vielfältiger, oftmals brutaler, mal subtiler, bis hinein ins fast schon Absurde. So etwa, wenn Simon Menner sechs Fotografien einer Kostümparty zeigt, die auf dem Geburtstag eines hohen Stasi-Funktionärs gemacht wurden und von ihm in Stasi-Akten gefunden wurden. Zu sehen sind die Gäste, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Behörde, die als Mitglieder der zu beobachtenden Gruppierungen aus Kirche, Sport, Friedensbewegung kostümiert sind. Erstaunlich in seinem Zynismus.

Der klassischen Methode der Beobachtung stellen die Künstler und Künstlerinnen manchmal Strategien der Gegenbeobachtung entgegen. So etwa Ion Grigorescu, der 1975 auf einer staatlich organisierten Wahlveranstaltung in Bukarest Fotografien anfertigte, die selbst die Perspektive der Geheimpolizei einnehmen und das absurde Spektakel einer statischen Begegnung zwischen eigentlich interesselosen Bürgern und als Gewerkschafter getarnter Überwacher dokumentiert.

Auch die ikonische Performance "Triangle" von Sanja Ivekovic ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Und die Dokumentation einer schönen Performance der Orange Alternative aus Polen. Sie organisierte am 1. März 1988 den "Tag des Geheimdienstlers". Poster und Flugblatt riefen dazu auf und forderten "Tragen Sie eine schwarze Sonnenbrille, einen Hut, einen Trenchcoat oder einen Ledermantel. Nehmen Sie ein Abhörgerät mit: ein Mikrofon, einen Trichter oder eine Trompete. Empfohlen werden insbesondere Mikrofone, die in Regenschirmen oder Rohrstöcken installiert sind."

Pornografie im Dienste der Stasi

Die Erfurter Künstlerin Gabriele Stötzer machte eine besondere Erfahrung mit Bespitzelung, die zu einer solitären Fotoserie führte, die eine exemplarische Grenzverschiebung der Machtverhältnisse führte. Als sie 1984 eine Fotoserie mit einem Transvestiten machen wollte, bewarb sich "Winfried". Beauftragt von der Stasi sollte er die Fotosession in Richtung Pornografie lenken, um Material gegen die Künstlerin in der Hand zu haben. Doch die hier zu sehenden Fotografien zeigen einen Menschen, der die Rolle des Spitzels schnell zu vergessen scheint. Der Spion, der die Kamera liebte.

Viele weitere informativ und sehenswert aufbereitete Beispiele sind zu sehen. Das Material ist naturgemäß quantitativ überfordernd, Akten- und Archivmaterial sind dennoch sorgsam komponiert, um dem Besucher ökonomisch Einblick zu ermöglichen, in etwas, was eigentlich die Kompletterfassung ganzer Lebensbereiche beinhaltete. Die künstlerischen Interventionen zwischen Re-Enactment, Gegen-Appropriation und künstlerischer Dokumentation sind sorgsam und prominent (Voluspa Jarpa aus Chile, Cornelia Schleime, Korpys/Löffler, Daniel Knorr oder Peng! Collectiv) ausgewählt.

Eine historische Konfrontation? Haben die Kuratoren noch in Anlehnung an Michel Foucaults berühmtes Buch "Überwachen und Strafen" einen Essay über ihre Ausstellung mit "Überwachen und Zersetzen’" überschrieben (Katalog, erscheint Ende November), ist kürzlich schon "Speichern und Strafen" von Adrian Lobe herausgekommen. Das zeigt, welche sehr destruktive Stoßrichtung und welches gefährliche Potential gegen künstlerische Subversion geheimdienstliche und andere ähnliche organisierte autoritäre Strukturen in der Zukunft haben könnten. So muss man angesichts der hier zu sehenden zuweilen hilflosen Datensammelversuche der Vergangenheit gelegentlich lachen. Ein Lachen, das angesichts heutiger Möglichkeiten leer wird.