Highlights des Kunstjahrs

Wohin 2020?

Hopper'sche Melancholie, fantastische Surrealistinnen, ein neuer Warhol und die Verpunktung der Welt: Das sind die Ausstellungs-Höhepunkte im Kunstjahr 2020 

 

Edward Hopper in Riehen

Seine melancholischen Gemälde der amerikanischen Landschaften, Architekturen und Figuren sind seit den 40er-Jahren prägend für ein bestimmtes Bild von den USA. Edward Hoppers großen Einfluss in der Malerei und der Popkultur zeigt eine Retrospektive in der Fondation Beyeler bei Basel mit vielen wichtigen Werken.

"Edward Hopper", Fondation Beyeler, Riehen bei Basel, 26. Januar bis 17. Mai

Edward Hopper "Cape Cod Morning", 1950
Foto: Smithsonian American Art Museum, Gene Young/© Heirs of Josephine Hopper / 2019, ProLitteris, Zürich

Edward Hopper "Cape Cod Morning", 1950


Angelika Kaufmann in Düsseldorf

Die Gemälde von Angelika Kauffmann (1741–1807) waren sehr begehrt. Ob in London, Rom oder Neapel - diese Künstlerin wurde für ihre Porträts und Historienbilder gerühmt. Die gebürtige Schweizerin wurde schon jung als Wunderkind gefeiert, sie erhielt Aufträge aus ganz Europa. Hundert Gemälde, Grafiken und Skulpturen zeigt der Düsseldorfer Kunstpalast. Die Kunstwerke kommen aus der ganzen Welt. Auch die Queen ist unter den Leihgebern.

"Verrückt nach Angelika Kauffmann", Kunstpalast Düsseldorf, 30. Januar bis 24. Mai
 

"David Hockney. Die Tate zu Gast" in Hamburg

Mit David Hockney, geboren 1937 in Bradford, präsentiert das Bucerius Kunst Forum einen der bedeutendsten Gegenwartskünstler Großbritanniens. Die retrospektiv angelegte Ausstellung widmet sich seinem vielseitigen Schaffen als Maler, Zeichner und Grafiker. Hockneys ständige Suche nach neuen Ausdrucksformen sowie die Möglichkeiten und Darstellungen von Perspektive, Wahrnehmung und Realität sind zentrale Aspekte der Schau. "Seine einfühlsamen Porträts und intimen Aktdarstellungen zeigen sein feines Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen und sein Interesse am männlichen Körper", hieß es. Mit Gemälden wie "The First Marriage", "Mr and Mrs Clark and Percy" oder auch "My Parents" sind zum ersten Mal einige der Hauptwerke David Hockneys in einer Ausstellung in Deutschland versammelt.

"David Hockney. Die Tate zu Gast", Bucerius Kunst Forum, 1. Februar bis 10. Mai


Jan Van Eyck in Gent

"Die größte Jan van Eyck-Ausstellung, die es je gegeben hat" - das ist nicht gerade ein Understatement. Und dabei geht es um gerade einmal zehn Gemälde des flämischen Meisters, die hier an einem Ort gezeigt werden sollen - was aber angesichts der Gesamtzahl von nicht mehr als 20 schon als Sensation gilt. Dazu kommen rund 100 Werke aus seinem Atelier, Kopien verlorener Werke und Arbeiten seiner Zeitgenossen aus dem Spätmittelalter.

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die seit 2012 restaurierten Außentafeln des Genter Altars, des Hauptwerks von Jan van Eyck (1390-1441). Die hier angewandte Malweise mit ihrer bis in mikroskopische Details durchgehaltenen Wirklichkeitstreue war so revolutionär, dass der Altar heute als Gründungsakt der neuzeitlichen Malerei gesehen wird. 

"Jan van Eyck - Eine optische Revolution", Museum voor Schone Kunsten, Gent, 1. Februar bis 30. April

 

"Fantastische Frauen" in Frankfurt am Main

Göttinnen, Teufelinnen und Nymphen kennt man für gewöhnlich von Malern. Doch der Surrealismus hatte viele Vertreterinnen, die noch lange nicht ausreichend besprochen und ausgestellt wurden. Wie sehr gerade diese Kunstrichtung mit der Psychologie verbunden war und warum man die Auseinandersetzung bislang scheute, zeigt eindrucksvoll die Schirn.

Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main, 13. Februar bis 24. Mai

 


Donald Judd in New York 

"Ich habe meine Arbeit immer als eine Art Handlung betrachtet", sagte Donald Judd. "Ich dachte nicht, dass ich Skulpturen mache." Das MoMA huldigt seiner revolutionären Herangehensweise an Form, Material und Sprache über Kunst mit der ersten US-Retrospektive seit über 30 Jahren.

Museum of Modern Art, New York, 1. März bis 11. Juli

 


Christo & Jeanne-Claude in Paris

Es ist überhaupt nicht zu unterschätzen, was ein Künstler wie Christo für die Wahrnehmung von Kunst getan hat: Denn selbst wenn Menschen nicht in Museen gehen, nehmen sie seine Aktionen wahr, die groß gedacht, gut ausgeführt und ästhetisch präzise sind. Das Centre Pompidou widmet ihm und seiner verstorbenen Partnerin eine große Retrospektive, die natürlich nie an eine echte Aktion heranreichen kann.

"Christo & Jeanne-Claude: Paris!", Centre Pompidou, Paris, 18. März bis 15. Juni 


Cindy Sherman in Paris 

In der Kunst von Cindy Sherman geht es immer um Cindy Sherman - aber immer in verschiedener Gestalt. Mehr als 500 Fotos in unterschiedlichsten Maskeraden hat Sherman in den vergangenen rund 40 Jahren von sich gemacht. Neuerdings stellt das "große Chamäleon unserer Zeit", wie die "New York Times" sie einmal nannte, die Bilder vorzugsweise auf Instagram

Mit Schminke, Perücken und einer Schatzkiste billiger Accessoires schlüpft Sherman in Rollen, mit denen sie Stereotypen unseres Alltags und der Popkultur entblößt und die inzwischen selbst zu Ikonen geworden sind, an denen sich andere Künstlerinnen und Influencerinnen abarbeiten. Der Pionierin der Selfie-Kultur widmet die Fondation Louis Vuitton in Paris nun eine große Ausstellung. 

"Cindy Sherman", Fondation Louis Vuitton, Paris, 1. April bis 31. August


Max Beckmann und die Kunst des Trauerns in Hamburg 

Die Hamburger Kunsthalle zeigt im Frühjahr eine große Max-Beckmann-Ausstellung. Die Schau untersucht erstmals die zahlreichen, oft widersprüchlichen Rollen von Weiblichkeit und Männlichkeit in den Werken von Max Beckmann (1884-1950). Vom 3. April bis zum 2. August sind rund 150 Gemälde, Plastiken und Arbeiten auf Papier zu sehen, wichtige Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen ergänzten dabei den umfangreichen Beckmann-Bestand der Hamburger Kunsthalle. "Beckmann schrieb Geschlechterrollen fest und öffnete sie zugleich, er fand Zartheit in Frauen- und in Männerfiguren, Schlagkraft in der Heldin wie im Helden", sagt Direktor Alexander Klar.

Dem Thema "Trauern" widmet sich eine Ausstellung vom 7. Februar bis 14. Juni. Zu sehen sind Werke von 30 Künstlern, die sich mit den Themen Verlust, Trauer und Wandel beschäftigen. Die Schau spanne dabei einen großen Bogen von den Miniatur-Särgen Kudjoe Affutus aus Ghana bis zu Andy Warhols (1928-1987) ikonischen Porträt "Jackie" von 1964. Weitere Ausstellungen widmen sich dem Renaissance-Künstler Raffael (1483-1520), dem italienischen Künstler Giorgio de Chirico (1888-1978) und der "Sammlung Wolffson - Von Menzel bis Monet".

"Max Beckmann: Weiblich - Männlich", Hamburger Kunsthalle, 3. April bis 2. August

"Trauern", Hamburger Kunsthalle, 7. Februar bis 14. Juni

 

Die wilden Zwanziger in Zürich

In Deutschland spricht man bis heute von den "Goldenen Zwanziger Jahren", das Kunsthaus Zürich dagegen überschreibt seine Epochenschau mit "Die wilden Zwanziger". Die Dekade, die vor genau 100 Jahren begann, sei eine Zeit der Aufbrüche und Rückfälle gewesen, schreibt das schweizerische Museum. "In keinem Moment des 20. Jahrhunderts war die Sehnsucht der Menschen nach Neuerungen so groß wie damals." Anders als bei manch früherer Ausstellung zu dem großen Jahrzehnt von "Babylon Berlin" werden in Zürich Stilrichtungen wie das Bauhaus, Dada, Neue Sachlichkeit und Modernismus in der Zusammenschau betrachtet. Der Fokus liegt außer auf Berlin auch auf Paris und Wien, dazu werden alle damals gängigen Darstellungsformen berücksichtigt: Malerei, Plastik, Zeichnung, Fotografie, Film und Collage.

"Schall und Rauch - Die wilden Zwanziger", Kunsthaus Zürich, 24. April bis 19. Juli

 

Keith Haring in Essen 

Der Poppigkeit und Lustigkeit der comichaften Figuren von Keith Haring lag immer ein ernstes, gesellschaftlich engagiertes Anliegen zugrunde. "Ich wollte Intensität für mein Leben", sagte der Künstler. Das Museum Folkwang zeigt eine dichte Überblicksschau mit frühen Zeichnungen, Videos, Performance und Malerei, darunter populäre Bilderfindungen wie das "Radiant Baby" und der "Barking Dog".

"Keith Haring", Museum Folkwang, Essen, 29. Mai bis 20. September

 

Manifesta 13 in Marseille

Die europäische Wanderbiennale Manifesta wird 2020 von einem Team aus Architekten kuratiert und findet in Marseille statt, einer Stadt des endlosen Transits. Unter dem Titel "Traits d’union.s" fragt die Manifesta 13 in Marseille: "Wie können wir nicht nur koexistieren, sondern auch tatsächlich zusammenkommen und neue Bindungen der Soli­darität schaffen?"

Manifesta 13, verschiedene Orte in Marseille, 7. Juni bis 1. November


Peter Lindbergh in Hamburg

Mit Peter Lindbergh (1944-2019) präsentiert das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg einen der einflussreichsten Modefotografen der vergangenen 40 Jahre. "Peter Lindbergh: Untold Stories" ist die erste von Lindbergh selbst kuratierte Werkschau, die er kurz vor seinem Tod Anfang September 2019 fertigstellte. Lindberghs Auswahl von 140 Arbeiten aus den frühen 1980er-Jahren bis in die Gegenwart beleuchte sein umfangreiches Werk und viele bislang unerzählte Geschichten. Ein Großteil der Aufnahmen wurde noch nie gezeigt, andere in internationalen Zeitschriften veröffentlicht.

"Peter Lindbergh: Untold Stories", Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg, 20. Juni bis 1. November  


Hito Steyerl in Düsseldorf

Auf Hito Steyerl schaut die Kunstwelt. Ihre Arbeiten werden auf der Documenta, bei den Skulptur Projekten Münster und der Biennale in Venedig gezeigt. 2017 kürte das internationale Kunstmagazin "Art Review" sie zur einflussreichsten Person der Kunstwelt. Die deutsch-japanische Künstlerin und Filmemacherin bekommt in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf ihre erste Retrospektive in Deutschland. Es geht um Künstliche Intelligenz und öffentliche Kunst in einer von finanziellen Interessen beeinflussten Kunstwelt. An der Schau sind das Centre Pompidou in Paris und das Stedelijk Museum, Amsterdam beteiligt.

"Hito Steyerl", Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen / K 21, 26. September bis 10. Januar 2021  

 

"Andy Warhol. Now" in London und Köln 

Keiner liebte das Neue so wie er, und auch an Andy Warhol lässt sich immer wieder ­etwas Neues entdecken. In Zusammenarbeit mit der Tate in London richtet das Museum Ludwig in dieser großen Retrospektive erstmals die Aufmerksamkeit auf seine Homosexualität und auf die Rolle seiner Mutter. Oft gesehen, immer noch geheimnisvoll, ein Must-see 2020.

Tate Modern, London, 12. März bis 6. September / Museum Ludwig, Köln, 10. Oktober bis 21. Februar 2021

Andy Warhol "Ladies and Gentlemen (Helen/Harry Morales)", 1975
Foto: ©2019 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. Licensed by Artists Rights Society (ARS ), New York

Andy Warhol "Ladies and Gentlemen (Helen/Harry Morales)", 1975


Jasper Johns in Philadelphia und New York 

Jasper Johns (geboren 1930) ist wohl der einflussreichste lebende amerikanische Künstler. Sein radikales und vielfältiges Werk der letzten 65 Jahre ist von ständiger Erneuerung geprägt. Das Philadelphia Museum of Art und das Whitney zeigen gleichzeitig eine Retro­spektive mit Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und Drucken, viele davon zum ersten Mal.

Philadelphia Museum of Art, Whitney Museum, New York, 30. Oktober bis 31. Dezember
 


"Yayoi Kusama"

Yayoi Kusama wurde durch ihre Auseinandersetzung mit repetitiven Mustern und Strukturen, ihre charakteristischen Polka Dots und Spiegelräume weltberühmt, sie ist eine der erfolgreichsten Künstlerinnen überhaupt. Die Ausstellung, die im Herbst im Gropius Bau zu sehen ist, wird in Zusammen­arbeit mit dem Museum Ludwig, der Fondation Beyeler und natürlich der Künstlerin selbst konzipiert.

Gropius Bau, Berlin, 4. September 2020 bis 17. Januar 2021 / Museum Ludwig, Köln, ab April 2021 / Fondation Beyeler, Riehen, ab Oktober 2021

Kusama
Foto: Courtesy Yayoi Kusama / Collection of Ota Fine Arts

Yayoi Kusama "Infinity Mirror Room - Phalli's Field", 1965


Freud und Dalí in Wien 

Sigmund Freud ist bereits todkrank, als er 1938 den jungen spanischen Maler mit dem zarten Lippenbärtchen und geölten Haar empfängt. Ein gewisser Salvador Dalí, der schon seit Jahren versucht hat, einen Termin bei dem weltberühmten Begründer der Psychoanalyse zu bekommen. Auf dessen Lehre baut der Traummaler seine ganze Kunst auf. Als er dem Idol nun gegenübersitzt, um ihn zu porträtieren, ist er hochgradig nervös - zumal sich die beiden aufgrund unterschiedlicher Sprachen kaum verständigen können. Das Belvedere in Freuds Heimatstadt Wien nimmt die legendäre Begegnung nun zum Ausgangspunkt für die Verbindung zwischen Surrealismus und Psychoanalyse. 

"Dalí - Freud", Belvedere, Wien, 23. Oktober bis 7. März 2021
 

Rembrandt in Frankfurt am Main 

Das Städel Museum verhält sich antizyklisch und bringt ein Jahr nach dem 350. Todestag eine große Rembrandt-Ausstellung. Eigentlich gar keine schlechte Idee, denn in einem Jubiläumsjahr konkurrieren natürlich immer gleich mehrere Museen um die besten Leihgaben. Gleichzeitig bemüht sich das Städel um einen neuen Ansatz: Es gab schon mal was zum frühen Rembrandt und des öfteren zu seinem legendären Spätwerk. Deshalb setzen die Frankfurter jetzt auf die mittleren Jahrzehnte - unter dem Motto: "Rembrandts Aufstieg zum Ruhm". Es waren die Jahre, in denen er der gefragteste Maler der Wirtschaftsmetropole Amsterdam war. Was dem Museum in der Bankenstadt Frankfurt dann auch gleich die Möglichkeit gibt, nebenbei eben dieses Amsterdam zu porträtieren, damals ein Labor des Kapitalismus.

"Nennt mich Rembrandt! Durchbruch in Amsterdam", Städel, Frankfurt am Main, 9. Dezember bis 5. April 2021

 

Über die Highlights im Kunstjahr 2020 spricht Monopol-Chefredakteurin auch im Radio bei Detektor FM