Social-Media-Gigant Meta unter Druck

Die Anschuldigungen wiegen schwer

Klage gegen Meta nach Hetze in Facebook-Gruppen erfolglos
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Auch in hierzulande muss Meta sich verantworten: Vor dem Landgericht Berlin zeigen Menschen vergangene Woche ihre Unterstützung vor dem Beginn der Verhandlung der Grundsatzklage der Deutschen Umwelthilfe gegen den US-Internetriesen. Hintergrund der Klage sind Gewalt- und Morddrohungen in öffentlichen Facebook-Gruppen

Der Internetriese Meta schade nach Meinung von 33 US-Bundesstaaten Kindern und Jugendlichen. Sie haben deshalb Klage geben den Mutterkonzern von Facebook und Instagram eingereicht. Bröckelt das Imperium?

Dass soziale Medien wie Instagram nicht gut für die Seele sind, wird schon lange diskutiert. Ende des letzten Monats reichten 33 Generalstaatsanwälte in den USA Klage gegen das Unternehmen Meta ein, zu dem Facebook, Instagram und WhatsApp gehören. Darunter die Bundesstaaten Kalifornien, Oregon, Michigan und New York. Kern der rechtlichen Beschwerde ist, dass Meta seine Plattformen Instagram und Meta absichtlich so konzipiere, dass Kinder und Jugendliche in enge Abhängigkeiten gedrängt werden.

Schwächen in der psychologischen Entwicklung von Kinder seien bewusst ausgenutzt worden. Darunter impulsives Verhalten, Anfälligkeit für Gruppendruck und allgemeine Fehleinschätzung von potentiellen Risiken. 

Zwar dürfen Jugendliche unter 13 die Plattformen offiziell nicht benutzen, allerdings würden die allerwenigsten Accounts von Kindern gesperrt. Es ist die Rede von bis zu 2,5 Millionen Konten von unter 13-Jährigen, die trotz millionenfach vorhandenen Beschwerden weder deaktiviert noch anderweitig gesperrt wurden. 

Too big to fail?

Meta hatte in der Vergangenheit zwar stets betont, dass für solche Fälle Maßnahmen ergriffen würden und eigene Tools entwickelt worden seien. Die Praxis sehe aber anders aus, so die Generalstaatsanwälte. Man hätte seine Geschäftspraktiken sogar bewusst verschwiegen und versucht zu vertuschen. Meta sei somit wesentlich für die große mentale Gesundheitskrise Jugendlicher in den USA mitverantwortlich, indem man bewusst versucht hätte, junge Menschen von seinen Plattformen abhängig zu machen.  

Nun wurde diese Beschwerde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht – und die Anschuldigungen wiegen schwer. Auf der einen Seite sind diese Vorwürfe Kritiker:innen nicht neu und ein offenes Geheimnis in der Medienwelt, andererseits könnte so ein Fall den Druck auf die Betreiber sozialer Netzwerke erhöhen und tatsächlich schärfere Kontrollen und Maßnahmen erzwingen. 

Denn wie es scheint, glaubt das Milliardenunternehmen wie so oft, man sei zu groß, um zu scheitern (too big to fail). Schafft man hier einen Musterfall, könnte dieser auch Konsequenzen für andere Plattformen wie X, TikTok, Snapchat und YouTube mit sich bringen. Die zentralen Anklagepunkte lesen sich in etwa wie folgt. 

 

  1. Metas Geschäftsmodell basiert darauf, die Zeit, die junge Menschen auf den Plattformen verbringen, möglichst zu maximieren. Mitarbeitenden bietet das Unternehmen Anreize und Boni, wenn sie Technologien entwickeln, diese Plattformzeit zu erhöhen. Je mehr Zeit auf Instagram und Facebook verbracht wird, desto mehr verdient Meta durch Werbung, die exakt auf Kinder und Jugendliche zugeschnitten ist. 
     
  2. Meta hat eine Reihe von psychologisch manipulativen Funktionen entwickelt und verfeinert, die darauf abzielen, die Zeit auf seinen Plattformen zu maximieren. Meta ist sich bewusst, dass Gehirne junger Menschen besonders anfällig für bestimmte Formen der Manipulation sind. Diese Schwächen werden durch gezielte Funktionen ausgenutzt. Darunter Dopamin-manipulierende Empfehlungsalgorithmen, Likes und soziale Vergleichsfunktionen, deren Schädlichkeit bereits bekannt ist. Des Weiteren nutzt Meta audiovisuelle und haptische Benachrichtigungen, um Kinder auch zu Schulzeiten und nachts an die Plattformen zu binden, hinzu kommen visuelle Filterfunktionen, die die Körperdysmorphie junger Menschen fördern, und Funktionen wie endloses Scrollen, die bewusst die Selbstregulierung und Maßfindung bezüglich der Plattformnutzung erschweren, wenn nicht unmöglich machen. Meta hat bei seiner Vermarktung diese Funktionen als ungefährlich und nicht manipulativ ausgewiesen. Das Unternehmen hat stets betont, dass die Gestaltung der Plattformen so ausgelegt sei, dass der Konsum sicher und nicht ungesund sei. Diese Darstellungen sind, so die Anklageschrift, ausdrücklich und implizit falsch und irreführend. 
     
  3. Regelmäßig veröffentlichte Meta irreführende Berichte, die über kaum nennenswerte negative und schädliche Erfahrungen von Usern berichteten. Damit wollte man öffentliche Bedenken hinsichtlich der Schäden an Kindern und Jugendlichen bewusst verhindern. 
     
  4. Trotz der wissenschaftlich erforschten Zusammenhänge zwischen Social-Media-Nutzung und psychischen wie physischen Schäden an jungen Menschen wurden die Auswirkungen der Plattformen durch Meta verschwiegen und heruntergespielt. Forschungen haben belegt, dass die Nutzung von Meta-Plattformen mit Depressionen, Angstzuständen, Schlaflosigkeit, Beeinträchtigungen bei Schulbildung und Alltag und vielen anderen negativen Resultaten verbunden sind. Interne Studien, die durch Meta in Auftrag gegeben wurden, beweisen, dass Meta seit Jahren über die Gefahren seiner Geschäftspraktiken weiß. 

 

Jene internen Studien wurden durch die Whistleblowerin Frances Haugen vor zwei Jahren an die Öffentlichkeit gebracht. Die Generalstaatsanwälte verweisen ebenfalls darauf, dass Meta gegen den Children's Online Privacy Protection Act verstoße, da es unrechtmäßig personenbezogene Daten seiner jüngsten User ohne elterliche Zustimmung sammele und diese ohne Einschränkung für die Vermarktung von Werbung nutze. Diese Praktiken stufen die Ankläger als rechtswidrig, ausbeuterisch und schädlich ein. Und anstatt jene gesellschaftlichen Schäden zu erkennen und zu beheben, würde Meta genau diese Praktiken auf neue VR-Plattformen wie das markeneigene Metaverse und Horizon Worlds ausweiten.

Seit Jahren hält Meta an seiner Geschäftsstrategie fest. Mittlerweile bestimmt das Unternehmen einen großen Teil des weltweiten Werbemarkts. Wieso sollte es also freiwillig etwas an seiner Strategie ändern? Man wird sehen müssen, ob dieser Fall ein nächster Knallkörper ohne große Wirkung ist oder tatsächlich die zweifelhaften und gesellschaftszersetzenden Machenschaften dieses Imperiums in Frage stellen wird. 

Aber am Ende ist es wie mit der Tabakindustrie. Auch hier hat die Branche jahrzehntelang mit eigenen Studien und aufwändigem Marketing versucht, die Gefahren des Rauchens runterzuspielen. Man kann von Seiten der Politik über die Jahre viel regulieren, aufklären und verbieten. Ein per se ungesundes Produkt gesund zu machen, scheint allerdings unmöglich. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.