Investoren-Projekt Enhanced Games

Doping ausdrücklich erwünscht

Die Unternehmer Aron D’Souza und Christian Angermayer wollen mit den Enhanced Games den Sport mit allen bisher verbotenen Hilfsmitteln nach vorn bringen
Foto: Enhanced Games

Die Unternehmer Aron D’Souza und Christian Angermayer wollen mit den Enhanced Games den Sport mit allen bisher verbotenen Hilfsmitteln nach vorn bringen

Wenn Doping sowieso den Sport bestimmt, warum es dann nicht gleich erlauben? Mit den Enhanced Games wollen ein paar superreiche Investoren Wettbewerbe etablieren, in denen alle Hilfsmittel gestattet sind. Ist das ein Menschenexperiment?

Höher, schneller, weiter: Darum wird es auch diesen Sommer gehen, wenn in Paris die Olympischen Sommerspiele stattfinden. Welche Rekorde werden diesmal gebrochen? Wer wird der/die nächste Bob Beamon, Larissa Latynina, Birgit Fischer oder Michael Phelps? 

Wenn es um menschliche Höchstleistungen geht, ist Doping allerdings bekanntlich nicht weit. In der DDR und Sowjetunion wurden Sportlerinnen und Sportler systematisch mit verbotenen Substanzen vollgepumpt, hier wurden junge Menschen zu weichen Projektilen im Kalten Krieg. Wir erinnern uns an den legendären Fall von Ben Johnson 1988 in Seoul - und wer weiß, wieviele Goldmedaillen aberkannt werden müssten, hätte man in der Geschichte wirklich jeden einzelnen Dopingfall aufdecken können. 

Daher steht der Leistungssport seit Ewigkeiten in der Kritik. Bei der Tour de France geht man kaum noch davon aus, dass nicht geschummelt wird. Auch Diego Maradona konnte lange unbehelligt auf Koks kicken, bis der italienische Verband beleidigt nach der WM-Niederlage 1990 gegen Argentinien dem Jahrhundertfußballer die Doping-Fahndung auf den Hals hetzte. 

"Safer Sports" durch mehr Doping?

Geht es nach den Machern der Enhanced Games, soll diese Bigotterie für immer ein Ende haben. Milliardenschwere Investoren, unter ihnen Peter Thiel und Christian Angermayer, versuchen einen Sportwettbewerb aufzustellen, bei dem Doping ausdrücklich erlaubt ist. Nächstes Jahr sollen die ersten Wettbewerbe stattfinden. Derzeit wird eine Doku geplant, an der Regisseur Ridley Scott und der Schauspieler Rob McElhenney beteiligt sind. 

Letzterer sorgte für Aufsehen, als er zusammen mit seinem Kollegen Ryan Reynolds den walisischen Fußballclub Wrexham AFC übernahm und medienwirksam (inklusive unterhaltsamer TV-Doku) aus der Unterklassigkeit zurück in den Profifußball holte. Im letzten Jahr kauften sich beide auch noch in den Formel-1-Stall Alpine ein. 

Wieso also Doping nicht gleich erlauben, so die Befürworter der Enhanced Games, wenn es ohnehin einen Großteil des Sports ausmacht und für unfaire Bedingungen sorgt? Wäre Doping legal, dann würde das für ein sichereres Umfeld für die Sportlerinnen und Sportler sorgen. Fortschritte in der Medizin könnten direkt bei diesen Spielen getestet werden. "Safer Sports" nennt sich das euphemistisch. 

Hilfe für die finstere Milliardärsutopie

Das soll nicht nur auf Steroide oder Anabolika beschränkt bleiben. Auch Prothesen und andere Technologien werden erlaubt. Präsident der Enhanced Games ist der australische Unternehmer Aron D’Souza. Geht es nach ihm und den in Deutschland geborenen Investoren Thiel und Angermayer, helfen die Enhanced Games ebenso der finsteren Milliardärs-Utopie, das menschliche Leben soweit es geht zu verlängern. 

Ob mit Gen-Editing, Crispr, Robotik oder eben Pharma: Die Abschaffung des Sterbens ist ein Wunsch, an dem im Silicon Valley schon länger geforscht wird. Denn wer einmal Milliarden gescheffelt hat, will auch mehr Zeit haben, das Geld ausgeben zu können. Das wird in einer normalen Lebensspanne wirklich schwierig. Und auch, wenn von offizieller Seite betont wird, dass die Freiheit der Athleten im Vordergrund stünde, verstärkt sich doch immer mehr der Eindruck, dass der Mensch hier zum freidrehenden Experimentierfeld wird. Das erinnert an den "Sechs-Millionen-Dollar-Mann", in dem Steve Austin, gespielt von Lee Majors, mit Bionik vollgepumpt als Cyborg-Agent Handlanger des US-Militärs wird. 

Marketing können D’Souza und seine Partner indes gut. Gewettert wird gegen den korrupten Verband IOC, seine stets größer werdende Nähe zu Despoten und Autokratien. Nicht zuletzt sollen die Sportlerinnen und Sportler großzügig honoriert werden. Gerade in klassisch olympischen Disziplinen wie Leichtathletik, Schwimmen oder Gewichtheben verdienen die Sportlerinnen und Sportler trotz jahrelanger Vorbereitung und hartem Training oft sehr wenig bis gar nichts. 

Geguckt wird immer

Die Enhanced Games wollen für jeden gebrochenen Weltrekord eine Millionen-Prämie ausschütten. Die Skepsis und Kritik überwiegt derzeit bei vielen. Es bleibt abzuwarten, ob die ersten Wettbewerbe wirklich wie geplant nächstes Jahr stattfinden werden. Aber Geld kann viel bewegen, das sieht man nicht nur im Profi-Fußball oder Golf, wo plötzlich Länder wie Katar und Saudi-Arabien eine Menge mitzureden haben. 

Und auch, wenn noch viele gegen eine europäische Super League sind: sollte sie einmal starten, werden die Zuschauer gewiss nicht fehlen. Ein wichtiges Vehikel für die Enhanced Games dürfte die eingangs erwähnte Doku sein, die, so wird vermutet, bei Netflix ausgestrahlt wird. Dort produzierte Sport-Serien wie "Drive to Survive" konnten beispielsweise der Formel 1 nach einer langen Identitätskrise zu einem enormen Popularitätsschub verhelfen. Einige Ex-Olympioniken zeigten bereits ihr Interesse an den Enhanced Games, in der Hoffnung, dass man auch mit über 40 dank Pharma und Technik wieder konkurrenzfähig wird. 

"Science is real", lautet das Credo dieser Spiele. Aber um welche Wissenschaft geht es hier eigentlich? Und wenn es tatsächlich keine Limits bezüglich Manipulation geben soll: Wann wird die erste Drohne oder der erste Roboter ins Rennen geschickt? Und welche Regularien wird es dann geben, die definieren, was ein Sportler ist und was nicht? Wieviel Cyborg kann man sein, dass man noch als Mensch durchgeht?