Coronakrise

Unsicherheit und Kreativität bei Galerien im Lockdown

Der Lockdown wird verlängert, aber einige Galerien eröffnen dennoch Ausstellungen. Die Branche sucht in einer schwierigen Zeit nach einem Modus Operandi. Der Galerienverband warnt vor Übertretungen der Coronabestimmungen

Normalerweise wäre nun, Mitte/Ende Januar, eine schöne Zeit für Galerien: Die Weihnachtspause ist vorbei, erste Kunstmessen und neue Ausstellungen würden das neue Jahr einläuten, man sortiert sich und schaut nach vorn. Im Januar 2021 ist jedoch alles anders. Mitte Dezember wurden die Coronamaßnahmen auf den Einzelhandel erweitert – und seither sind auch die Galerien geschlossen. 

Am Dienstag einigten sich Bund und Länder auf eine Verlängerung des Lockdowns bis Mitte Februar. Da irritiert es zunächst, wenn Galerien für diese Woche Ausstellungseröffnungen ankündigen. Peres Projects etwa zeigt ab Freitag Rebecca Ackroyd in Berlin. Man habe "das Programm fortgesetzt, um virtuelle Besuche zu ermöglichen, bis persönliche Treffen möglich sind", heißt es auf Nachfrage. Auch andere Galerien schaffen mit aufwendig aufgebauten Ausstellungen, die eigentlich niemand vor Ort sehen kann, eine Grundlage für digitale Präsentationen. 

Doch stehen sie auch für Einzelbesuche offen? Nachfrage bei einer weiteren Berliner Galerie, die diese Praxis dann tatsächlich bestätigt und deshalb auch nicht genannt werden möchte: "Wir haben niemanden dazu ermutigt, vorbeizukommen. Da jedoch immer ein(e) MitarbeiterIn oder wir selbst vor Ort sind (die anderen sind im Homeoffice), wird ein(e) BesucherIn, der/die klingelt, dann auch eingelassen. BesucherInnen und KundInnen, die sich vorab telefonisch oder per Email ankündigen, werden ebenfalls eingelassen."

Kristian Jarmuschek, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Deutscher Galerien (BVDG), warnt ausdrücklich vor solchem Vorgehen. Einige Galerien hätten bereits Abmahnungen von den Behörden bekommen, berichtet er. Galerien sollten auf ihren Websites nicht den Eindruck erwecken, dass sie nach Vereinbarung zu besuchen wären. "Galerien gehören zum Einzelhandel, und der hat im Moment geschlossen zu sein. Mit Ausnahme des Lebensmittelhandels, Apotheken, Fahrradläden und ein paar weiteren.“

Allerdings gibt es in einigen Bundesländern, etwa in Berlin, die Möglichkeit des "Click & Collect": Im Internet oder telefonisch bestellte Ware kann unter Einhaltung der Hygienebestimmungen vor Ort abgeholt werden. Darin sieht auch Jarmuschek kein Problem.

Ausstellungen sind keine Boutique-Auslagen

Viele Galerien setzen also aufs Digitale oder experimentieren mit anderen Möglichkeiten des kontaktlosen Kunsterlebnisses. Die Düsseldorfer Galerie Sies & Höke installiert gerade eine Ausstellung von Hedda Schattanik und Roman Szczesny, die komplett von der Straße aus zu erfahren ist. Dafür wurden die Räume speziell präpariert. Die Berliner Galerie Wentrup hat auf ihrem großen Fenster, durch das Passanten die aktuelle Olaf-Metzel-Schau sehen können, einen QR-Code angebracht, mit dessen Hilfe sich ein Film auf dem Handy öffnet, in dem der Künstler sein Ausstellung erklärt. 

Die Suche der Galerien nach einem Modus Operandi zeigt, wie problematisch ihre Einordnung unter "Einzelhandel" ist. Galerien sind eben nicht einfach Geschäfte, Ausstellungen keine Boutique-Auslagen. Die Arbeitsweise einer Galerie, die Veranstaltungen, Messeteilnahmen, ein festes Programm, Printprodukte und den Austausch mit Institutionen umfasst, erinnert eher an Verlage oder Literaturagenturen als an Shops. Da kann Betreiberinnen und Betreibern schnell die Idee kommen, dass gelegentliche Arbeitstermine in der Galerien möglich sein müssten. Hinzu kommt, dass beispielsweise in Berlin der Buchhandel geöffnet ist, Galerien aber geschlossen sein müssen. Wie lässt sich diese Unterscheidung solide begründen?

Der freudlose Januar wird zudem bei einigen Galerien weiter getrübt durch Konsultationen mit ihren Steuerberaterinnen und Steuerberatern: Die empfehlen laut Kristian Jarmuschek nun oft, erhaltene Soforthilfen lieber zurückzuzahlen, da die Umsatzeinbußen 2020 doch nicht so hoch ausgefallen seien, wie erwartet. Jarmuschek widerspricht: "Umsatzeinbußen von 30 Prozent sind nicht nur erheblich, sondern laut Galerienstudie von 2020 der durchschnittliche Verlust. Durchschnitt bedeutet: Bei manchen Galerien sind die Verluste höher, bei manchen geringer. Alle erwarten jedenfalls ein deutlich schwieriges Jahr 2021 mit Verlusten um 40 Prozent. Hinzu kommt: Umsatz ist nicht Gewinn. Weil die Galerien von ihren Umsätzen die Hälfte an die Künstler abführen, aber eine viel größere Steuerlast als die Künstler haben und neben Betriebskosten noch weitere Abgaben leisten müssen, kommt unter dem Strich viel zu wenig heraus."

Auch dass Galerien längerfristig Rücklagen brauchen, um nach dem Ende der Coronamaßnahmen wieder Geld für Messeteilnahmen und andere Ausgabe verfügbar zu haben, wird dabei nicht bedacht. "Es gibt auf staatlicher Seite keine Vorstellung davon, wie Galerien  arbeiten", so Jarmuschek. Deshalb bemühe sich der Verband darum, Modalitäten der Förderung selbst auszuhandeln.

Hier verweist der BVDG auf den jüngsten Erfolg in der Zusammenarbeit mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien: Im Rahmen der Initiative "Neustart Kultur" haben die Galerien formuliert, welche staatliche Unterstützung sie von Monika Grütters zum Ausstellungsmachen brauchen; immerhin ist dies das kulturelle Kerngeschäft der Galerien. Die Ausschreibung ist gelaufen, fast 400 Förderanträge bewilligt. Ein Lichtblick in diesem dunklen Januar.