Künstler in den sozialen Medien

"Ich habe eine Arbeit fertiggestellt, die Ihnen gefallen könnte"

Der Kunstwissenschaftler Stefan Heidenreich und der Unternehmer Magnus Resch fordern, dass Museen das Publikums entscheiden lassen, was es sehen will. Von Künstlern erwarten sie Kundenfreundlichkeit. Ist das in den sozialen Medien nicht nervig?

Eine Ausstellung ist gut, wenn sie auf Instagram gefeiert wird, ein neues Zielpublikum erreicht, hohe Besucherzahlen hat und Sponsorengelder einbringt, sagte Magnus Resch im Interview mit Monopol. Eine Ausstellung ist ein finanzieller Erfolg, wenn die Zahlen stimmen. Ob die Ausstellung auch inhaltlich gut ist, darüber geben besonders Sponsorengelder keine Auskunft. Inhalte aber scheinen Resch und seinen Co-Autor Stefan Heidenreich nicht besonders zu interessieren, wie man auch einem Essay in der "Zeit" entnehmen konnte.

Sie beklagen außerdem, dass Künstler nur Sammlern und Kuratoren gegenüber kundenfreundlich sind, nicht aber ihrem Publikum. "Wir hoffen", so Heidenreich im Monopol-Gespräch, "dass sie gegenüber dem Rest der Bevölkerung auch kundenfreundlicher werden. Aber dafür müssten sie wissen, was dort gut ankommt."

Wie Künstler zu diesem Wissen kommen sollen, darüber geben die beiden keine Auskunft. Auch nicht darüber, wie das Publikum an sein Wissen kommt, um Künstler für Ausstellungen auszuwählen, die nicht Picasso, Monet oder Van Gogh heißen.

Sind Künstler schlecht, wenn sie sich den sozialen Medien verweigern?

Wenn man tatsächlich einmal einen Blick auf Besucherzahlen wirft, dann ziehen ja besonders Blockbuster-Ausstellungen, die immer und immer wieder die großen Namen der Kunstgeschichte feiern (meist die männlichen). Will das Publikum also dringlich etwas anderes sehen, wie Resch und Heidenreich annehmen? Und welche Ausstellungen performen eigentlich auf Instagram? Gibt es dazu schon eine Studie von Resch?

Das Ergebnis wird vermutlich ernüchternd sein, weil Pop-up Museen wie das Museum of Ice Cream und das Museum of Selfies auf den vorderen Plätzen landen werden. Die sozialen Medien sind der Ort, an dem Künstler und Publikum aufeinander treffen. Sind Künstler also schlecht, die sich den sozialen Medien verweigern, weil sie auf Sichtbarkeit und Kundenkontakt und ein neues Zielpublikum verzichten? 

Kolja Reichert stellte jüngst in der "FAZ" die Frage, warum von Künstlern überhaupt erwartet wird, dass sie den Betrachtern entgegenkommen? "Das Perfide am 'Zeit'-Essay war", schreibt Reichert, "dass er nicht nur pauschal die Lebensleistung von Künstlern entwertet. Sondern auch die ganze Geschichte von Demokratisierungsversuchen in der Kunst ausblendete." Und es geht noch weiter: Perfide ist vor allem auch, dass Heidenreich und Resch immer wieder die sozialen Medien als ein wichtiges Beispiel für den Fortschritt in der Kunstwelt anbringen, was dort allerdings passiert, darüber verlieren sie kein Wort.

Wie sähe simples Marketing für Künstler aus?

Wie kundenfreundlich sind Künstler heute? "Entweder die Kunst verliert sich in einem Kult leerer Exklusivität – oder aber sie wendet sich dem Publikum zu", so Heidenreich und Resch. Ich finde es sehr kundenfreundlich, dass mich zahlreiche Künstler in den sozialen Medien täglich darüber informieren, woran sie arbeiten und welche Ausstellung eröffnet. 

Nichts gegen die informativen Mails von Netflix. Aber stellen wir uns doch einmal vor, Künstler würden aus Gründen der Kundenfreundlichkeit in den sozialen Medien auf simples Marketing setzen. "Top-Vorschläge für Sie: Jetzt im Museum XY". Oder "Derzeit beliebt: Ausstellung XY". Oder "Ich habe gerade eine Arbeit fertiggestellt, die Ihnen gefallen könnte". Oder "Ebenfalls kürzlich hinzugefügt: Arbeit XY". 

Wie also wenden sich Künstler ihrem Publikum zu? Nach den Kriterien von Heidenreich und Resch wäre der Stuttgarter Tim Bengel, der mit Sand malt, wohl ein guter Künstler. Bengel hat über 300.000 Follower, er erreicht also ein neues Zielpublikum, ist sichtbar und wird auf Instagram gefeiert. Er zeigt sich dort im Wesentlichen vor oder neben einer Arbeit stehend. Das könnte man effektiv nennen. Kunst und Künstler nebeneinander auf dem Foto, im Text darunter Infos zum neuen Werk oder zur laufenden Ausstellung. Und natürlich ist das dicht dran an den Mails von Netflix. Aber das Publikum bekommt, was es braucht und sehen will: News und den Künstler.

"Fertig" ruft der Künstler, "Eröffnet!"

Den malenden Künstler im Atelier bekommt man auf Instagram sehr selten zu sehen, das Atelier selbst aber ist nach wie vor der Ort der Selbstinszenierung des Künstlers. Während Georg Friedrich Kersting im Jahr 1812 Caspar David Friedrich in einem kargen Raum malend vor seiner Staffelei porträtierte, zeigen sich heute Künstler im Atelier lieber neben der fertigen Arbeit. Instagram ist schließlich die Plattform, auf der Menschen perfekte Bilder vom perfekten Leben teilen, also erzählen auch Künstler Erfolgsgeschichten.

"Fertig!", rufen sie. "Eröffnet!", lassen sie uns wissen. Der britische Maler Oli Epp ist besonders gut darin, sein Publikum auf dem Laufenden zu halten. Epp hat im Jahr 2017 für seine Malerei den Begriff Post-Digital Pop geprägt, er bringt auf der Leinwand Pop Art und Post-Internet Art zusammen, also Konsum und Internetkultur. Seine Figuren zwischen Mensch und Wurm leiden entweder am digitalen Zeitalter oder versuchen sich mit Baseballcap auf dem Kopf und Apple-Kopfhörern in den Ohren an Coolness.

"Heute hat die @latimes eine sehr durchdachte und glühende Rezension zu meine Soloausstellung bei @richardgallery geschrieben", steht in einer Bildunterschrift, das Foto dazu zeigt ihn lachend vor einer Arbeit in seinem Studio sitzen. Man kann Epp aber auch dabei zusehen, wie er ein Gemälde an die Wand hängt oder an einem Bild malt.

 


Als dieses Jahr zum Gallery Weekend in Berlin seine Ausstellung bei Duve eröffnete, überschlug sich das deutsche Feuilleton. "Kunststar Oli Epp: Wie man mit einem einzigen Instagram-Post zum Millionär wird", schrieb die "Welt". Das stimmt natürlich nicht. Wenn man Epps Postings auf Instagram ansieht, könnte man das allerdings glauben. Fast täglich scheint eine Ausstellung irgendwo auf der Welt zu eröffnen und fast immer ist er mit seiner Kunst auf irgendeinem Titel eines Magazins.

Der Erfolg von Epp, selbstgemacht in den sozialen Medien und nicht durch jahrelange Galeriearbeit, verleitete Holger Liebs in der FAS dazu, ein dystopisches Zukunftsszenario zu entwerfen. Liebs nimmt uns mit in das Jahr 2049: "Die wenigen Megagalerien, die noch Ausstellungen veranstalten, sind im Grunde Feelgood-Schaufenster. Sie werden alle jeweils von einem der drei großen As besessen, Alphabet, Amazon und Apple, die ohnehin fast alles besitzen. Aus den früher wichtigsten Galerien Zwirner, Gagosian und Hauser & Wirth ist das Amalgam Zwirthagosian geworden, welches seine 24-Stunden-Betreuung der Sammler vor allem über Instagram erledigt." Das kann einen natürlich verunsichern, dass ein junger Künstler im Zeitalter der sozialen Medien erst einmal keine Galerie braucht, um sich einen Namen zu machen.

Lasst Katzen sprechen

Und man kann sich als Künstler natürlich unwohl dabei fühlen, ständig wie ein digitaler Werbeprospekt daherkommen zu müssen. Die kanadische Malerin Chloe Wise und der deutsche Maler Christian Hoosen nehmen der Selbstinszenierung auf Instagram die Ernsthaftigkeit, ohne allerdings darauf zu verzichten. Wise, die gerade Teil einer Gruppenausstellung bei Gagosian war, lenkt die Aufmerksamkeit gerne mal auf ihre Katze Pluto. Wenn sie beispielsweise auf einen Magazin-Titel hinweist, schreibt sie: "Pluto wants you to see his cover for the American L’Officiel."

Und tatsächlich, Wise hält auf dem Titel-Foto für das Magazin ihre Katze im Arm. Die Katze reden zu lassen ist selbstverständlich angenehmer als irgendwie bescheiden zu umschreiben: "Hier! Titel! Geil!" Oder: Vordergrund Katze, Hintergrund Gemälde. Die Ausstellungseröffnung soll zur Nebensache werden


Christian Hoosen hat keine Katze, dafür aber einen umgestülpten Trichter, den er auf dem Kopf trägt, wenn er vor einem seiner Gemälde steht. Hoosen gibt mir per Instagram-Direktnachricht Auskunft darüber, was es damit auf sich hat: "Als ich mit meiner Zeitmaschine gefahren bin, habe ich Bosch getroffen und der hat mir gesagt, dass das cool aussieht. Er selbst hat den Trichter oft gemalt, die Interpretation lautet wie folgt: Der Quacksalber ist mitten in der Operation. Er trägt einen umgestülpten Trichter auf dem Kopf, das von Bosch geprägte Symbol für trügerische Absichten. Er schirmt sich gegen den Himmel und damit gegen den Segen Gottes ab. Für die Person in meinem Atelier ist der Trichter dazu da, sich gegen den Himmel und den Segen Gottes abzuschirmen. Diese Person bin nicht ich, sondern der Mann. Wir kennen uns flüchtig." Es ist dann doch manchmal einfacher, andere für sich in den Mittelpunkt zu schieben, wenn es um Eigenwerbung geht.

Es ließen sich noch unzählige weitere Beispiele von Künstlern anführen, die wissen, wie sie ihr Publikum unterhalten und gleichzeitig auf dem Laufenden halten. Durch ihre Präsenz in den sozialen Medien wissen sie außerdem, was ankommt und was nicht. Ein guter Künstler im Zeitalter der sozialen Medien macht also gute Kunst und gute Eigenwerbung.