Sarah Lucas in London

Lachgas für Kevin und Florian

Sarah Lucas "Sandwich", 2004-2020
Foto: © Sarah Lucas, Courtesy Sadie Coles HQ

Sarah Lucas "Sandwich", 2004-2020

Die Tate Britain widmet der Künstlerin Sarah Lucas gerade eine große Retrospektive. Weihevoll ist diese jedoch ganz und gar nicht - sondern ein großer Spaß aus Surrealismus, Pub-Humor und Genitalien 

Kaum zu glauben, dass Sarah Lucas schon 61 ist. Denn ihre Kunst hat immer noch den Gestus einer jungen, furiosen Frau. Vielleicht liegt es daran, dass sie ein Kind der Punk-Ära ist. Ihre Arbeiten sind offensiv und direkt, die haben etwas bewusst Unvollendetes, Schmuddeliges, Selbstgemachtes.

Die Tate Britain zeigt keine klassische Retrospektive. Dazu fehlen dem Ganzen die Weihe und der Charakter eines bereits abgeschlossenen Œuvres. "Happy Gas" nannte Sarah Lucas die Ausstellung und bezieht sich damit auf das Lachgas, das derzeit von britischen Jugendlichen aus kleinen silbernen Patronen als Droge konsumiert wird. Der Titel ist so ambivalent anspielungsreich wie ihre aus dem Ausdrucksrepertoire der Surrealisten schöpfende Kunst. 

Draußen vor dem Eingang der Tate liegen zwei je vier Meter lange phallische Riesen-Zucchini aus Beton, denen Lucas die Namen "Kevin" und "Florian" gab. Sie bezog die Idee dazu von Gärtnerwettbewerben, bei denen Männer um die Produktion des größten Riesengemüses konkurrieren. Das sei purer britischer Pub-Humor, lobte die Londoner "Times" hingerissen.

Sex, Genussmittel und Konsumgüter

Bei Sarah Lucas geht es oft um Sex, Genussmittel und Konsumgüter, am liebsten in kruder Vermischung. Mit Spiegeleiern auf den Brüsten in ihrem Werk "Self Portrait With Fried Eggs" (1996) und einem gerupften Huhn als Genital-Ersatz in "Chicken Knickers" (1997) spielte sie überhaupt nicht subtil mit Klischees der Weiblichkeit. Mehr als ein Dutzend ihrer "Bunnies" paradieren im zentralen Raum der Ausstellung: ausgestopfte Nylonstrümpfe, die in sonderbaren Verrenkungen auf Stühle gegossen sind, eine böse Anspielung auf Playboy-Bunnies vielleicht. 

Sie tragen Namen wie "Peeping Thomasina", "Cherry" oder "Honey Pie", sind witzig und beklemmend zugleich, auf jeden Fall aber vor allem in der Zusamm­enschau mit fulminanter Wirkung. 1997 entstand das erste, noch sehr schlanke Bunny, "Fat Doris" von 2023 sinkt mit Hängebrüsten und Fettwülsten um die Mitte auf einem Sessel zusammen.

Den letzten Raum füllt ein vollständig mit Zigaretten beklebtes, ausgebranntes Auto, "This Jaguar’s Going to Heaven" (2018). Da ist die Künstlerin, eine passionierte Raucherin, schließlich beim Thema Vergänglichkeit angekommen.