Rosemary Laing, Boris Mikhailov, Anastasia Samoylova, Stephen Shore, Beat Steuli, Thomas Struth: URBANISM

CONRADS zeigt in Charlottenburg ROSEMARY LAING, BORIS MIKHAILOV, ANASTASIA SAMOYLOVA, STEPHEN SHORE, BEAT STREULI, THOMAS STRUTH : URBANISM
Zu sehen sind seltene Fotografien aus mehreren Einzelausstellungen der Künstler*innen bei CONRADS seit 1998. Werke aus der Serie "Leaks", 2010 von Rosemary Laing, Sydney; "Case History 1997/98" und "Salt Lake", 1986, von Boris Mikhailov, Ukraine; aus der Serie "Uncommon Places 1973 - 1978" von Stephen Shore, USA; "8th Ave/35th St, 02" von Beat Streuli, Schweiz, Stadtansicht von Thomas Struth sowie Fotografien aus aktuellen Projekten von Anastasia Samoylova, USA.
ROSEMARY LAING (Australien, *1959) Die fotografische Praxis dieser führenden australischen Künstlerin ist seit jeher projektbasiert, wobei sie häufig die Schnittmenge zwischen ursprünglicher Landschaft und dem komplexen kulturellen Milieu eines Ortes untersucht. Sie arbeitet sowohl mit den Menschen vor Ort als auch mit Fachleuten aus verschiedenen Disziplinen wie einer Stuntexpertin aus der Filmindustrie und Teppichherstellern zusammen, um fotografische Werke von filmischem Ausmaß zu schaffen, die Panoramablicke mit paradoxen Ereignissen verbinden. Diese Untersuchungen ermöglichen es der Künstler,in Fotografien zu schaffen, die nicht digital manipuliert sind und gleichzeitig scheinbar unmögliche Ereignisse und Begebenheiten abbilden. Die Serien,Flight research, Groundspeed, Bulletproofglass und One dozen unnatural disasters in the Australian landscape, Weather und Leak gestatten nicht nur eindringliche ästhetische Erfahrungen, sondern auch poetische und resonante Beziehungen zwischen Menschen, Orten und deren Geschichte. Die Gegenüberstellung unvereinbarer Elemente erzeugt produktive Spannungen, wie z. B. die über der Landschaft schwebende Braut in Flight Research, die blutigen Auswirkungen von Schüssen auf ein antikes weißes Hochzeitskleid in Bulletproofglass, dekorative Teppichmuster auf dem Boden eines Regenwaldes in Groundspeed oder das übergroße umgestürzte Haus in Leak. Die Verbindungen, die sie herstellen, sind eher poetisch, metaphorisch und anspielungsreich als wörtlich zu nehmen. Laings Werke scheinen häufig eine Katastrophe oder ein bedeutsames Ereignis zu dokumentieren und stellen aussagekräftige Kommentare zu Gesellschaft und Kultur dar, die durch intensive Momente des Dramas oder der Katastrophe hervorgerufen werden. Ihre hochgradig kodierten Kompositionen beziehen sich zwar speziell auf die australische Kolonialgeschichte, aber die Spannung, die sie zwischen einer gemeinsamen physischen Realität und einer imaginären Welt aufbaut, verwandelt die Werke über die nationalen Grenzen hinaus. Wie der Schriftsteller und Kritiker George Alexander formuliert, bleiben ihre "Bilder im kollektiven Gedächtnis als Chiffren dafür, wie es war, in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts zu leben“.
BORIS MIKHAILOV (UdSSR, *1938) wuchs in der ehemaligen Sowjetunion auf, er lebte und arbeitete über Jahrzehnte in seiner Heimatstadt Charkov (bzw. Charkiw, englisch auch Kharkov). Er schloss eine Ingenieurausbildung ab und wandte sich von 1966 an als Autodidakt der Fotografie zu. Mikhailov gilt heute als der bedeutendste Fotograf, der schon in den Zeiten der Sowjetunion aktiv war. Mikhailov arbeitet konzeptuell und sozialdokumentarisch. Als herausragend in der Kunst der Gegenwart gilt Mikhailovs Serie „Case History“, die in unserer Ausstellung URBANISM auszugsweise gezeigt wird. . Er wendet sich in diesem Werk den menschlichen Folgen des Zusammenbruchs der Sowjetunion zu. Mikhailov fotografierte für diesen Zweck systematisch Charkower Obdachlose, deren Vertrauen er gewann. Diese rund 400 Fotografien zeigen in erschütternder Weise die Situation von Menschen, die angesichts des Zusammenbruchs von Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht mehr auf soziale Sicherungssysteme zurückgreifen können. Die sehr direkte und oft als entblößend empfundene Herangehensweise Mikhailovs kann als direkte Kritik an den „schönen Fassaden“ der nach-sowjetischen kapitalistischen Konsumwelt verstanden werden.
ANASTASIA SAMOYLOVA (UdSSR, *1984) ist eine amerikanische Künstlerin, die sich zwischen beobachtender Fotografie und Studioarbeit bewegt. In ihren Arbeiten setzt sie sich mit Begriffen wie Umweltschutz, Konsum und Pittoreskes auseinander. Zu ihren jüngsten Ausstellungen gehören Fundación Mapfre, Eastman Museum, das Chrysler Museum of Art, The Photographers' Gallery, London, das Kunst Haus Wien, das HistoryMiami Museum und das Museum of Fine Arts, Le Locle. Im Jahr 2022 wurde Samoylova in die engere Wahl für den Preis der Deutsche Börse Photography Foundation aufgenommen. Ihre Arbeiten befinden sich u. a. in den Sammlungen des Pérez Art Museum, Miami, des High Museum of Art, Atlanta und des Museum of Contemporary Photography, Chicago. Zu ihren veröffentlichten Monografien gehören include Image Cities (Fundación Mapfre / Hatje Cantz, 2023), Floridas (Steidl, 2022) und FloodZone (Steidl, 2019).
STEPHEN SHORE (USA, *1947) Shore ist ein Pionier der Farbfotografie und einer der ersten Künstler, der das Medium über die Mode und den kommerziellen Gebrauch hinaus erweitert hat. Einige von Shores berühmtesten Fotografien stammen aus seiner Zeit in Andy Warhols Factory und von seinen Roadtrips quer durchs Land. 1971, im Alter von 24 Jahren, war Shore nach Alfred Stieglitz der zweite lebende Fotograf, der eine Einzelausstellung im Metropolitan Museum of Art in New York hatte. Er wurde mit einem National Endowment for the Arts Fellowship (1974), einem Guggenheim Fellowship (1975) und einem Royal Photographic Society Honorary Fellowship (2010) ausgezeichnet. Shores Werke befinden sich in den ständigen Sammlungen des J. Paul Getty Museum, Los Angeles, des Victoria & Albert Museum, London, und des Museum of Modern Art, New York, um nur einige zu nennen. Shores erste Einzelausstellung in Deutschland fand in der Kunsthalle Düsseldorf 197 statt... Die erste US-Ausstellung von Stephen Shores gesamter fotografischer Karriere fand im Herbst 2017 im Museum of Modern Art, New York statt.Wir freuen uns, eine Auswahl von Werken aus der ikonischen Serie "Uncommon Places" des bahnbrechenden amerikanischen Fotografen zu präsentieren.
BEAT STREULI (Schweiz, *1959) Seit den 1990er Jahren lädt jede Aufnahme, die der Künstler Beat Streuli gemacht hat, so sehr sie auch in einem soliden konzeptuellen Gerüst verankert ist, unausweichlich dazu ein, sich in die spontane Bewegung des Alltags in der Stadt zu stürzen. Plötzlich in die Masse eingetaucht, gelangen wir im Angesicht von Streulis oft großformatigen Bildern und monumentalen Installationen frontal vor Figuren und Details des urbanen Lebens. Die aus dem Gemenge auf weitläufigen Flächen herausgelösten Porträts berücken uns. Häufig wird dabei das Gesicht zu einer zugleich absorbierenden und reflektierenden Projektionsfläche, worin sich die gezeigte Persönlichkeit mit der des Betrachters überblendet. Daraus entsteht das, was die Kritikerin Françoise Gaillard als eine Art Interface bezeichnet, ein Medium, das unmittelbar zur Aufmerksamkeit zwingt und in dem der Blick sich im Wechselspiel zwischen Künstler und Schauendem entwickelt. (…) Wie in Beat Streulis gesamtem Werk werden wir konfrontiert mit den Ähnlichkeit und den Unterschieden urbaner Umgebung in einer globalisierten Welt, die weithin als zunehmend stereotyp und gleichförmig gilt. Nur eine genauere Betrachtung enthüllt die Eigenarten einzelner Städte, ihre »unausweichliche Spezifität«*. Die Kraft dieser Fotografien und Videos liegt in der Bedeutung, die sie Details zuspricht, dem Erfassen des signifikanten Fragments, das einen Schlüssel zum Kern der Lebewesen und Dinge enthalten könnte. Auf vergleichbare Weise lenkt das vom Künstler geschaffene Gleichgewicht zwischen dem Sensiblen und dem Intelligiblen die Betrachter und erschließt ihnen einen von den komplexen Schichten seines Mediums ausgehenden Weg zur Verknüpfung der Bilder. Paul di Felice, aus dem Englischen von Stefan Barmann
THOMAS STRUTH (Deutschland, *1954) Die Fotografien Struth’s sind ein Amalgam aus Dokumentation und Interpretation. Sein Fokus liegt auf dem „präzisen Sehen“ und der Wechselwirkung zwischen Betrachter und Betrachtetem. Seine Arbeiten zeigen überwiegend das urbane Leben. Straßenzüge, Stadtlandschaften, Menschen und Museen sind die meist fotografiertesten Motive des Künstlers. Struth bevorzugt die Zentralsymmetrie, die er während des Arbeitsprozesses auflockert. Die menschenleeren Straßen in Europa und Asien, die Werkgruppen „Unbewusste Orte“ und seine Museumsbilder-Serie aus den 90er Jahren machten den Fotografen weltbekannt.