Besuchermagnet in Tokio

Das digitale Wunderland

Immersion schlägt Van Gogh: Das digitale Kunsthaus des Künstlerkollektivs TeamLab in Tokio ist das weltweit meistbesuchte Museum, das einer einzelnen Position gewidmet ist 

Klettergerüste, Lichteffekte und unzählige Selfiegelegenheiten: wenn Direktoren vor Museen als Vergnügungsparks warnen, meinen sie höchstwahrscheinlich genau solche Institutionen wie das immersive Borderless-Museum in Tokyo. Doch Vergnügungsparks sind eben auch Publikumslieblinge. In seiner einjährigen Bestehenszeit ist das vom Künstlerkollektiv Team Lab verantwortete Ausstellungshaus zum meistbesuchten einem einzelnen Künstler gewidmeten Museum weltweit geworden. Mit insgesamt 3,5 Millionen Besuchern im vergangenen Jahr überholte das Team Lab locker Institutionen wie das Amsterdamer Van Gogh-Museum (2,1 Millionen Besucher) und das Dalí-Museum in der katalanischen Stadt Figueres (1,1 Millionen Besucher).

Prominente Instagram-Kulisse

Wie "Artnet" berichtete, besichtigten Besucher aus 160 Ländern das Team Lab Borderless und die temporäre Lichtinstallation Team Lab Planets, ein Drittel von ihnen stammte aus den USA. Auch bei amerikanischen Prominenten ist das Museum beliebt: Der Rapper Swizz Beatz veröffentlichte Ende letzten Jahres gemeinsam mit 90s Hip Hop-Legende Nas ein Musikvideo, in dem die Institution als Kulisse dient, im Mai gab es Besuch von Melania Trump, und Kim Kardashian-West durfte die bunten Installationen in Begleitung von Ehemann und Kindern kürzlich ganz ungestört außerhalb der Öffnungszeiten erkunden.


Zu den am häufigsten fotografierten Installationen des für interaktive Animationen und Lichtinstallationen bekannten Museums zählen die "Crystal World" und der "Forest of Lamps", die mit ihren bunten Lampen und LEDs über verspiegeltem Boden wie Yayoi Kusama-Kopien zum Anfassen anmuten. Die unzähligen Selfies, die hier entstehen, erzeugen eine Kontinente überschreitende Sogwirkung: Gut die Hälfte der Besucher stammen aus Übersee. Von ihnen gab laut einer Befragung des Museums gut die Hälfte an, extra für das Museum nach Tokio gereist zu sein. Bei den dementsprechend beträchtlichen Anfahrtskosten dürfte der Eintrittspreis von 3200 Yen, umgerechnet knapp 27 Euro, kaum mehr ins Gewicht fallen.

Ist das Kunst?

Man könnte das Team Lab Borderless als eines der unzähligen Pop Up-Museen abtun, die zu ähnlich hohen Eintrittspreisen die perfekte Instagram-Kulisse bieten und mit Kunst wenig bis gar nichts zu tun haben, aber so einfach ist es nicht. Team Lab versteht sich als Künstlerkollektiv, genauer gesagt als "interdisziplinäre Gruppe an Ultratechnologikern, deren kollektive Praxis den Zusammenfluss von Kunst, Wissenschaft, Technik, Design und Natur anstrebt". Sein aktionistisches Bestreben, die Grenzen zwischen Kunst und Welt aufzuheben, trägt das Boderless Museum bereits im Titel, mit zahlreichen Lern- und Erlebnisangeboten für Kinder verfolgt es zudem auch einen pädagogischen Ansatz.

Die Arbeiten des Kollektivs werden regelmäßig in Institutionen wie der National Gallery Singapore und dem Walker Art Center in Minneapolis gezeigt, repräsentiert wird es durch die Pace Gallery, die auch Sol LeWitt, Lynda Benglis und James Turrell vertritt. Alles deutet darauf hin, dass das Borderless sich tatsächlich als Kunstmuseum bezeichnen darf und mit seinem Kabinett aus Spiegeln, Projektionen und Kopien wunderbar den Nerv der Zeit trifft.