Tipps und Termine

Wohin am Wochenende?

Die Kunst der Woche in Berlin, Chemnitz, Dresden, Hamburg, Paris, Riehen und Zürich

Enrico David in Berlin

Die Ausstellung "Destroyed Men Come and Go" ist tatsächlich seine erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland, dabei ist Enrico David seit den 1990er-Jahren für melancholische Malerei und gestickte Motive auf großen Leinwänden bekannt, die sich aus Bildern in Modemagazinen ableiten. Enrico David, Jahrgang 1966, geboren in Italien, lebt in London. Er arbeitet mit Bildhauerei, Installation, Zeichnung und Malerei. Sein Ausgangspunkt ist zwar zunächst immer der Körper, aber dann kann wirklich alles passieren. Er thematisiert Transformation und Verwandlung als ständigen Zustand, eine dauernde Bewegung gegen die Festschreibung. Die KW Institute for Contemporary Art versuchen mit der Ausstellungsgestaltung in der großen Halle und im Erdgeschoss, dem zu entsprechen: Ohne eingezogene Wände wird es ein freies Mäandern um Enrico Davids skulpturales Werk geben.

"Destroyed Men Come and Go", KW Institute for Contemporary Art, Berlin, 10. Juni bis 20. August

 

Carlfriedrich Claus und die Fotografie in Chemnitz

25 Jahre nach dem Tod des Avantgarde-Künstlers Carlfriedrich Claus (1930-1998) widmen die Kunstsammlungen Chemnitz seinem fotografischen Werk die Ausstellung "Zwischen Weiß und Schwarz. Carlfriedrich Claus und die Fotografie". Claus, Lautdichter und Mitbegründer der visuellen Poesie, hat Anfang der 1950er-Jahre mit der Fotografie experimentiert. Dabei versuchte er durch Lichtsetzung und Positionierung von Objekten Verfremdungseffekte zu erzielen.

Für die Serie "Elementare Experimente mit Photo-Natur" zum Beispiel drehte Claus 20 Landschaftsaufnahmen um 90 oder 180 Grad. Die gegenständlichen Szenen würden so zu abstrakten Fotografien, ohne die Gegenständlichkeit aufzugeben, erläuterte Kurator Philipp Freytag am Donnerstag.

Der Künstler ist auch von anderen fotografiert worden. Einige dieser Fotos sind ebensfalls zu sehen - etwa Claus im Dialog mit Intellektuellen wie Heiner Müller, als Denker und Zeichner, in seiner Wohnung in Annaberg-Buchholz.

Parallel zu der Studioausstellung öffnet das sonst nur nach Anmeldung und für Studienzwecke zugängliche Carlfriedrich Claus Archiv seine Türen. In Vitrinen werden etliche Stücke aus dem Fundus zu Claus' Leben und Wirken ausgebreitet: Bilder aus seiner Kindheit, Briefe an andere Künstler und Galeristen sowie Skizzen und Collagen.

Claus wuchs in Annaberg-Buchholz im Erzgebirge auf und absolvierte nach dem Zweiten Weltkrieg eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann. Doch schon in frühen Jahren beschäftigte er sich mit Kunst und Sprachen. Später wurde er immer mehr selbst künstlerisch aktiv, baute sich Kontakte zu internationalen Künstlern auf und wurde zu einem Pionier der visuellen und akustischen Poesie. Von der offiziellen DDR-Kunstszene wenig beachtet, fand sein Werk international Anklang - etwa in Ausstellungen in Baden-Baden, Paris und Den Haag. Er wurde mit zahlreichen Preisen geehrt.

Sein Nachlass - etwa 850 Druckgrafiken, knapp 300 Tonbänder und Kassetten, mehr als 22 000 Briefe sowie seine Bibliothek - pflegen die Kunstsammlungen Chemnitz im nach ihm benannten Archiv. (dpa)

"Zwischen Weiß und Schwarz. Carlfriedrich Claus und die Fotografie", Kunstsammlungen Chemnitz, Chemnitz, von 10. Juni bis 10. September

 

Pastellmalerin Rosalba Carriera in Dresden

Fünf Jahre nach dem berühmtesten Pastell der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister rückt das weltbekannte Museum die "Meisterin des Genres" in den Fokus. Zu deren 350. Geburtstag gibt eine Ausstellung Einblick ins Oeuvre der bekanntesten Pastellkünstlerin des 18. Jahrhunderts, Rosalba Carriera (1673–1757). Im Semperbau des Zwingers sind für gut ein Vierteljahr rund 150 Arbeiten der Venezianerin versammelt, aus dem Bestand sowie Leihgaben aus Museen und Privatsammlungen im In- und Ausland.

"Dresden ist der beste Ort, wo man ihr Werk betrachten kann", sagte Kurator Roland Enke am Mittwoch, einen Tag vor Eröffnung der Schau. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden bewahrten mit 73 Arbeiten das weltweit größte Konvolut an Schöpfungen der Porträtistin, die als eine der ersten Künstlerinnen europaweit Erfolge feierte. Für Carriera war "Das Schokoladenmädchen" von Jean-Étienne Liotard "das schönste Pastell, das man je gesehen hat". Das berühmte Meisterwerk der Dresdner Sammlung hatte 2018 eine eigene Präsentation.

Carriera schuf laut Enke sehr viele Porträts, auch ihre Musen oder Allegorien hatten oft reale Vorbilder. Sie sei ein "Celebrity-Artist" gewesen, von dem man gemalt werden oder ein Bild haben wollte, und mit Aufträgen und Anfragen überhäuft worden. Sie habe die Schönheitsideale des Rokoko "mehr oder weniger 1:1" mit Pigmenten auf raues Papier gebracht: blasse, ebenmäßige Haut, rosé geschminkte Lippen, bestäubte Haare und Perücken. Die "pudrige Erscheinung" ihrer fragilen Pastelle gleiche einem 3D-Druck. 

In der Schau zeugen viele Bildnisse von Fürsten regierender Herrscherhäuser Europas wie König Ludwig XV. von Frankreich oder Erzherzogin Maria Theresia von Habsburg. "Ein Besuch bei ihr zählte zum festen Programm der "Grand Tour" in Italien", sagte Enke. Sachsens Kurfürst August III. hatte eine Sammlung von 157 Pastellen und richtete ein nach ihr benanntes Kabinett dafür ein. 84 der Werke wurden nach 1920 verkauft - etwa für ein Pastell von Degas -, gestohlen, im Zweiten Weltkrieg zerstört oder sie verschwanden - wie 15 kleine Miniaturen. (dpa)

"Perfektion in Pastell", Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden, bis 24. September

 

Fotografien zwischen Krieg und Glamour in Hamburg

Die Amerikanerin Lee Miller (1907–1977) war eine der herausragendsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Die Ausstellung "Lee Miller: Fotografin zwischen Krieg und Glamour" im Bucerius Kunstforum in Hamburg zeigt bis zum 24. September ihr facettenreiches Leben und Werk anhand von 150 Aufnahmen aus der Zeit von 1929 bis 1973, teilte das Kunstforum am Donnerstag mit. Die Schau zeichne ihre Stationen als Fotomodel in New York, als Künstlerin, Surrealistin, Mode- und Porträtfotografin in Paris und Ägypten, als Kriegsreporterin auf französischem und deutschem Boden sowie als Gourmetköchin in Südengland nach.

"Weder privat noch professionell hielt sich Miller an Konventionen und ging stets ihren eigenen Weg", sagte Kuratorin Karin Gimmi. In den 1920er Jahren stand Lee Miller den bekanntesten Fotografen des 20. Jahrhunderts Model, darunter Man Ray. 1932 verließ sie Paris und kehrte in ihre Heimat New York zurück, wo sie ein Fotostudio betrieb. 1934 heiratete sie den ägyptischen Geschäftsmann Aziz Eloui Bey und zog mit ihm nach Kairo. In der ägyptischen Wüste entstanden viele ihrer bekanntesten surrealistischen Arbeiten, wie "Portait of Space".

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, lebte Miller mit ihrem neuen Partner, dem englischen Künstler Roland Penrose, in London. Ab 1940 arbeitete sie als Fotografin für die "Vogue". 1942 akkreditierte sie sich bei der US Army als Kriegsreporterin und berichtete über die Eroberung der Normandie durch die Alliierten und die Befreiung von Paris. Ab 1945 fotografierte Miller die Folgen des Krieges und hielt die Verbrechen der Nationalsozialisten in den Konzentrationslagern in Dachau und Buchenwald fotografisch fest. (dpa)

 "Lee Miller. Fotografin zwischen Krieg und Glamour", Bucerius Kunstforum, Hamburg, 10. Juni bis 29. September


Meisterwerke aus Capodimonte-Museum in Paris

Gemälde von Tizian, Parmigianino, Caravaggio sowie bedeutende Vorzeichnungen von Raffael und Michelangelo für die Dekorationen des Vatikans: Kunstschätze aus dem Capodimonte-Museum in Neapel sind seit Mittwoch im Pariser Louvre zu sehen. Die rund 60 Exponate der Ausstellung "Naples à Paris" (Neapel in Paris) stehen im Dialog mit den Sammlungen italienischer Meisterwerke des französischen Museums. Die bis zum 8. Januar dauernde Ausstellung sei das Ergebnis einer einzigartigen Partnerschaft, betonte die Louvre-Direktorin Laurence des Cars. Das Capodimonte-Museum ist eine der bedeutendsten Kunsteinrichtungen Italiens. In seinen Sammlungen sind alle Schulen der italienischen Malerei vertreten. Es beherbergt nach den Uffizien in Florenz das zweitgrößte Zeichenkabinett Italiens. (dpa)

"Neapel in Paris", Louvre, Paris, bis 8. Januar

"Basquiat. The Modena Paintings" in Riehen

Das Schweizer Museum Fondation Beyeler präsentiert Jean-Michel Basquiat mit einer Premiere: Das Haus in Riehen bei Basel hat acht Schlüsselwerke des New Yorker Künstlers zusammengetragen, die nach eigenen Angaben noch nie gemeinsam gezeigt worden sind. Basquiat (1960-1988) hatte den Modena-Zyklus 1982 in Italien für eine geplante Ausstellung gemalt, die jedoch nie realisiert wurde. Die Werkgruppe besteht aus acht mehr als zwei mal vier Meter großen Gemälden, die viele Elemente von Basquiats späteren Werken enthalten. Das Museum brachte sie nach eigenen Angaben aus Privatsammlungen in der Schweiz, den USA und Asien zusammen.

Beyeler würdigt Basquiats "energiegeladene Malerei". Seine Werke vermischten Motive aus Popkultur und Kulturgeschichte, Bereichen wie Musik und Sport sowie politische und wirtschaftliche Themen - zum Beispiel die Konsumgesellschaft, soziale Ungerechtigkeit und Rassismus. Die Modena-Bilder zeigen anders als die früheren Werke, die oft Großstadtstraßen abbildeten, monumentale Figuren, Engel und Teufel, in flehender oder triumphierender Pose - je nach Interpretation. Basquiat-Markenzeichen sind darauf ebenfalls zu sehen: Heiligenschein und Dornenkrone, Kritzeleien, kryptische Wörter und Zahlen.

Basquiat war einer der ersten schwarzen Künstler, die im Kunstgeschäft erfolgreich waren. Er hatte sich erst als Poet und Musiker ausprobiert, dann auf die Malerei umgeschwenkt. Er war nach Angaben des Museums mit 21 Jahren der jüngste Künstler, der je zur Documenta nach Kassel eingeladen wurde. Er wuchs überwiegend in New York auf. Seine Eltern hatten Wurzeln in Haiti und Puerto Rico. Basquiat wehrte sich gegen die Bezeichnung als Graffiti-Künstler. Das empfand er als abwertend. Er starb 1988 an einer Überdosis Rauschgift. (dpa)

"Basquiat. The Modena Paintings", Fondation Beyeler, Riehen, von 11. Juni bis 27. August


"Doug Aitken. Howl" in Zürich

Während im Norden Kaliforniens, der Heimat von Doug Aitken, smarte Start-up-Typen an der postfossilen Zukunft basteln, hat der Künstler eine Reise in die Vergangenheit unternommen. Seine neue Videoinstallation "Howl", die ab diesem Wochenende in der Zürcher Galerie Eva Presenhuber zu sehen ist, entstand in einer Wüstenstadt, die wie so viele andere Anfang des 20. Jahrhunderts vom Ölrausch erfasst wurde und heute stellenweise einer Geisterstadt gleicht. Auf kachelförmig angeordneten Bildschirmen kombiniert "Howl", die Bilder urbaner Tristesse und malträtierter Landschaft mit Gesprächen der Einwohner über ihre Vorstellungen von der Zukunft und ihre Visionen von Utopie. Eine Blaskapelle zieht durch die ausgestorbene Main Street, Cheerleader versprühen den alten American Dream, das Auf und Ab der letzten Bohrtürme verschmilzt mit dem Rhythmus der Musik und den menschlichen Stimmen. Einfach weiter so wird es nicht gehen.

"Doug Aitken. Howl", Galerie Eva Presenhuber, Zürich, bis 22. Juli


Christopher Kulendran Thomas: "For Real" in Zürich

Wie erzählt man die Geschichte der Verliererseite eines Konflikts, wenn die Geschichte bereits von den Gewinnern geschrieben wurde? Die Eltern des 1979 in London geborenen Christopher Kulendran Thomas mussten vor dem Bürgerkrieg aus Sri Lanka fliehen. Seine immersive Filminstallation "The Finesse", entstanden in Kooperation mit Annika Kuhlmann, zeichnet den Versuch der tamilischen Unabhängigkeitsbewegung nach, eine eigenständige kooperative Wirtschaft aufzubauen, die auf erneuerbarer Energie, gemeinschaftlichem Besitz und computergestützter Koordination beruhen sollte. Das Solo des Künstlers in der Kunsthalle Zürich entführt uns in ein Zwischenreich aus Dokumentation, Fiktion und Simulation, in dem stets die bohrende Frage nach Gerechtigkeit lauert.

Christopher Kulendran Thomas: "For Real", Kunsthalle Zürich, 10. Juni bis 10. September