Tipps und Termine

Wohin am Wochenende?

Die Kunst der Woche in Amsterdam, Berlin, Chemnitz, Dresden, Goslar, Halle, Lübeck und München 


Ellen Gallagher in Amsterdam

Auf ihren Bildern verschwimmen Figuration und Abstraktion. Ellen Gallaghers zentrales Motiv ist das Meer, wobei sich die Afroamerikanerin auch von alten Gemälden von Rubens oder Turner inspirieren ließ. Ein wichtiger Bezugspunkt ist der afrofuturistische Mythos "Drexciya" des gleichnamigen Technoduos aus Detroit, der sich um eine hoch entwickelte Spezies im Meer dreht, die von schwangeren, während der transatlantischen Deportation über Bord geworfenen Sklavinnen abstammt. 

Gallagher hat diesen Mythos mit historischen Bezügen und autobiografischen Motiven ausgebaut. Seit Jahren lebt die 1965 in Providence, Rhode Island, geborene Künstlerin in Rotterdam. Im Stedelijk Museum in Amsterdam ist jetzt ihre große Soloschau zu sehen, die neben ihren Gemälden auch Arbeiten auf Papier, Film und Video umfasst.

In den frühen 1990ern machte Ellen Gallagher mit eigenwilligen Interpretationen der Minimal Art auf sich aufmerksam. Bei genauem Hinsehen zeigten sich Figurationen – wie die 1000 Augen, die aus ihrem Gemälde "Doll’s Eyes" (1992) zurückstarrten. 

Von Anfang an hat sich Gallagher in ihrer Kunst mit Blackness und rassistischen Stereotypen auseinandergesetzt. Für ihre "Yellow Paintings" schnitt Gallagher die Köpfe von Beauty-Models aus Magazinen aus und setzte ihnen wuchernde Afrofrisuren aus gelber Knetmasse auf, nicht weit entfernt von den Meeresorganismen späterer Bilder. 

Abgesehen vom Drexciya-Mythos lässt sich Gallaghers Faszination für das Meer bis zu ihrer Tätigkeit im Fischereigewerbe in den 1980ern und einer meeresbiologischen Expedition in der Studienzeit zurückverfolgen.

Ein gewichtiger Teil der Werke in Amsterdam lässt das Publikum in ein Unterwasserreich abtauchen, das von seltsamen Kreaturen bevölkert wird. Wolken aus schimmernden Amöben breiten sich aus. Gallagher entführt uns in unerforschte Tiefen des Ozeans, in denen Naturgeschichte, Imperialismus und Kolonialismus aufeinanderprallen.

Ellen Gallagher "All of No Mans Land is Ours“, Stedelijk Museum Amsterdam, 2. Dezember bis 10. März 2024

Ellen Gallagher "Watery Ecastic", 2018
Foto: Courtesy Ellen Gallagher

Ellen Gallagher "Watery Ecastic", 2018


Axel Neumann in Berlin

Eine dreiwöchige Dunkelheitserfahrung vor knapp 30 Jahren brachte Axel Neumann das Licht. Diesem außergewöhnlichen Experiment der Isolation unterzog er sich der Schauspielerei zuliebe - und was blieb, war die Bildende Kunst. Das, was Axel Neumann in dieser Zeit vor dem inneren Auge sah, bringt er noch heute zu Papier. 

Die Ausstellung "Füller:Magie" in Berlin zeigt großformatige Malereien und ehrt das ungewöhnliche Arbeitswerkzeug des Künstlers. Aus millimetergroßen Füllerstrichen malt Axel Neumann monatelang fein verwobene Strukturen aus leuchtenden Farben, die dem fertigen Bild Lebendigkeit verleihen sollen. 

Patricia Neumann ist Lebensgefährtin und Managerin zugleich, und gemeinsam zeigt das Künstlerpaar bis zum 20. Januar 2024 in Berlin-Pankow aktuelle Arbeiten aus der "Schwarzen Symphonie" und ein Element aus dem "Miltonzyklus".   

Axel Neumann "Füller:Magie", Pop Up Galerie im Showroom des Bernd Quinque Autohauses, Berlin, bis 20. Januar

Axel Neumann, Arbeit an einem Element der "Schwarzen Symphonie", 2023
Foto: Max Helbig

Axel Neumann, Arbeit an einem Element der "Schwarzen Symphonie", 2023


La Chola Poblete in Berlin

La Chola Poblete setzt sich mit den Folgen des Kolonialismus und der weißen Vorherrschaft in Argentinien auseinander.  Die "Artist of the Year" der Deutschen Bank erinnert sich in der Soloschau im Berliner Palais Populaire an die Kindheit und Jugend in der Gemeinde Guaymallén in den Anden. Dort wuchs La Chola Poblete als nicht binärer, indigener Teenager auf. In Aquarellen, Skulpturen, Installationen und Performances reflektiert Poblete die argentinische Herkunft und widerspricht Klischees des vermeintlich Exotischen. 

"La Chola Poblete: Guaymallén", Palais Populaire, Berlin, bis 5. Februar 2024

La Chola Poblete
Foto: Courtesy La Chola Poblete

La Chola Poblete


Kreativflohmarkt in Chemnitz

Zum Auftakt in den Advent verwandelt sich das Auditorium der Chemnitzer Kunstsammlungen in einen Flohmarkt für Kreative. Nach dem Vorbild des "Foire aux croutes" in Paris könnten dort Autodidakten ihre Arbeiten anbieten, etwa Fotografien, Gemälde, Schmuck, Kunstbücher oder handwerkliche Objekte. 

Ziel sei es, Künstlern, die keine akademische Ausbildung haben, Raum zu geben, ihre Arbeiten zu präsentieren. Damit werde einerseits eine Brücke zum "Maker"-Narrativ von Chemnitz als Kulturhauptstadt Europas 2025 geschlagen. Andererseits soll an Künstler in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts angeknüpft werden, deren Arbeiten sich abseits der Avantgarde großer Beliebtheit erfreuten.

Unter dem Titel "Welche Moderne? In- und Outsider der Avantgarde" zeigen die Kunstsammlungen am Theaterplatz derzeit eine umfangreiche Ausstellung mit Werken bekannter Künstler der Klassischen Moderne und weniger bekannten Autodidakten der sogenannten "naiven Kunst". Die Schau entstand in Zusammenarbeit mit dem Sprengel Museum Hannover. Neben Werken aus den Sammlungen beider Häuser sind auch nationale und internationale Leihgaben zu sehen. Gezeigt werden etwa Arbeiten von Max Beckmann, Marc Chagall, Otto Dix, Pablo Picasso und Max Ernst, aber auch Seraphine Louis, Henri Rousseau und Adalbert Trillhaase. (dpa)

Kreativflohmarkt auf dem Chemnitzer Theaterplatz, Freitag von 15 bis 18 Uhr, Samstag von 11 bis 18 Uhr geöffnet, freier Eintritt 


Gegenwartskunst und offene Werkstatt in Dresden 

Mit einer ersten Ausstellung öffnet an diesem Samstag im Dresdner Residenzschloss die neue "Kunstkammer Gegenwart" in der früheren Fürstengalerie. Sie widmet sich nach Angaben der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) den Fragen, was in Museen gespeichert wird, ob Kunstwerke der Erinnerung dienen oder sich im Laufe der Zeit verändern. Zu den Exponaten gehören auch Werke von Joseph Beuys, Eberhard Havekost, Candida Höfer oder US-Künstler Frank Stella - dessen Anfang der 1990er geschaffenes Modell einer modernen Kunsthalle Dresden wird in einer offenen Werkstatt restauriert.

Das Dresdner Residenzschloss beherbergt mehrere einst aus der 1560 begründeten fürstlichen Kunstkammer hervorgegangene historische Sammlungen wie das berühmte Schatzkammermuseum Grünes Gewölbe oder die Rüstkammer. Die "Kunstkammer Gegenwart" gibt laut SKD daneben nun Einblick in die wachsenden Bestände zeitgenössischer Kunst - und macht das historische Gebäude zum Ort des Austauschs zwischen den Jahrhunderten. (dpa)

"Kunstkammer Gegenwart" im Residenzschloss Dresden, ab 2. Dezember 

Miriam Cahn "Ohne Titel", Detailseite eines Skizzenbuch, 1993/94
Foto: Courtesy Schenkung Sammlung Hoffmann, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Miriam Cahn "Ohne Titel", Detailseite eines Skizzenbuch, 1993/94


Yuri Albert und Vadim Zakharov in Goslar

Die beiden Träger des Goslarer Kaiserrings kommen aus Russland. Yuri Albert und Vadim Zakharov, beide 1959 geboren, organisierten temporäre Ausstellungen in der Natur, zeigten ihre Foto- und Textarbeiten in privaten Wohnungen, führten Performances und Aktionen durch – alles fernab der staatlich geförderten Kunstpraxis. 

Die Schau im Goslarer Mönchehaus macht deutlich, dass die Vertreter der zweiten Generation des Moskauer Konzeptualismus in ihrem Schaffen durchaus verschiedene Akzente setzen: Albert konzentriert sich auf kunstimmanente Fragestellungen, Zakharov beschäftigt sich mit den Mechanismen von Politik und Gesellschaft. 

"Yuri Albert, Vadim Zakharov", Mönchehaus Museum Goslar, bis 28. Januar 2024

Yuri Albert "Selfportrait with a mask", 2023
Foto: Courtesy Yuri Albert

Yuri Albert "Selfportrait with a mask", 2023


Neue Kirchner-Gemälde in Halle

Die Ausstellung des Kunstmuseums Moritzburg ist durch zwei neue Gemälde des deutschen Malers Ernst Ludwig Kirchner ergänzt worden. 

Neben den zwei neu ausgestellten Werken "Platz in Halle" und "Badende zwischen Steinen" sind auch drei weitere Arbeiten des 1880 geborenen Künstlers zu sehen, die mit dessen Aufenthalt in Halle im Sommer 1915 in Verbindung stehen, erklärte das Kunstmuseum.

Kirchner war damals als Kriegsfreiwilliger in einer Kaserne in der Saalestadt stationiert. Den Angaben des Museums zufolge handelt es sich bei den Gemälden um Dauerleihgaben aus Privatbesitz. (dpa)

Weitere Ernst Ludwig Kirchner Gemälde ab heute im Kunstmuseums Moritzburg in Halle (Saale) zu sehen

Ernst Ludwig Kirchner "Platz in Halle (Saale)", 1915/16
Foto: Albert Josef Schmidt, Freiburg

Ernst Ludwig Kirchner "Platz in Halle (Saale)", 1915/16


Kunstaustausch in Lübeck

Die Ausstellung "Hello Lübeck. Dialoge mit der Kunsthalle St. Annen" soll die Neuausrichtung der Kunsthalle als einen Ort des lebendigen Austauschs bekräftigen. Gezeigt werden zeitgenössische künstlerische Positionen, die mit der Sammlung und dem Publikum in Verbindung treten. 

Durch die Gegenüberstellungen ergeben sich Verbindungen zwischen Geschichten, Objekten und Menschen, die neue Sichtweisen auf den eigenen Sammlungsbestand werfen und unterschiedliche Zugänge zur Kunst für ein breites Publikum schaffen sollen. Dabei ist unter anderem die "Geknetete Stadt" von Christian Jankowski.

"Hello Lübeck. Dialoge mit der Kunsthalle St. Annen", Kunsthalle St. Annen, Lübeck, 2. Dezember bis 28. Juli 2024

Benjamin Butter, "It is what it is", 2020
Foto: Courtesy Benjamin Butter

Benjamin Butter, "It is what it is", 2020


Glitches und Kunst in München

Technische Medien gehören zu unserer natürlichen Umgebung. Erst im Störungsfall wird die Aufmerksamkeit auf ihre Beschaffenheit gelenkt. Die Münchener Gruppenschau "Glitch" zeigt Werke, in denen Störungen gewollt sind. Die Kunstschaffenden hinterfragen kritisch die Realitätsnähe der Medien oder decken normative Ordnungen auf. Dabei sind Joan Jonas, Carsten Nicolai oder Pipilotti Rist.

"Glitch", Pinakothek der Moderne, München, bis 17. März 2024

Rosa Menkman "A Vernacular of File Formats", 2010
Foto: Courtesy Rosa Menkman

Rosa Menkman "A Vernacular of File Formats", 2010