Armenische Kunst in Berlin
Der Herbstsalon des Maxim Gorki Theaters hat sich zu einer veritablen zweiten Kunstbiennale Berlins entwickelt. Mit jenem anarchistischen Charme, den man in der Stadt immer seltener findet, stellt das Festival ganz neue Bezüge und Blicke auf Berlins vielfältige Milieus und seine internationale Verwurzelung her und zeichnet sich nicht zuletzt durch seine stets großartige, immer überraschende Teilnehmerliste aus.
In diesem Jahr hat der Salon, dem man generell alles zutrauen sollte, sogar einen Weg zur Umschiffung des miesen Herbstwetters gefunden – und geht schon jetzt mit einem Prolog in seine 7. Ausgabe. Der Fokus des von Shermin Langhoff mit einem Dutzend Co-Kuratoren realisierten Projekts liegt auf armenischen Künstlerinnen und Künstlern aus der ganzen Welt. Und der Frage, wie sie im Lichte der Geschichte des Völkermords an den Armeniern von 1915 auf die Verwerfungen der Gegenwart schauen. Antworten geben im und um das Gorki herum eine Ausstellung mit über 40 Werken, eine Literatur- und Filmreihe, Konzerte, Uraufführungen, Performances sowie Gastspiele aus Amsterdam, Jerewan, Istanbul und Göteborg.
"100 + 10 – Armenian Allegories", Maxim Gorki Theater, Berlin, bis 31. Mai

Anush Babajanyan "Newborn baby in stepanakerts maternity hospital", zu sehen beim Prolog des Herbstsalons im Maxim Gorki Theater, Berlin, 2025
Käthe Kollwitz als Avatar in Berlin
Er soll mit Museumsgästen sprechen und die richtigen Antworten auf Fragen geben: Besucher des Käthe-Kollwitz-Museums erwartet demnächst ein 3D-animierter Avatar der Künstlerin. Die digitale Repräsentation soll während der Schließungszeit der Ausstellungsräume (vom 22. April bis voraussichtlich Mitte Juni) von den Werken der Künstlerin erzählen, wie das Museum mitteilte. Lebensgroß und mit einer Chat- und Voicebotfunktion ausgestattet soll der lilafarbene Avatar die Kunst der Grafikerin, Zeichnerin und Bildhauerin vermitteln: Besucher können in 63 Sprachen in einen Dialog mit der virtuellen Käthe Kollwitz treten, entweder per Sprachfunktion oder mit Untertiteln.
Das Museum sieht darin ein großes Potenzial, die Inhalte der Ausstellung auch "Digital Natives" zugänglicher zu machen. Der Avatar soll Kollwitz ähnlich sehen, aber als künstliches Wesen erkennbar sein. Die Räume des Museums werden ab dem 22. April geschlossen, während die Ausstellungsräume im ersten Obergeschoss ausgebaut werden. Künftig soll die doppelte Ausstellungsfläche zur Verfügung stehen, sodass neben der Dauerausstellung auch Platz für Sonderausstellungen und Veranstaltungen ist, wie eine Sprecherin sagte. Während der Schließzeit bleiben das Foyer und der Museumsshop geöffnet, wo auch der Avatar zu sehen ist. Außerdem gibt es in der Bauzeit dort eine Vitrinenausstellung mit Briefen, Dokumenten und Fotos aus den beiden Weltkriegen. Die Künstlerin Käthe Kollwitz (1867-1945) lebte und arbeitete jahrzehntelang in Berlin, wo sich auch ihr Grab befindet.
Käthe-Kollwitz-Avatar, Käthe-Kollwitz-Museum, Berlin, bis voraussichtlich Mitte Juni

Ein digitaler Avatar in der Gestalt von Käthe Kollwitz
Art Brussels in Brüssel
Visionen und Träume sind das Material der großformatigen Malerei des 1979 in Idaho geborenen US-Amerikaners Joshua Hagler, der sich den Künstlernamen Æmen Ededéen gegeben hat. Hagler lebt mit seiner Familie in einem kleinen Ort in der Wüste von New Mexico, und es ist nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit dieser besonderen Landschaft, die ihn zu seinen spirituell aufgeladenen, aus vielen Schichten bestehenden Bildern inspiriert.
Erstmals in Europa zu sehen ist diese Malerei nun am Stand der belgischen Galerie Maruani Mercier auf der Art Brussels – in der Hauptstadt eines Landes, das sich rühmt, weltweit die größte Anzahl von Sammlerinnen und Sammlern pro Quadratmeter zu haben. Insgesamt 165 Galerien aus 35 Ländern versammeln sich Ende April in der Brüsseler Expo. Ein Schwerpunkt liegt auf Galerien der Region, aber auch aus Deutschland reisen viele interessante Aussteller an, wie Thomas Schulte und Robert Grunenberg aus Berlin oder Christian Lethert und Ruttkowski;68 aus Köln. Sondersektionen legen Schwerpunkte auf Solopräsentationen, Emerging Artists und Newcomer, und unter dem Motto "68 Forward" schaut die Messe darauf zurück, was hier seit der Gründung im Jahr 1968 an spannenden künstlerischen Experimenten passiert ist.
Art Brussels, Brüssel, bis 27. April

Æmen Ededéen "The Academy of Forbidden Thoughts", 2024
Kunstmesse Expo Chicago in Chicago
Seit 2012 hat sich die Expo Chicago als zeitgenössische Messe einen Namen gemacht, seit 2023 gehört sie zum Frieze-Portfolio. Ende April versammelt sie wieder über 170 Galerien aus 36 Ländern in der 1916 gebauten Navy Pier Festival Hall am Lake Michigan. Die neue Sektion "Contrast" trotzt dem aktuellen politischen Backlash im Land und präsentiert "diverse Perspektiven" wie die Südafrikanerin Esther Mahlangu (Jenkins Johnson Gallery), den indigenen brasilianischen Künstler Chico da Silva (Galeria MaPa) oder Chicago’s Black Arts Movement aus den 1970er-Jahren (Gray Gallery). Bei den Förderkojen für junge Galerien trifft die lokale Szene auf Kollegen aus Südamerika. Noch mehr internationales Flair verspricht eine Kooperation mit Galerien aus Südkorea.
Expo Chicago, bis 27. April

Expo Chicago 2024
Monira Al Qadiri in Helsinki
Kraftstoffe, Kleidung, Spielzeug, Gebäude und Straßen: Öl ist allgegenwärtig. Die Künstlerin Monira Al Qadiri wuchs in der Nähe von Ölraffinerien in Kuwait auf, erlebte als Kind den Golfkrieg und macht die Doppelrolle des Öls als Wohlstandsfaktor und Verursacher von Krisen zum Thema ihrer neuen Ausstellung. Im Kiasma in Helsinki sind riesige und winzige Arbeiten zu sehen. Die Werke schimmern wie Öl oder Perlmutt – Al Qadiris Großvater war noch als Perlentaucher tätig. Dazu greift die Künstlerin häufig auf die Formen der Schaufeln zur Ölforderung oder die Molekularstrukturen der verwendeten Chemikalien zurück.
Monira Al Qadiri "Deep Fate", Kiasma, Helsinki, bis 7. September

Monira Al Qadiri "Benzene Float (Tetrakis)", 2024 (im Hintergrund von links nach rechts: "Future past 3", 2023; "NAWA", 2023)
Neue alte Frick Collection in New York
Mehr Platz, ein Auditorium, ein vergrößerter Empfangsbereich, neue Galerieräume im erstmals öffentlich zugänglichen Obergeschoss – wenn die Frick Collection am 17. April nach jahrelangem Umbau wiedereröffnet, wird vieles neu sein, aber eines, so versichern die Verantwortlichen, solle bleiben: die "intimen Begegnungen mit ikonischen Werken".
Tatsächlich ist die Frick Collection nicht nur das schönste, sondern auch das heimelig-intimste Museum New Yorks, was natürlich auch daran liegt, dass das Gebäude früher ein Wohnhaus war, nämlich das des Koks-und-Stahl-Moguls Henry Clay Frick. Der ging mit Menschen nicht immer sorgsam um (unter anderem ließ er seine streikenden Arbeiter einmal von privaten Sicherheitsdiensten niederschießen), mit Kunstwerken aber umso mehr und hinterließ bei seinem Tod im Jahr 1919 eine bemerkenswerte Sammlung europäischer Malerei und ausreichend Stiftungskapital, um seine im Beaux-Arts-Stil errichtete Villa am Central Park in ein öffentliches Museum zu verwandeln. Seit der Eröffnung im Jahr 1935 ist die von der Renaissance bis in 19. Jahrhundert reichende Sammlung stets gewachsen und umfasst heute mehr als 1100 Werke von Künstlern wie van Dyck, Bellini, Tizian, Vermeer, Rembrandt, Goya oder Watteau.
Dass für die Renovierung die Architektin Annabelle Selldorf gewonnen werden konnte, ist ein Glück, weil die US-Amerikanerin sich neben Kunstexpertise und feinem Raumgespür durch Zurückhaltung auszeichnet. Zu den Höhepunkten der Einweihungssaison zählt die Eröffnung der neuen Galerien im Obergeschoss. In den einstigen privaten Wohnräumen der Frick-Familie, die jahrzehntelang als Büroräume dienten, wurden historische Details wie Deckenmalereien, Marmorkamine oder Holzschnitzarbeiten freigelegt und restauriert. Im neuen Frick kommt man dem ganz Alten noch ein Stückchen näher.
Frick Collection, New York, bis auf Weiteres

New York: Die Frick Collection auf der Upper East Side
Rashid Johnson in New York
Das vielfältige Werk des 1977 in Chicago geborenen Künstlers Rashid Johnson fußt auf Studien zu Geschichte, Philosophie, Literatur und Musik. Eine große Soloschau im New Yorker Guggenheim beleuchtet nicht zuletzt Johnsons Rolle als Kunsthistoriker, Lehrer und Vermittler Schwarzer Popkultur. Zu sehen sind fast 90 Werke aus 30 Schaffensjahren, mit schwarzer Seife gemalte Bilder, gesprühte Texte, großformatige Skulpturen sowie Filme und Videos füllen die Rotunde des Museums. Neu ist "Sanguine", ein monumentales ortsspezifisches Werk auf der obersten Rampe des Guggenheim, zu dem ein Klavier für musikalische Aufführungen gehört.
Rashid Johnson "A Poem For Deep Thinkers", Guggenheim Museum, New York, bis 18. Januar 2026

Rashid Johnson "Jitter Bug", 2022
Hans Hollein in Paris
"Architekten müssen aufhören, nur in Bauwerken zu denken", schrieb Hans Hollein (1934–2014) über seine Zunft. Der Österreicher schuf neben seinen Bauten auch Kunst und Designobjekte und war ein wichtiger Theoretiker der architektonischen Postmoderne. Das Centre Pompidou zeigt nun seine bedeutendsten Arbeiten und untersucht die Verbindungslinien, die Hollein in 50 Schaffensjahren zwischen Praxis und Theorie zog. Er setzte sich intensiv mit Strömungen wie Informel oder Konzeptkunst auseinander, mit Beuys und Hundertwasser, mit Space-Age-Design oder Pueblo-Architektur.
Hans Hollein "Transforms", Centre Pompidou, Paris, bis 2. Juni

Hans Hollein "Strada Novissima", Ausstellungsansicht "The Presence of the Past", Architekturbiennale Venedig, 1980