Zur Ai Weiwei-Ausstellung in London

„Die Kunstwelt hat ihre Grenzen“

Jetzt erst recht: Die Londoner Lisson Gallery wird Arbeiten von Ai Weiwei auf der Art Hong Kong zeigen, die am 27. Mai beginnt. Und gerade eröffnete sie eine große Überblicksschau in London. Die Werke für die Schau hat Ai Weiwei noch selbst ausgesucht – Videos und Skulpturen, darunter eine Marmorkopie der Überwachungskamera, die sein Studio beobachtete. An der Fassade der Lisson Gallery fordert ein riesiges Plakat weiterhin Freiheit für Ai Weiwei. Ein Gespräch mit Greg Hilty, Kurator der Schau in der Lisson Gallery

Herr Hilty, die Lisson Gallery ist eine der großen, kommerziellen Galerien der Kunstwelt. Ist es nicht ernüchternd zu merken, wie wenig Einfluss Sie dennoch haben in so einer Situation?
Ja, wir realisieren gerade, dass die Kunstwelt ihre Grenzen hat. Und doch merkt man durch die immensen Reaktionen sämtlicher Kulturinstitutionen auf Ai Weiweis Verschwinden, wie wichtig und groß die Kunst als Kultur trotzdem ist.

In welcher Rolle sehen Sie sich als Galerie?
Als eine unterstützende Plattform und absoluter Fels hinter dem Künstler. Auch wenn wir im Moment nicht viel tun können, außer ganz bewusst diese Ausstellung zu zeigen.

Haben Sie daran gedacht, sie ausfallen zu lassen?

Ganz kurz, direkt nach den Geschehnissen. Doch es war relativ schnell klar, dass wir die Schau aufgrund der Situation erst recht zeigen müssen, allerdings mit einer Einschränkung.

Die wäre?
Wir bieten die Arbeiten in dieser Situation nicht zum Verkauf an, zumindest erst einmal nicht. Das ist einfach unangebracht. Natürlich wollen wir, dass diese dreizehn Arbeiten in guten Sammlungen landen, aber das ist momentan nicht die Priorität und das werden auch Interessenten verstehen.

Dass Sie in eine derart ernste politische Situation involviert sind, erleben Sie als kommerzielle Galerie wahrscheinlich auch nicht alle Tage...?
Einige unserer Künstler verarbeiten ökonomische und soziale Situation in ihrem Werk, denken Sie an Santiago Sierra oder Allora & Calzadilla. Doch diese Art von Eskalation ist auf jeden Fall auch für uns eine absolut neue, beunruhigende  Situation.

Wann haben Sie das letzte Mal mit Ai Weiwei gesprochen?
Wir waren in den zwei Monaten vor seinem Verschwinden eigentlich ständig in Kontakt, drei Tage bevor es passierte, haben wir noch gemailt. Seitdem läuft alle Kommunikation über sein Studio. Das gibt es zwar in der Art gerade nicht mehr, sie sind überall in der Welt verstreut von Hong Kong bis New York, doch der Kontakt zu ihnen war extrem gut und wichtig.

Glücklicherweise stand das Ausstellungskonzept bereits im Januar so gut wie fest, oder?
Ja, Ai Weiwei ist ein sehr praktisch denkender Künstler, das war toll. Nach dem Erfolg der Sonnenblumenkerne in der Tate Modern waren wir sehr interessiert an einer Schau mit ihm, und bis zu dem Punkt seines Verschwindens, liefen die Dinge beinahe etwas zu perfekt. Wir wollten sein Schaffen abdecken, indem wir seine Videos, seine Keramik, aber auch seine fantastischen Holzarbeiten zeigen. Bei den Holzskulpturen gab es dann noch eine tolle Überraschung.

Welche?
Er erwähnte plötzlich diese Sarg-Skulptur von 2005, die er, wie einige seiner Arbeiten, aus Holz demontierter Tempel der Qing Dynastie (1644-1911) konstruiert hatte. Dieses starke Werk hatte ich zuvor noch nicht gesehen und bin sehr froh, dass wir es nun in der Ausstellung zeigen können.

Haben die Ereignisse eine bisherige Zusammenarbeit mit chinesischen Kunstinstitutionen beeinflusst?
Natürlich steht das Problem verschiedener Werte von Menschenrechten und Meinungsfreiheit die ganze Zeit im Raum. Doch so lange es eine Art Offenheit und Interesse an Kooperation von Seiten Chinas gab, schien es Sinn zu machen, zumindest einen Dialog aufrecht zu erhalten. Durch das jüngste, harte Durchgreifen der dortigen Autoritäten, das uns mit Ai Weiwei ganz direkt betrifft, ist diese zarte Annäherung, die wir und andere Kulturinstitutionen bisher hatten, natürlich ernsthaft gefährdet.

Hat jemand von der chinesischen Regierung sich einmal bei Ihnen gemeldet?
Nein, bisher hat uns niemand kontaktiert.

 
Ai Weiwei in der Lisson Gallery, bis 16 Juli

In New York zeigt man noch bis zum 15. Juli die Ausstellung "Circle of Animals/Zodiac Heads" mit Skulpturen von Ai Weiwei am Pulitzer Fountain. Eine weitere Version des Werkes wurde nun in London eröffnet und wird noch bis bis zum 26. Juni im Somerset House zu sehen sein