Streaming-Tipps

9 Kunst-Filme, die Sie im März nicht verpassen sollten

Das Beste aus den Mediatheken: Die Filme im März gehen auf den roten Teppich, ins Horrorkabinett und in die Psyche von surrealistischen Künstlerinnen



Die Welt der Surrealistinnen 

Es ist ein wenig grotesk, dass eine Dokumentation über surrealistische Künstlerinnen mit einer Runde Männer beginnt, die über Frauen reden. Aber so ist die Ausgangssituation, wenn man an die Epoche des französischen Surrealismus denkt. Männer machen sich viele Gedanken über das Weibliche, Frauen kommen aber vor allem als Musen und Modelle und kaum als Künstlerinnen vor. Dass es diese sehr wohl gab, zeigt derzeit die Ausstellung "Fantastische Frauen" in der Frankfurter Schirn - und nach dem testosteronlastigen Start auch die Dokumentation "Gelebte Träume". Sie stellt unter anderem die Surrealistinnen Lee Miller, Leonor Fini, Leonora Carrington, Claude Cahun und Meret Oppenheim vor, von denen man bis heute eine dicke Schicht Musen-Mythos abkratzen muss, um die eigenständigen Künstlerinnen freizulegen. 

"Gelebte Träume - Künstlerinnen des Surrealismus", Arte Mediathek, bis 15. Mai

Foto: Arte

"Gelebte Träume - Surrealistische Künstlerinnen"


Das goldene Händchen des Larry Gagosian

Während es kleine und mittlere Galerien auf dem Kunstmarkt immer schwerer haben, werden die wenigen internationalen Mega-Galerien größer und mächtiger. Ein Name, ohne den das beschleunigte Business von heute nicht möglich scheint, ist Larry Gagsoian, der seine Galerie inzwischen an 18 Standorten in acht Ländern etabliert hat und Markt-Dauerbrenner wie Jeff Koons, Andy Warhol, Picasso, Jenny Saville und Katharina Grosse vertritt. In der Reihe "Kunsthändler" begleitet ein Filmteam den Kunsthändler ins Epizentrum der glamourösen, finanzkräftigen Kunstwelt. Die Dokumentation erzählt aber auch von Gagosians Anfängen, als er in Los Angeles auf einem Parkplatz jobbte und eine kleine Galerie mit Postern und Kunstdrucken eröffnete.  

"Kunsthändler: Larry Gagosian", 3 Sat Mediathek

Foto: 3 Sat

Larry Gagosian (links) mit Jeff Koons


Mehr Diversität für den deutschen Film

Gastarbeiter, Gangster, Dealer, Gemüsehändler oder Servicekräfte: Die Rollen, die Menschen mit Migrationsgeschichte in deutschen Filmen und Serien spielen, sind oft klischeebeladen und wenig vielfältig. Warum das so ist - und wie sich das ändern könnte -, versucht die Dokumentation "Kino Kanak - Warum der deutsche Film Migranten braucht" herauszufinden. Darin kommen unter anderem die Schauspieler Sema Poyraz, Hassan Akkouch und Tyron Ricketts zu Wort, die von ihren Erfahrungen erzählen. Außerdem werden Stereotypen in der deutschen Filmgeschichte untersucht und eine klare Forderung formuliert: Die Gremien, die entscheiden, was gedreht und gefördert wird, müssen diverser werden. Nur dann könnten verschiedene Lebenswelten als relevant und zeigenswert in die Filmstoffe einfließen.   

"Kino Kanak - Warum der deutsche Film Migranten braucht", 3 Sat Mediathek

Foto: 3 Sat

Schauspieler Hassan Akkouch in der Dokumentation "Kino Kanak" 


Auf nach morgen in New York 

Wie modernisiert sich eine Stadt, die der mythenbeladene Inbegriff einer boomenden Metropole ist? New York nimmt die Herausforderung an und transformiert ganze Viertel, um zukunftsfähig zu bleiben. Der Film stellt einige spektakuläre Stadtplanungsprojekte vor, darunter auch die "Hudson Yards" im Westen Manhattans, zu denen auch die Flaniermeile High Line und der neue Kunsttempel The Shed gehören. Letzterer sieht sich als Museum neuen Typs, das räumlich flexibel und künstlerisch vielfältig sein will. Aber sind Investorenprojekte wie dieses wirklich ein Beitrag zu einer lebendigen Kulturszene einer Stadt - oder nur ein weiterer Schritt hin zu einem Reichen-Ghetto, in dem niemand sonst mehr leben kann?

"New York – Die Stadt von Morgen", ZDF Mediathek, bis 7. März   

Foto: dpa

Ausblick aus "The Shed" in New York 


Die expressionistische Horror-Welt des Doktor Caligari 

Vor 100 Jahren wurde “Das Cabinet des Dr. Caligari” uraufgeführt, ein Pionierwerk des Erzählkinos. In den 1920ern löste der in expressionistisch verzerrten Kulissen mit gemalten Schatten gedrehte Stummfilm eine Welle des "Caligarismus" im Weimarer Kino aus. Sie verebbte bald, aber der Film noir in Hollywood nahm den düsteren Stil und die dubiosen Charaktere des expressionistischen Weimarer Stils nach einem Jahrzehnt wieder auf.

Das in "Caligari" etablierte Prinzip des unzuverlässigen Erzählers setzt sich sogar bis in die heutige Zeit fort – in zahlreichen Mindgame-Movies, bei denen die Haupthandlung sich in einem finalen Twist als Wahnidee der Hauptfigur entpuppt (Scorseses "Shutter Island" ist ein verkapptes "Caligari"-Remake).

Der Geschichtsphilosoph Siegfried Kracauer, der aus Nazideutschland emigrierte und in den USA der 1940er einen Buchklassiker der Filmsoziologie schrieb, sah bei "Caligari" wie in diversen Nachfolgefilmen Züge der NS-Barbarei vorgeprägt: "Rettungslos der Regression verfallen, mußte die Mehrheit des deutschen Volkes sich einfach Hitler ergeben. Da Deutschland so verwirklichte, was in seinen Filmen von Anfang an bereits angelegt war, nahmen die Leinwandgestalten tatsächlich Leben an (…) Selbsternannte Caligaris hypnotisierten zahllosen Cesares Mordbefehle ein, schrieb Kracauer in seinem Buch "Von Caligari zu Hitler".

“Das Cabinet des Dr. Caligari”, Arte Mediathek, bis 31. Juli

Foto: Arte

"Das Kabinett des Dr. Caligari"


Die bewegte Geschichte der Berlinale 

2020 verwandelte sich Berlin zum 70. Mal in eine Hauptstadt des internationalen Films. Schon immer war sie ein politisches Festival, das während der Teilung den Osten und den Westen der Stadt verband. Die gerade bekannt gewordene NS-Verstrickung des Gründungsdirektors Alfred Bauer zeigt, dass noch längst nicht alle historischen Facetten des Festivals aufgearbeitet sind. Die Dokumentation "Glamour, Geschichte, großes Kino" erzählt die sieben Jahrzehnte Berlinale von Anfang an und erinnert an Stars, große Filmmomente, Skandale und Debatten.

"Die Berlinale wird 70 - Glamour, Geschichte, großes Kino", ZDF Mediathek, bis 28. März

Foto: ZDF

70 Jahre Berlinale 


Das Schicksal des Wikileaks-Gründers Julian Assange

Gerade hat in London der Prozess gegen den Journalisten und Wikileaks-Gründer Julian Assange begonnen, bei dem über seine Auslieferung in die USA entschieden wird. Dort drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft, unter anderem wegen des Vorwurfs der Verschwörung, des Geheimnisverrats und der Spionage. Künstler und Intellektuelle weltweit setzen sich für die Freilassung des Whistleblowers ein und sehen in der Strafverfolgung Assanges, der unter anderem Kriegsverbrechen der USA öffentlich machte, einen Angriff auf die Pressefreiheit.

Diese neue Dokumentation, die in Deutschland online only in der ARD-Mediathek zu sehen ist, erzählt die Geschichte noch einmal aus Sicht von Assanges Umfeld und rekonstruiert die Ereignisse von den ersten Enthüllungen durch Wikileaks bis zur Festnahme in der ecuadorianischen Botschaft in London im April 2019. Seitdem sitzt Assange im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Unter anderem kommt in der Dokumentation auch sein Vater zu Wort, der davon erzählt, wie er während der Jahre in der Botschaft Kontakt zu seinem Sohn hielt. 

"WikiLeaks - Staatsfeind Julian Assange", ARD Mediathek

Foto: dpa

John Shipton, Vater von Julian Assange, vor einer Statue seines Sohnes am Brandenburger Tor


Die Aufbruchsstimmung der Mode-Industrie

In der Modeindustrie läuft hinter der Fassade aus Hype und Glamour einiges schief: Sie hat eine schlechte Ökobilanz, produziert unter menschenverachtenden Bedingungen und befeuert durch ihre schnellen Trend-Zyklen die Wegwerf-Mentalität der Kundschaft. Diese Entwicklung brachte weltweit Gruppen von "Fashion Activists" hervor, die sich für eine menschlichere und nachhaltigere Kleidungsbranche einsetzen. Die Dokumentation "Eine andere Mode ist möglich" stellt neue Ideen für eine ethische Mode vor - von der Besinnung auf alte Handwerkstechniken bis zu ausbeutungsfreier Fashion aus dem 3-D-Drucker. Passend zu dem Thema läuft noch bis zum 2. August die Ausstellung "Fast Fashion - Die Schattenseiten der Mode" im Museum Europäischer Kulturen in Berlin. 

"Eine andere Mode ist möglich", Arte Mediathek, bis 21. April


Die Nacht der Berliner Avantgarde

Eine besonders schöne Folge der sowieso schon schönen Reihe "Durch die Nacht mit..." ist die Ausgabe mit dem Indie-Gitarristen Thurston Moore (Sonic Youth) und dem Videokünstler Phil Collins, die sich im frühsommermilden Berlin treffen. Sie besuchen - mit persönlichem Empfang durch Museumsdirektor Udo Kittelmann - Julian Rosefeldts Ausstellung "Manifesto" im Hamburger Bahnhof, treffen eine ehemalige RAF-Terroristin und reden bei viel Bier und vielen Zigaretten wunderbar warmherzig über Kunst, Erinnerungen an verkorkste Konzerte, Lieblingsstädte und Ganz-Bei-Sich-Sein. Der Abend endet in Collins' Bar "Das Gift" in Neukölln. Man hätte gern mitgetrunken. 

"Durch die Nacht mit ... Thurston Moore und Phil Collins", Arte Mediathek, bis 15. März

Foto: Arte

Phil Collins (links) und Thurston Moore