Zur Kunst des Sammelns in Wolfsburg

Kalauer oder Hochkultur?

Mit einer Nüchternheit und Akribie, wie man sie Beamten oder Triebtätern zusprechen würde, nicht aber einem Künstler, fotografierte Hans-Peter Feldmann 1974 „Alle Kleider einer Frau“. Die 69-teilige Serie unterbietet im Fach Dramatik noch die Typologien von Fachwerkhäusern und Industriebauten, die Bernd und Hilla Becher zur selben Zeit aufnahmen. Mit dem Effekt, dass vor der Drohung totaler Bedeutungslosigkeit der Gedanke, es könnte sich um den Nachlass eines Gewaltopfers handeln, tröstlich erscheint.

Feldmanns Arbeit ist jetzt Teil einer Präsentation im Wolfsburger Kunstverein, die sich um das „Sammeln als künstlerische Handlung“ dreht. Vor den „Kleidern einer Frau“ spannt sich ein Beet aus abgeschossenen Feuerwerkskörpern (Francisco Montoya), daneben hat Stephanie Senge eine Dose Axe-Spray auf ein Wandpodest gestellt, und Sofia Hultén arrangiert Teile einer Autowerkstatt.

„In der Kollektion bildender Künstler gewinnen die Gegenstände kulturelle Relevanz“, heißt es erklärend im Text zur Schau. Ein Satz, hinter dem man sich statt eines Punkts auch gut ein Fragezeichen hätte vorstellen können: Stimmt das denn? Wo ist der Unterschied zum Readymade, also einem ausgestellten Alltagsobjekt? Und wenn Nives Widauer aus gesammelten Pfeifen einen Satz formt („Ceci sont …“) und das ganze „Affirmagritte“ nennt: Wird der Künstler dann wirklich zum „Archäologen, der anhand von ausgewählten Dingen das Unterbewusste der Gesellschaft ausgräbt“, oder handelt es sich bloß um einen kunstgeschichtlichen Kalauer?

Ebenfalls von Stephanie Senge stammt eine Serie von Gemälden. Eine Packung „Goldschatz“ oder eine Flutschfinger-Sonderedition erstrecken sich vor konstruktivistischen Bildern, und in dieser Überlagerung von Gegenständlichkeit und Abstraktion, Fetischisierung und Reflektion kommt die Ausstellung ganz zu sich. Das Konsumprodukt, als „Edition“ angepriesen, ist zum Kunstwerk geworden, das – wer weiß? – womöglich ein Wolfsburger Sammler kauft. 

„Heb mich auf! Sammeln als künstlerische Handlung“, Kunstverein Wolfsburg, bis 3. Februar