Ausstellung zur Homosexualität

Gegen das Homo-Stigma

In Berlin liest man Homosexualität endlich im Plural

Wann ist eigentlich der Begriff "Homo-Ehe" landläufig geworden? Wie selbstverständlich betitelte er wochenlang Artikel über die Bundesratsinitiative, die eine volle Gleichstellung homosexueller Partnerschaften fordert und zu einer Debatte führte, bei der einem das Lachen über die Dummheit im Halse stecken blieb. Ungebrochen wurden dabei Ressentiments verbreitet, wie die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) mit ihrem Vergleich der "Homo-Ehe" mit Inzest und Polygamie bewies.

Die Diskriminierung von Lesben und Schwulen ist offensichtlich noch lange nicht überwunden – doch was ist dagegen zu tun? Antworten auf diese Frage sucht nun eine Ausstellung, die das Schwule Museum und das Deutsche Historische Museum in Berlin gemeinsam konzipiert haben. Schon der Titel "Homosexualität_en" kündigt den aufklärerischen Ansatz der beiden Häuser an: Dem Homo-Stigma stellen sie in der Schau eine differenzierte Erzählung gegenüber, mit der sie die traditionelle Geschlechtertrennung und die damit einhergehende Ordnung dokumentieren und zugleich dekonstruieren.

Die Narration setzt nicht, wie man erwarten könnte, in der griechischen Antike an, in der homoerotische Beziehungen alltäglich waren. Sie geht stattdessen der Gesetzgebung nach – dem Umgang des Staates mit dem Verhalten seiner Bürger. 1872 trat in Deutschland der Paragraf 175 in Kraft, der homosexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte. Damit bekam auch die gesellschaftliche Repression eine neue Grundlage, die durch Mediziner und Kirchenvertreter institutionalisiert wurde. Das NS-Regime verschärfte die Strafverfolgung noch, erst 1994 wurde sie aus dem Gesetzbuch entfernt.

Diese späte Korrektur ist umso erschreckender, wenn man sich die Proteste in Erinnerung ruft, die bereits in den 60er-Jahren gegen die Diskriminierung organisiert wurden – sie sind in den beiden Museen ebenfalls dokumentiert. Der Kampf um Gleichstellung ist ein unvollendetes Projekt, und er wird überall in der Gesellschaft geführt. Es verwundert daher nicht, wie viele zeitgenössische Künstler in der Schau auftauchen, darunter Elmgreen & Dragset, Monica Bonvicini, Louise Bourgeois oder Andy Warhol. Keiner von ihnen reduziert seinen Fokus auf eine Solidaritätserklärung mit den Emanzipationsbewegungen. Vielmehr entlarven sie die Zuschreibung sexueller Identität, der ein jeder unterworfen ist, ganz gleich, ob er/sie Männer oder Frauen vögelt.