Martin-Gropius-Bau

Namedropping

Die Geschichte dieser Sammlung ist bizarr. Als die abstrakte Malerin Judith Rothschild 1993 in New York starb, hinterließ sie ihrem Freund Harvey S. Shipley Miller eine üppig ausgestattete Stiftung und den Auftrag, ihre Kunst und die ihrer Generation zu unterstützen. Miller ging mit dem Geld drei Jahre lang shoppen, von 2003 bis 2005, noch in den Hochzeiten des Kunstmarkts. Für geschätzte 18 Millionen Dollar kaufte er nicht weniger als 2600 Zeichnungen, die ältesten aus den 60ern, viele aber auch von jungen Künstlern.

Dass das in Judith Rothschilds Sinn war, bezweifelten viele Beobachter. Sicher ist: Miller übergab das gesamte Paket dem New Yorker Museum of Modern Art – das sich nun vor der nicht ganz einfachen Aufgabe sah, eine gigantische Menge von Werken unterschiedlichster Qualität zu verarbeiten.

Wenn man aus 2600 Stücken 250 aussuchen kann, kommt allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit ein exzellentes Ergebnis zustande. Und so wurde die erste Sammlungspräsentation, die 2009 im MoMA zu sehen war, schließlich allseits gelobt.

Die Schau, die jetzt unter dem Titel „Kompass. Zeichnungen aus dem Museum of Modern Art New York“ in den Berliner Martin-Gropius-Bau wandert, bietet Klassiker des 20. Jahrhunderts auf, wie Donald Judd, Ed Ruscha, Cy Twombly und Paul McCarthy. Sie dokumentiert die Entwicklung sowohl abstrakter als auch gegenständlicher Zeichnung und schafft Raum für neuere Formen, die die Techniken der Collage und Assemblage oder digitale Hilfsmittel einbeziehen. Einige jüngere europäische Künstler sind ebenfalls dabei, darunter Amelie von Wulffen, Kai Althoff und Paulina Olowska.

Ob hier die Handschrift des deutschen Galeristen André Schlecht­riem zu erkennen ist, der bei der Zusammenstellung als Berater auftrat? In jedem Fall verspricht „Kompass“ einen Durchmarsch mit promi­nenter Besetzung – durch eine Gattung, die völlig zu Unrecht häufig vernachlässigt wird. 

Martin-Gropius-Bau, Berlin, bis 29. Mai