Katalog zur Wiener Albert-Oehlen-Ausstellung

"All-overness oder wat?"

Wenn man einen Künstler auf das Werk eines anderen Künstlers loslässt, ist das immer ein Experiment, denn die Egos können auch mal allzu heftig aufeinander krachen. Im Falle des Katalogs zu der Albert-Oehlen-Ausstellung im Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig (Mumok)  in Wien ist das Zusammentreffen allerdings mehr als geglückt. Der Österreicher Heimo Zobernig zeichnet hier für die grafische Gestaltung des Katalogs verantwortlich. Er habe sehen wollen, was Oehlens Malerei auszuhalten vermag und deren methodische Komplexität, Relevanz und Lebendigkeit hervorheben wollen, kommentierte Zobernig.

Komplex und lebendig sieht es auch aus: verschiedene Schriftarten und Schriftgrößen nehmen entspannt die Collagetechniken der Bilder auf, beherzt wird in die Gemälde hineingezoomt, nichts ruht bräsig in der Mitte der Seiten, aber alles ist irgendwie in der Balance. Zum endgültigen Gelingen des Unternehmens trägt dann noch ein dritter Künstler bei: Das Gespräch, das Daniel Richter mit Albert Oehlen geführt hat (und das der kluge Herausgeber Achim Hochdörfer mit all seinen slapstickhaften Schleifen stehen ließ), gehört zu dem Lustigsten und gleichzeitig Erhellendsten, was man über das breitgeredete Thema Malerei so lesen kann. So unterhalten sich zwei Experten mit Helge-Schneider-haftem Understatement. Hier ein Auszug:

Daniel Richter: Hast Du oft Farbe an den Fingern?
Albert Oehlen: Leider ja.
DR: Im Gesicht?
AO: Leider ja. Deswegen hab ich auch immer mal schlechte Haut an den Fingern, wie heißt das, Fingernagelhaut! Durch das permanente Waschen mit Terpentin.
DR: Noch nie Babyöl versucht?
AO: Doch, auch Babyöl versucht. Beides. Babyöl ist besser. Erst Terpentin, wenn’s große Mengen Farbe auf der Hand sind.
[…]

Daniel Richter: Wäre ein Bild ohne Komposition möglich?
Albert Oehlen: Nein!
DR: Auch nie versucht?
AO: All-overness oder wat?
DR: Ja.
AO: Das ist doch auch eine Komposition. Tapete ist doch auch eine Komposition. Also das ist, glaub ich, eine Frage, innerhalb dieser Matrixmalerei ist es ja sehr limitiert. Vorne, hinten, oben, unten, links, rechts – dann kannst du die Elemente rausschieben, reinscheiben, und letztendlich entscheidet das nicht über die Gelungenheit der Komposition. Da kommt das Ideologische mit dazu, das Ästhetisch, lauter Elemente, die funktionieren in Bezugnahme auf das, was andere machen. Unter, wie sagt man, bestimmten vorgefundenen historischen Bedingungen. Und öde ist ein Bild halt dann, wenn, weiß ich nicht, wenn die Komposition uninteressant ist. Uninteressant gibt es ja auch. Das ist doch alles komponiert, ist ja klar, also wie, weiß ich nicht, alles Materielle ist. Das heißt, dass alle Materie gleich ist.
DR: Aha, und du gehst einfach ganz gradlinig vor, nach deinen geschmacklichen Vorgaben, oder stellst du dir Aufgaben?
AO: Ich stell mir Aufgaben!
DR: Wie könnte so eine lauten zum Beispiel?
AO: Mal ein wirklich schönes Bild malen, in das wahnsinnig viel Wahrheit reingequetscht worden ist, die aber aussieht wie Kitsch.
DR: Die Wahrheit?
AO: Die Wahrheit.

"Albert Oehlen. Malerei", Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, bis 20. Oktober
Der Katalog ist erschienen im Verlag der Buchhandlung Walther König, umfasst 176 Seiten und kostet 29,80 Euro