Michel Majerus' Halfpipe in Stuttgart

Als die Bilder skaten lernten

Frau Groos,  die Skater-Rampe von Michel Majerus ist die erste der Kunstgeschichte, oder?
Dan Graham hat im Rahmen seiner Open-Air-Pavillons und architektonischen Projekte Ende der 80er-Jahre einen Skateboard-Pavillon entworfen. Lustigerweise wäre der fast auch in Stuttgart gelandet, auf der Internationalen Gartenschau 1993. Aber letztendlich hat man den Plan doch fallen lassen und der Pavillon wurde, soweit ich weiß, nie realisiert.

Majerus' Rampe entstand ursprünglich im Jahr 2000 für den Kölnischen Kunstverein, jetzt wird sie als Teil der großen Sonderausstellung im Kunstmuseum Stuttgart gezeigt. Inwieweit hängt die Arbeit mit seinem übrigen Werk zusammen?
Es war Majerus generell wichtig, Menschen außerhalb des Museums anzusprechen. Wir haben uns 1998 auf der Manifesta in Luxemburg kennengelernt, da hatte er eine riesige Leinwand in einem Kino installiert. In diesem Fall hat er ganz klar die Skater-Szene als sein Publikum definiert, die nicht unbedingt zu den regelmäßigen Museumsbesuchern zählt. Ein weiterer Aspekt: Majerus ging es immer um die Wahrnehmung von Kunst, um die Auslotung und Erweiterung des Raums. Er hat seine Ausstellungen wiederholt mit verschiedenen Fußböden ausgestattet, um durch das Laufen auf diversen Oberflächen die Wahrnehmung zu beeinflussen. Bei der Rampe spielt die U-Form eine entscheidende Rolle, durch sie entsteht das für das Skaten typische, rhythmische Dahingleiten.

Die Skulptur ist explizit zur Benutzung angelegt?
Die Rampe ist offen für Skateboard-Fahrer, BMX-Fahrer und Inline-Skater, aber natürlich auch für „normale“ Besucher. Wenn man drüberfährt, verschmelzen die Bilder auf der Rampe zu einem bunten Zeichenmeer. Und durch die Benutzung kommen ständig neue Spuren hinzu.

Welche Bilder sind zu sehen?
Es sind Werke aufgedruckt, die teilweise auch in der großen Ausstellung in unserem Haus zu sehen sind. Im Vordergrund stehen Zitate aus der Werbe- und Musikwelt: eine abgeknickte Smarties-Schachtel, eine zerknüllte Bauhaus-Tüte, dazu Logos, Slogans und eigene Sprüche wie: „Die Absichten des Künstler werden überbewertet.“

Der Aufbau der Skulptur ist in Stuttgart nach wie vor umstritten. Warum?
Anfangs ging es vor allem darum, die Erlaubnis zu bekommen, dieses Werk mitten in der Stadt aufzustellen. Skateanlagen werden von den Städten ja meist an Randlagen verbannt, wir aber wollten die zentrale Lage am Schlossplatz und den Bezug zum Museum, und tatsächlich blickt man jetzt von unserem Haus aus direkt in dieses große Bild hinein. Seit dem Regierungswechsel ist das Land Baden-Württemberg bemüht, weniger Kommerz und mehr Kultur auf dem Platz zu haben – wovon der Citymanager der Stadt wenig hält. Er fürchtet um die wirtschaftlichen Interessen, beklagt „unfaire Betrachtung“. Hinzu kommt, dass Kunst im öffentlichen Raum immer schon starke Reaktionen ausgelöst hat. Eine Skaterampe als öffentliche Skulptur verschärft die Fronten noch einmal, aber generell kann ich die Debatte über solche Kunstprojekte nur begrüßen.

„If we are dead, so it is“, 16. März bis 20. Mai 2012. Die Sonderausstellung zum Werk von Michel Majerus ist noch bis 9. April im Kunstmuseum Stuttgart zu sehen. Monopol 12/2011 widmete Majerus anlässlich dieser Schau ein großes Porträt.