Am besten ist die Kamera, wenn sie flirtet

Künstlerporträts sind keine einfache Gattung. Schnell gerät man in die Nähe des klassischen Intellektuellenbildes: drögeseriöser Blick in die Kamera, das Kinn möglichst noch nachdenklich auf die Hand gestützt. Bis in die 80er-Jahre hinein war es überdies für viele bildende Künstler nicht angesagt, sich überhaupt für Pressezwecke vor der Kamera zu inszenieren: Wichtig war schließlich das Werk, wer sich fotografieren ließ, stand bereits mit einem halben Bein im Boulevard.
So sind die Porträts um so eindrucksvoller, die die Fotografin Angelika Platen seit den späten 60er-Jahren mit ihrer Schwarz- Weiß-Kamera einfing. Während Ben Vautier mit seinem „please no photos“-Schild noch Widerstand leistete, öffneten sich andere bereitwillig; Gerhard Richter ließ sie tief in seine Augen blicken, Walter De Maria warf sich für sie auf den Linien eines Rollfeldes zu Boden, Dan Graham machte eine ganze Performance – und Sigmar Polke sich hüpfend und lachend einfach komplett zum Affen. Warum, kann man erahnen, wenn man die Fotos sieht, die Polke damals seinerseits von der noch nicht 30-jährigen Platen gemacht hat: Diese Frau, die da im knappen Top aus einem Sessel blinzelt, konnte mit ihrer Filmstar-Ausstrahlung wohl jeden um den Finger wickeln.
Es passt, dass Angelika Platen später für Gunter Sachs eine Galerie führte. Warum sie zwischen 1976 und 1996 dann nach Frankreich und vom Radar der Kunstszene verschwand, mag sie in dem Interview, das Thomas Hettche für den schönen Bildband mit ihr führte, nicht verraten. Egal: Sie ist wieder da – auch mit neuen Fotos, die diese Werkübersicht souverän komplettieren.

Angelika Platen: „Künstler“. Auf Deutsch und Englisch. Hatje Cantz, 240 Seiten, 49,80 Euro