Schering Stiftung

Anders als blass: Leni Hoffmanns irisierende Wandmalerei in Berlin

Was ist das Gegenteil von bunt? Ist die Farblosigkeit weiß? "A whiter shade of pale" – blasser als bleich – lautet zumindest der Titel der aktuellen Ausstellung von Leni Hoffmann in der Schering Stiftung, benannt nach dem Nummer-Eins-Hit der Band Procol Harum aus dem Jahr 1967. Die Namensgebung des Songs ist allerings irreführend, werden doch die Eindrücke einer Party unter Drogenkonsum geschildert. Und den stellt man sich landläufig nunmal eher kreischend bunt vor. Ebenso wie die Fans von Procol Harum erfährt auch der Ausstellungsbesucher eine Divergenz zwischen Titel und „Inhalt“.

Betritt man den Ausstellungsraum, so sieht man zunächst einmal wirklich nichts als weiße Wand. Erst wenn man sich nach rechts wendet fällt der Blick auf das Werk „sid“. Die ortsspezifische Wandarbeit mit dem ungewöhnlichen Namen, den die Düsseldorfer Künstlerin nicht näher erklären will, wirkt jedoch alles andere als blass. Schillernder Autolack entfaltet ein Farbspektrum von warmem Hellgrün bis zu tiefem Dunkelblau und ist zugleich Aufforderung, das Werk aus unterschiedlichen Perspektiven zu erfahren.

Die Platzierung der Arbeit im Raum stiftet für einen kurzen Moment Verwirrung, da sie nicht wie üblich auf der Sichtachse des Betrachters liegt. Dieser Bruch mit den Seherfahrungen ist Teil von Leni Hoffmanns Werken. Die 1962 in Bad Pyrmont geborene Künstlerin spielt mit Phänomenen wie Veränderung, Zeit, Bewegung und Innehalten. Der stark glänzende und irisierende Kipplack der Arbeit, der ursprünglich aus der Autoindustrie stammt, verändert je nach Betrachterstandpunkt seine Farbigkeit.  Die umlaufende Fläche wird von sprödem Mauerputz gestört, dessen organische Form entstand durch Wasser, das gegen die Wand geschüttet wurde.

Zur Straße hin wird der Ausstellungsraum erweitert durch die Arbeit „ubik“, deren Namensgebung ebenfalls unerklärt bleibt. In mühevoller Handarbeit hat Leni Hoffmann die Glastüren des Stiftungshauses mit Knete verkleidet. Von außen erscheint das Material pastos und undurchlässig. Blickt man jedoch zurück, fällt Licht durch die Farbflächen und lässt eine ornamentale Struktur erkennen, die den Vorgang des Auftragens und die Fingerbewegung der Künstlerin nachvollziehbar macht.

Der Betrachter als wesentliches, nicht kalkulierbares Potential ihrer Arbeit spielt bei Leni Hoffmann eine zentrale Rolle, aus der sich auch die starke Raumbezogenheit der Werke ergibt. “Ich dekonstruiere Ordnungssysteme, indem ich kleine Zeilensprünge einbaue, Widersprüche – ein Stolpern, das die bisherige hierarchische Ordnung stört“, beschreibt die Künstlerin ihr Vorgehen. Ihr Werk ist zugleich eine Huldigung der Farbe. Sie ist Bedeutungsträgerin und Medium zugleich.

Noch bis zum 28. August zeigt die Schering Stiftung in Kooperation mit dem Frankfurter Städel Museum „a whiter shade of pale“. Im Rahmen der Ausstellungeröffnung wurde die Arbeit „sid“ dem Städel Museum als Schenkung übergeben. Dort wird sie 2011 in modifizierter Form - zur Eröffnung des Erweiterungsbaus für Kunst nach 1945 - neu ausgeführt. 


Bis 28. August. Mehr Informationen unter www.scheringstiftung.de